Hunderte Festnahmen
Mehrjährige Haftstrafe für Kreml-Kritiker Nawalny
Der russische Regierungskritiker Alexej Nawalny ist am Dienstag knapp zwei Wochen nach seiner Rückkehr nach Russland zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden. In dem Prozess ging es um Verstöße gegen Bewährungsauflagen aus einem früheren Verfahren. Ein Jahr gilt allerdings wegen eines Hausarrests bereits als verbüßt. Nawalnys Anwälte kündigten Berufung an. Die USA, Österreich und Deutschland haben unmittelbar nach dem Urteil die „sofortige und bedingungslose Freilassung“ des 44-Jährigen gefordert. Nach dem Urteil kam es zu Protesten von Anhängern. Die Polizei griff hart durch und verhaftete Hunderte Personen.
Insgesamt siebenmal habe der 44-Jährige die Meldepflicht bei den russischen Behörden verletzt, hieß es bei der Urteilsbegründung. Nawalny, auf den im August ein Giftanschlag verübt worden war, wies dies zurück: „Ich war in Deutschland in Behandlung!“ Das Vorgehen steht als politisch motiviert in der Kritik. Aus diesem Grund rüstete sich die Staatsmacht gegen Proteste von Nawalnys Unterstützern. Es gab bereits mehr als 230 Festnahmen, wie das unabhängige Portal ovdinfo.org (OWD-Info) am Dienstag berichtete. Auch viele Journalisten kamen in Gewahrsam.
Nawalny folgte den Ausführungen der Richterin mit einem verschmitzten Lächeln, um zu signalisieren, was er vom Prozess hält. Für Aufsehen sorgte, dass er Liebesbeweise in Richtung seiner Frau Julia schickte, die der Urteilsverkündung mit versteinerter Miene folgte. So zeichnete Nawalny mit seinem Zeigefinger ein Herz auf die Plexiglasscheibe, hinter der er stand.
Beispielloses Polizeiaufgebot
Die Verhandlung am Moskauer Stadtgericht lief unter einem beispiellosen Polizeiaufgebot ab. Das Moskauer Stadtgericht wurde von Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewacht und weiträumig mit Metallgittern abgesperrt, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete.
„Wladimir, der Vergifter der Unterhosen“
Nawalny nutzte seinen Auftritt vor Gericht für eine Abrechnung mit Präsident Wladimir Putin. Dieser werde als „Wladimir, der Vergifter der Unterhosen“ in die Geschichte eingehen. Für das Attentat macht er Putin und Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Das „Killerkommando“ soll das Nervengift in seiner Unterhose angebracht haben.
Nawalny kritisierte erneut, dass russische Ermittler bis heute Untersuchungen zu dem Anschlag vom August ablehnten. „Wir haben nachgewiesen, dass Putin diesen versuchten Mord verübt hat.“ Und nun spiele „dieser kleine, diebische Mensch in seinem Bunker“ verrückt, weil sein Gegner überlebt habe, meinte der 44-Jährige. Putin und der FSB weisen es zurück, in den Mordanschlag verwickelt zu sein.
Der Oppositionsführer rief die Menschen in seinem Land auf, trotz des Drucks ihre Angst zu überwinden. Er verlangte zudem die umgehende Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland. Gesetzlosigkeit und Willkür seien das Wesen des politischen Systems in Russland, meinte der Politiker weiter. „Das ist furchtbar“, sagte er in seinem Schlusswort.
„Ein ganzes Volk lässt sich nicht einsperren“
Die vom Kreml eingesetzte Richterin Natalia Pepnikowa forderte Nawalny auf, im Gerichtssaal keine Politik zu machen. Das Land gehöre den Menschen, erwiderte Nawalny. Sie hätten das Recht, gegen Missstände zu protestieren. „Es ist nicht schwer, mich einzusperren. Aber ein ganzes Land lässt sich nicht einsperren“, tönte Nawalny.
Moskau: „Forderungen nach Freilassung sind realitätsfern“
Russland zeigte sich ob der internationalen Proteste ungerührt. Der Westen soll sich nicht in die hoheitlichen Angelegenheiten Russlands einmischen, teilte das Außenministerium mit. Die Forderungen nach einer Freilassung Nawalnys seien „realitätsfern“. Zuvor hatte neben zahlreichen anderen Staaten und der EU auch Österreich die „sofortige und bedingungslose Freilassung“ des Kreml-Gegners gefordert. „Seine Menschenrechte und Grundfreiheiten müssen respektiert werden, genau so wie jene aller anderen Protestierenden und Medienvertreter, die in den vergangenen Tagen festgenommen wurden“, schrieb das Außenministerium am Dienstagabend in englischer Sprache auf Twitter.
Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, sprach von einem „Schauprozess“ der Machthaber mit dem Ziel, „eine erfolgreiche oppositionelle Stimme zum Schweigen zu bringen“. Weil die Justiz „als verlängerter Arm des Kreml“ agiere, sei das Urteil „nicht überraschend“. Es sei aber „sicher eines, dass weder die internationale Gemeinschaft noch die erwachte Opposition zum Schweigen bringen wird, im Gegenteil“.
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