Bereits 80% Mutationen

Forscher warnen vor stark optimierten Coronaviren

Wissenschaft
12.02.2021 13:10

Seit rund einem Monat werden am Vienna Biocenter Tausende Proben unter die Lupe genommen, um so genauen Aufschluss über die Mutationen des Erregers SARS-CoV-2 zu erhalten. Immer mehr neu auftretende Varianten des Virus bereiten den Forschern Kopfzerbrechen, die Sorge vor einem „stark optimierten“ Virus wächst. Mittlerweile sind nur mehr zehn bis 20 Prozent der Proben dem „Wildtyp“ zuzuordnen - jener Variante, die dem aus China kommenden Original am ähnlichsten ist -, der Rest sind bereits Mutationen.

„Das mag jetzt ein Schock sein, liegt aber auch daran, dass das Virus über ein Jahr lang nicht großflächiger beobachtet wurde“, sagte Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften. Gemeinsam mit Luisa Cochella, die am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) forscht, sequenzierte Elling im vergangenen Monat das Spike-Protein (im Bild unten rot) des Erregers in rund 8000 Proben. Es tue sich viel, so die Forscher im Gespräch mit der APA.

3D-Darstellung des Covid-Erregers SARS-CoV-2 (Bild: NIAID-RML, krone.at-Grafik)
3D-Darstellung des Covid-Erregers SARS-CoV-2

„Das Virus entwickelt sich vor unseren Augen, es nimmt zusätzlich Variationen auf“, beschreibt es Cochella. Das sind die bereits weltweit bekannte britische Variante B.1.1.7. sowie die Südafrika-Version B.1.351, die jüngst vor allem in Tirol große Cluster gebildet hat, in den Sequenzierungen zeigten sich aber deutlich mehr Mutationen. „Viele davon machen das Virus gefährlicher, wie sich in Experimenten zeigt“, so Elling. Der springende Punkt sei nun, wann sich mehrere davon zu einer Variante mit „optimierter Effektivität und Immunevasion“ zusammenballen. Dies bezeichnet die Fähigkeit des Virus, sich dem Zugriff des Immunsystems weitestgehend zu entziehen, was dann auch negative Auswirkungen auf die Schutzwirkung von Impfungen hat.

„Wir stressen das Virus und lassen es dann wieder frei laufen“
Die momentane Situation in Österreich - eine Abfolge aus dem versuchten Drücken der Fallzahlen durch Lockdowns und einem Öffnen bei halbwegs stabilen Zahlen - sei aus evolutionsgenetischer Sicht „ausgesucht schlecht“. Elling: „Das ist, wie wenn man Antibiotika nach drei Tagen absetzt, weil man sich etwas besser fühlt. Wir stressen das Virus und lassen es dann wieder frei laufen.“ So kommt einerseits das Virus unter Selektionsdruck, sich zu verändern, und hat andererseits immer ein großes Reservoir an Infizierten, die ihm ein recht komfortables Überleben sichern.

Die Sorge wächst, dass eine Virus-Mutation entsteht, gegen die eine Impfung weniger aussichtsreich ist. (Bild: AFP )
Die Sorge wächst, dass eine Virus-Mutation entsteht, gegen die eine Impfung weniger aussichtsreich ist.

Virus „kann potenziell deutlich schlimmer werden“
In einem quasi apokalyptischen Szenario kämen dann viele für den Erreger vorteilhafte Mutationen zusammen, sodass eine Variante entstünde, deren Infektiösität und Umgehung des Immunschutzes noch weit über die jetzigen Varianten hinaus ginge, befürchtet Elling. Es sei aber noch nicht klar, wie weit sich das Virus insgesamt verändern könne, sagte Cochella: „Wir wissen nicht, was das Virus noch tun kann. Es kann potenziell deutlich schlimmer werden. Ich würde es aber auch nicht darauf ankommen lassen und ihm die Chance dazu geben.“

Daher brauche es zumindest eine konzertierte, europaweite Strategie, um die Fallzahlen sehr stark zu drücken. Dann funktioniere einerseits die Kontaktnachverfolgung besser, andererseits habe der Erreger weniger Möglichkeiten, besonders viele vorteilhafte Mutationen anzuhäufen.

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