Nach Liefer-Chaos

EU-Staaten wollen Impfstoffe selbst herstellen

Ausland
01.02.2021 18:14

Lieferengpässe und unterschiedliche Auslegungen von Verträgen mit Impfstoffherstellern haben viele EU-Staaten verunsichert. Einige von ihnen haben nun offensichtlich die Nase voll und wollen die Vakzin-Produktion selbst in die Hand nehmen.

So plant die italienische staatliche Gesellschaft Invitalia, mit einer 30-prozentigen Beteiligung bei dem römischen Pharmakonzern ReiThera einzusteigen. Dieser entwickelt einen Impfstoff und testet ihn an Freiwilligen im römischen Krankenhaus Lazzaro Spallanzani, wie vor Tagen bekannt wurde. Die Testphase für das Vakzin soll spätestens im Juni zu Ende gehen. Danach soll der Impfstoff die Zulassung der europäischen Pharmabehörde EMA erhalten. Schon im Sommer könnte das Serum auf den Markt kommen. 100 Millionen Dosen Impfstoff pro Jahr will ReiThera herstellen. Damit will sich Italien von den Lieferungen ausländischer Pharmakolosse wie Pfizer/BioNTech und AstraZeneca unabhängiger machen. Bei ReiThera ist die Anstellung von 40 neuen Mitarbeitern geplant.

Wie in zahlreichen anderen EU-Ländern stottert auch in Italien die Corona-Impfkampagne. (Bild: APA/AFP/Filippo MONTEFORTE)
Wie in zahlreichen anderen EU-Ländern stottert auch in Italien die Corona-Impfkampagne.

„Die italienische Impfstoff-Produktion wird uns ermöglichen, unsere Bekämpfung der Pandemie zu stärken und die Impfkampagne zu beschleunigen. So hoffen wir, einen rascheren Ausweg aus der Epidemie zu finden“, sagte der für die Impfkampagne zuständige Regierungskommissar Domenico  Arcuri am Mittwoch. Seit dem Impfstart am 27. Dezember wurden in Italien 1,5 Millionen Personen geimpft. Damit ist Italien weiter das EU-Land mit der höchsten Zahl an Geimpften. Wegen Engpässen bei den Lieferungen der Corona-Impfdosen wird Italien aber erst Anfang März die Impfung von Senioren im Alter von über 80 Jahren beginnen können, teilte Vize-Gesundheitsminister Pier Paolo Sileri mit.

Slowakei möchte Kooperation mit Pharmariesen
Die slowakische Regierung will wiederum Gespräche mit dem Konsortium Pfizer/Biontech als auch mit dem US-Unternehmen Moderna führen, um über eine mögliche Produktion von Impfstoffen im eigenen Land zu verhandeln. Die Nachrichtenagentur Sita hat vor Kurzem gemeldet, dass die bereits weit gediehene Entwicklung eines eigenen Corona-Impfstoffs durch die slowakische Firma Axon Neuroscience in Zusammenarbeit mit der Slowakischen Akademie der Wissenschaften aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung ins Stocken geraten sei. Anstatt mit finanzstärkeren Konzernen zu konkurrieren, erwäge man nun, das slowakische Expertenteam in eine internationale Kooperation mit einem der beiden großen Anbieter zu integrieren.

(Bild: AFP)

Von Sita befragte Experten wiesen jedoch darauf hin, dass eine reale Produktion von Impfstoffen in der Slowakei eher für künftige Epidemien ins Auge gefasst werden sollte. Die aktuelle Corona-Pandemie könnte aber den entscheidenden Anstoß geben, dass seit Jahren gehegte Pläne nun doch noch vorangetrieben würden.

Impfstoffe aus China und Russland
Als schnelleren Ausweg wählen andere EU-Staaten wiederum Impfstoffe aus Russland und China. Wie berichtet hat Ungarn bereits das russische Vakzin „Sputnik V“ zugelassen und auch fünf Millionen Dosen des in der EU nicht zugelassenen chinesischen Impfstoffs Sinopharm bestellt. Auch Tschechien will sich mit einer Bitte um „Sputnik V“-Lieferungen an Moskau wenden. Präsident Milos Zeman bestätigte am Montag seine Absicht, auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Hilfe zu bitten.

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