Nur acht Aktive?

Tirol: Geringe Fallzahl „an Haaren herbeigezogen“

Tirol
08.02.2021 16:15

Im Bundesland Tirol gibt es derzeit knapp 300 bestätigte Fälle der südafrikanischen Coronavirus-Mutation. Laut dem Virologen Andreas Bergthaler konnten bisher 293 Proben mithilfe einer Sequenzierung der Variante mit dem Kürzel B.1.351 zugeordnet werden. Der Tiroler WK-Präsident Christoph Walser hatte zuvor am Sonntagabend in der „ZiB 2“ von acht aktiven Fällen der Südafrika-Mutation gesprochen, was sich rasch als falsch entpuppte. Für den Molekularbiologen Ulrich Elling ist die von Walser genannte Zahl unter anderem „irreführend“.

Walser betonte am Sonntag: „Wir sperren morgen auf“, was dann auch genau so umgesetzt wurde, ehe sich der Bund und das Land am Montag auf eine „dringende Reisewarnung“ für Tirol einigen konnten. Hauptgrund für das Einlenken ist starke Verbreitung der besonders ansteckenden B.1.351-Variante des Coronavirus.

Der Tiroler WK-Präsident Christoph Walser in der „ZiB 2“ (Bild: Screenshot: ORF)
Der Tiroler WK-Präsident Christoph Walser in der „ZiB 2“

Walsers Aussage „nicht nachvollziehbar“
Für Bergthaler ist die von Walser genannte Zahl „nicht nachvollziehbar“. Dass es in Tirol nur acht gesichert nachgewiesene Fälle der Mutation gebe, sei „entsprechend unwahrscheinlich“, weil man mit der Erbgut-Aufschlüsselung Tage bis Wochen hinterherhinke. Das liege in der Natur der Methodik, so Bergthaler, der seit einem Jahr das Erbgut des Coronavirus analysiert. 

„An den Haaren herbeigezogen“
Weniger diplomatisch drückte es der Molekularbiologe Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW aus. Für ihn ist Walsers Argumentation „an den Haaren herbeigezogen“. Die Zahl beruhe zwar auf den bisher bei ihm am Institut bestätigten 165 Nachweisen, die Proben seien aber bereits vor einigen Tagen entnommen worden und erst dann in Wien eingelangt. 

„Wir Tiroler haben nix zu verbergen“, steht auf diesem Werbeplakat eines Molkereiunternehmens. In dem Bundesland gibt es bisher knapp 300 bestätigte Fälle der südafrikanischen Coronavirus-Mutation. (Bild: APA/HANS KLAUS TECHT)
„Wir Tiroler haben nix zu verbergen“, steht auf diesem Werbeplakat eines Molkereiunternehmens. In dem Bundesland gibt es bisher knapp 300 bestätigte Fälle der südafrikanischen Coronavirus-Mutation.

Fälle bis zur Sequenzierung nicht mehr aktiv
Bis zur endgültigen Sequenzierung am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW und dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien vergehe ein gewisser Zeitraum. Nach Ablauf dieser Zeit sei „natürlich der Großteil genau dieser Infektionsfälle nicht mehr aktiv“. Elling bemühte dazu auch einen bildhaften Vergleich: „Wenn man mit dem Auto auf eine Klippe zufährt, nützt der Blick in den Rückspiegel nichts.“

Elling: Walsers Argumentation ist „irreführend“
Die Argumentation mit den vermeintlich nur acht aktiven Fällen müsse man laut Elling als „irreführend“ bezeichnen. Die Methode der Sequenzierung sei nämlich dazu da, das Geschehen im Land zu beobachten und nicht um aktive Fälle zu bestimmen. Allein zwischen dem 1. und 4. Februar habe man mehr als 70 potenzielle Fälle der Südafrika-Mutation in Tirol entdeckt. Bei all diesen Fällen handle es sich um aktiv Erkrankte.

In allen anderen Bundesländern konnten bisher neun Fälle der B.1.351-Mutation zugeordnet werden. Dabei handle es sich laut Bergthaler um Einzelfälle, hinter denen sogar noch weniger Infektionsfälle stecken könnten, weil es zu Doppelbeprobungen gekommen sei.

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