Wegen Impf-Desaster:
Experten sehen EU-Kommissionschefin angeschlagen
Ursula von der Leyen macht im Impf-Desaster der EU keine gute Figur. Analysten sehen die EU-Kommissionspräsidentin geschwächt, aber nicht abgeschrieben. „Sowohl bei der Impfstoffbeschaffung als auch bei der Verordnung über Exportkontrolle sind Fehler passiert“, sagte der EU-Experte Stefan Lehne vom Brüsseler Thinktank Carnegie Stiftung für internationalen Frieden (CEIP).
Plötzlich stehe VDL für „very damaged leader/schwer beschädigte Führungsfigur“ schrieb das Magazin „Politico“ unlängst über von der Leyen und ihre Initialen. Janis Emmanouilidis vom Brüsseler „European Policy Centre“ (EPC) sagt zur Situation der EU-Kommissionschefin: „Ihr Standing ist beschädigt. Es ist aber wiederherstellbar. Es gibt einen Vertrauensverlust. Alle, die Brüssel-kritisch sind, nutzen dies nun aus.“
„Einfluss von Merkel schwindet“
Für die Kommissionspräsidentin werde die Lage nicht einfacher. „Sie hatte im zweiten Halbjahr 2020 in der deutschen Ratspräsidentschaft eine starke Unterstützung durch Kanzlerin Angela Merkel. Der Einfluss von Merkel schwindet, diese Unterstützung wird dieses Jahr graduell schwinden.“
„Die Koordination zwischen den EU-27 benötigt mehr Zeit“
Dass die EU bisher nicht ausreichend Corona-Impfstoff geliefert bekommt, ist hingegen nach Ansicht des EPC-Experten auf eine Vielzahl von Gründen zurückzuführen, für die nicht nur die EU-Kommission, sondern auch die Mitgliedstaaten verantwortlich seien. „Ein Teil der Verzögerungen ist strukturell bedingt. Die Kommission hat nie ein so großes medizinisches Beschaffungsprogramm gemanagt. Die Mitgliedstaaten mussten intensiv eingebunden werden, da die Gesundheitskompetenzen bei ihnen liegen, was ebenfalls Zeit gekostet hat“, so auch Lehne.
Emmanouilidis sieht den gemeinsamen Erwerb von Impfstoffen durch die EU trotz allem als den richtigen Weg. Die Alternative, dass jeder EU-Staat sich selbst Impfstoff beschaffen würde, wäre nicht besser, sagt der Polit-Analyst. Dies hätte zu Ungleichgewichten in der EU geführt, nicht nur zu mangelnder Solidarität, sondern auch zu möglichen Spillover-Effekten in anderen Bereichen. Die EU-Kommission werde auch noch bei der Umsetzung des Corona-Wiederaufbaufonds gebraucht, erinnerte Emmanouilidis etwa.
„Druck der Regierungschefs nachvollziehbar“
Dass Regierungschefs wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nunmehr Druck auf die EU für weitere Zulassungen machen würden, sei aber „völlig nachvollziehbar“, sagte Emmanouilidis. „Alle Akteure stehen unter Druck. Das ist nicht das Problem. Man muss den Druck positiv kanalisieren.“ Auch Lehne findet es „selbstverständlich, dass die Regierungen interessiert sind, die gegenwärtige Mangelsituation raschestmöglich zu überwinden. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass die Kommission in dieser Frage nicht eigeninitiativ, sondern im Auftrag der 27 gehandelt hat und die Mitgliedstaaten an allen Entscheidungen beteiligt waren.“
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