Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geht es in Brüssel offenbar nicht schnell genug. Nachdem es bei den bisher in der EU zugelassenen Impfstoffen teilweise zu Vertragsstreitigkeiten und Lieferverzögerungen gekommen war, schickte der Kanzler am Freitag gemeinsam mit drei weiteren europäischen Regierungschefs einen „Brandbrief“ an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Darin mahnte er die EU zur Eile, was den schon in den Startlöchern stehenden Corona-Impfstoff des US-Konzerns Johnson & Johnson angeht.
Dabei bemühte Kurz die von ihm schon öfter verwendete Formulierung des „Game Changers“. Das sei der Johnson-&-Johnson-Impfstoff nämlich seiner Meinung nach, weil er leichter gelagert und transportiert werden könne. Außerdem lässt sich mit dem Impfstoff schneller eine Immunisierung erreichen, weil nur eine Impfdosis benötigt wird. Bei den anderen bisher zugelassenen Impfstoffen sind jeweils zwei Teilimpfungen notwendig.
Brief übt sanften Druck auf die EU aus
Den Brief, den die „Bild“-Zeitung kurzerhand zum „Brandbrief“ erklärte (das Original liegt krone.at vor), unterzeichnete Kurz gemeinsam mit dem tschechischen Premierminister Andrej Babiš, Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen und Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis. Er beginnt zwar mit „Liebe Ursula“, was danach folgt, könnte man jedoch eher als sanften Druck auf die in der Corona-Krise bisher nicht durch besonders schnelles Handeln aufgefallene EU interpretieren.
„Wir sind sehr erfreut, dass es nun einen gemeinsamen und starken Druck auf die Impfstoffproduzenten gibt“, schreiben die vier Regierungschefs. Danach bedanken sie sich zunächst einmal für die „starke Nachricht“ an AstraZeneca über das „inakzeptable Verhalten“ des britisch-schwedischen Konzerns. „Es sieht danach aus, als ob sie jetzt die Tragweite der Situation verstehen.“
Mögliches Problem so früh wie möglich lösen
Danach geht es allerdings schon ans Eingemachte: Man sei darüber informiert worden, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson zur Endfertigung in die USA versandt werden müsse. „Wenn das den Zugang der EU zu dem Impfstoff gefährdet, sollten wir uns mit diesem Problem so früh wie möglich auseinandersetzen, um eine gemeinsame Lösung mit dem Unternehmen zu finden und damit die europäische Versorgung zu gewährleisten“, schreibt Kurz mit den drei weiteren Regierungschefs.
EMA wartet schon auf Zulassungsantrag
Ihrer Einschätzung nach gebe es ausreichende Kapazitäten für eine Endfertigung des Vakzins in der Europäischen Union. Der US-Konzern hatte am Donnerstag einen Antrag auf Notfallzulassung in den USA gestellt. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA, die für die Zulassung von Impfstoffen in der EU zuständig ist, hatte bereits vergangene Woche mitgeteilt, dass man bereits auf den Zulassungsantrag von Johnson & Johnson warte.
Außerdem müsse man in Brüssel auch bei den Vertragsverhandlungen mit den weiteren Impfstoffherstellern weiter auf das Gaspedal steigen: „Zeit ist von entscheidender Bedeutung“, so Kurz. Versöhnlichere Worte schlagen die vier Regierungschefs erst zum Schluss des „Brandbriefs“ an: „Wir freuen uns darauf, die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ihnen in den kommenden Wochen und Monaten fortzusetzen, die für uns alle entscheidend sein wird.“
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