ME/CFS ist eine der tückischsten Krankheiten, viele werden zu einem kompletten Pflegefall. Im Gesundheitssystem fehlt die Anerkennung, wir haben mit einem Betroffenen gesprochen: Kevin Thonhofer war Profi-Fußballer - nun schafft er gerade einmal 1000 Schritte am Tag.
Eine Lehre als Papiertechniker, mehrere Jobs, Leistungssportler, Fußball-Legionär in Deutschland - es lief beim Steirer Kevin Thonhofer. Bis zum Dezember 2017. „Da bin ich aus einem Urlaub mit 40 Grad Fieber heimgekommen“, erinnert er sich zurück. Die Grippesymptome gingen aber nicht mehr weg, waren ständig präsent, die Beine waren taub, Gelenkschmerzen quälten. Essen konnte Thonhofer nur im Liegen, er war ständig auf Versorgung angewiesen. Und das monatelang.
Die meiste Zeit ans Bett gefesselt
Früher ist der Obersteirer 20 Kilometer am Tag locker gelaufen, heute schafft er gerade einmal 1000 Schritte. „Wenn ich in den Ort will, brauche ich meinen E-Rollstuhl. Ansonsten bin ich im Haus eingesperrt.“ Duschen, Essen aufwärmen, etwas telefonieren, sich für die CFS-Hilfe engagieren, mehr geht nicht - den Rest des Tages ist der Sohn der SK-Sturm-Legende Heinz Thonhofer an sein Bett gefesselt.
Die Pensionsversicherungsanstalt und der Großteil des Medizinsystems versuchen, die Krankheit in die Psychosomatik zu stecken, was absolut nicht zutrifft.
Kevin Thonhofer
Kevin bekommt Immunglobuline, alle vier Wochen gibt’s Infusionen. „So ist mein Zustand halbwegs stabil“, sagt er, der aber auch ganz andere Fälle kennt. „Es gibt viele, die sind extrem lichtempfindlich, müssen ständig eine Schlafmaske tragen. Viele werden dauernd von einer Art Hirnnebel gequält. Und viele werden schließlich zum kompletten Pflegefall.“
Keine Chance auf Heilung
Die meisten Betroffenen sind unter 45 Jahre. Auch Kevin. Er ist heute 32 Jahre alt. Welche Perspektiven er hat? „Keine.“ Die Chance auf Heilung? „Gibt es nicht. Man weiß so wenig über diese Krankheit, obwohl sie international seit 1969 anerkannt ist.“ ME/CFS wird in Österreich oft verharmlosend als chronisches Müdigkeitssyndrom beschrieben. „Das hat mit Müdigkeit und Erschöpfung, die ein gesunder Mensch nach einem intensiven Arbeitstag verspürt, aber absolut nichts zu tun“, betont Kevin.
„Es ist wie eine Dauergrippe, der körpereigene Akku ist defekt und lädt nur noch bis fünf Prozent.“ Gerade das Thema Anstrengung ist höchst sensibel. „Bewegung und Aktivität ist bei den meisten Krankheiten gut, bei ME/CFS aber kontraproduktiv. Machst du nur ein bisschen zu viel, geht das nach hinten los und die Symptome werden noch viel schlimmer.“ Was Kevin sich wünscht: „Dass sich an unserem Status etwas ändert. Die Pensionsversicherungsanstalt und der Großteil des Medizinsystems versuchen, die Krankheit in die Psychosomatik zu stecken, was absolut nicht zutrifft.“
Daten und Fakten zu ME/CFS:
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