Die Impfung ist der Game Changer, betont Bundeskanzler Sebastian Kurz immer wieder. Aber wie schnell Österreich impfen kann, das hängt von der EU ab, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober gern, wenn man ihn mit Kritik konfrontiert. Wie viel ist bei der Impfstrategie der EU schiefgegangen und was ist der Ausblick auf 2021? Das diskutieren diese Woche bei „Moment Mal“ der Verteter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, sowie der Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, Paul Schmidt, mit Damita Pressl.
Von einem „Impfwunder“ spricht Selmayr. Man habe binnen kürzester Zeit reagiert: drei Zulassungen innerhalb von zehn Monaten, die zu 80% in Europa produziert werden. Die Meinung teilen nicht alle; Kritiker stoßen sich an der späten Vertragsunterzeichnung mit den Pharmaherstellern. Selmayr gibt zu: Die Verhandlungen haben in der EU länger gedauert, es handle sich schließlich nicht um einen Bundesstaat und man habe stets 27 Staaten mit einbeziehen müssen.
Zudem sei in den Verhandlungen wesentlich gewesen, dass die Pharmakonzerne und nicht die Mitgliedsstaaten bei etwaigen Nebenwirkungen haften sollten. „Das war der Hauptgrund, warum es länger gedauert hat“, sagt Selmayr und fährt fort: „Ein Unternehmen, das selbst haftet, achtet mehr auf die Qualität.“ Es handle sich hierbei auch nur um vier oder fünf Wochen, die die Europäische Union hinten nach sei, gibt Selmayr zu bedenken. Doch auch einige wenige zusätzliche Wochen im Lockdown kommen der Wirtschaft natürlich teuer zu stehen.
(Bild: APA/AFP/Justin Talls)
„Im Nachhinein ist man immer schlauer“ Ebenfalls sei nun klar, ergänzt Paul Schmidt, dass man mehr in die Produktion hätte investieren müssen. Im Bereich Forschung und Entwicklung sei die Union extrem schnell gewesen, auch in der Zulassung. Die nächste Herausforderung sei dann aber unterschätzt worden: „Im Nachhinein ist man immer schlauer. Da hätte man früher besser ansetzen müssen und sehen müssen, dass hier Kapazitäten fehlen.“
Dennoch betont Schmidt, dass die Produktion der Impfstoffe derzeit um das Zehntausendfache gesteigert werde: Weltweit seien acht Milliarden Dosen bestellt worden. „Es gibt kein Unternehmen, das jemals so viele Impfstoffe produziert hat“, stellt Selmayr klar. Und er relativiert: „Zwei Drittel der Welt sind noch überhaupt nicht geimpft und haben noch gar nicht angefangen. Wir Europäer sollten weniger schimpfen und mehr impfen.“ Bis zum frühen Sommer sollen alle in Europa, die das wollen, geimpft sein, so Selmayr.
Martin Selmayr vertritt die EU-Kommission in Österreich.
(Bild: APA/Barbara Gindl)
Zwei weitere Fehler räumt Selmayr ein: Der gemeinsame Start der Impfungen am 27. Dezember habe zu hohe Hoffnungen geweckt, und der Exportstopp, den andere Länder viel früher beschlossen hätten, sei zu spät gesetzt worden.
Dass der russische Impfstoff „Sputnik V“ - trotz vielversprechender Daten zur Wirksamkeit - den Impfplan der Europäischen Union noch groß verändert, glauben Selmayr und Schmidt nicht: Dafür sei die produzierte Menge noch viel zu gering und eine Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde noch weit weg. Sollte die Zulassung aber beantragt werden, werde der Impfstoff wie alle anderen auch geprüft.
(Bild: Associated Press)
„Nicht in Impfnationalismus verfallen“ Wichtig seien bis Sommer Daten dazu, ob die Impfung auch die Übertragung des Virus beeinflusst, sowie ein rechtzeitiges Reagieren auf Mutationen. „Die beste Antwort auf einen mutierenden Virus ist, dass wir schneller sind“, sagt Selmayr. Man müsse sich mit möglichst vielen Impfstoffen mit unterschiedlichen Technologien auf die nächste Phase der Pandemie vorbereiten. Bis dahin, so Schmidt, dürfe man „nicht in einen Impfnationalismus verfallen“.
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