Chefredakteur Schrom:

„Die Verjüngung beim ORF ist sehr gut gelungen“

Tirol
14.02.2021 15:55

Im mächtigen ORF-Zentrum am Küniglberg in Wien gibt ein Tiroler maßgeblich den Takt vor: Seit knapp drei Jahren ist Matthias Schrom (47) Chefredakteur beim ORF und dort für alle Sendungen des Aktuellen Dienstes zuständig. Im Gespräch mit der „Krone“ spricht er über seinen Tagesablauf, die nach oben schnellenden Seherzahlen seit Corona, die neue ZIB am Sonntag, das größte Zukunftsprojekt, das der ORF derzeit umsetzt und über seine Heimat Tirol.

„Krone“: Herr Schrom, wie sieht Ihr Tagesablauf aktuell aus? 
Matthias Schrom: Vermutlich so wie in vielen Redaktionen. Wir haben aufgrund von Corona nur mehr virtuelle Sitzungen, üblicherweise um 10 Uhr die erste Besprechung, in der sämtliche Ressorts – Ausland, Inland usw. – ihre Themen präsentieren. Die jeweiligen Chefs vom Dienst suchen sich dann aus, was sie für die Sendungen wollen.

Und was ist Ihr Part dabei?
Ich habe die Letztentscheidung, moderiere die Sitzungen und habe die Schiedsrichterposition.

Braucht es denn oft einen Schiedsrichter?
Was es schon gibt, ist eine Art innerer Wettbewerb zwischen den Sendungen. Diese haben zwar unterschiedliche Profile, aber manchmal ist es eben so, dass die ZIB 2 gerne etwas exklusiv hätte, die ZIB 1 aber auch. Aber das ist ja eine sehr positive Art von Wettbewerb.

Wie hat sich das Umfeld, die Konkurrenz verändert?
Mittlerweile gibt es einen starken äußeren Wettbewerb mit vielen News-Kanälen. Ich zähle hier auch Krone TV dazu. Also das Umfeld ist schon ganz ein anderes als früher.

Wie viele Leute arbeiten letztlich an einer ZIB 1?
Wenn wir von sieben bis acht Geschichten ausgehen, sind es in Summe 30 bis 35 Kolleginnen und Kollegen aus Redaktion, Technik und Grafik, die eine ZIB 1 auf den Schirm bringen.

Im Gespräch mit „Tiroler Krone“-Chef Claus Meinert konnte Matthias Schrom auch beeindruckende Seherzahlen für die ORF-Infosendungen auftischen. (Bild: Andreas Fischer)
Im Gespräch mit „Tiroler Krone“-Chef Claus Meinert konnte Matthias Schrom auch beeindruckende Seherzahlen für die ORF-Infosendungen auftischen.

Was sind rückblickend Ihre persönlichen Höhepunkte in diesen bisher fast drei Jahren?
Zunächst war mein Anspruch, nach innen weiterzukommen, eine Verjüngung einzuleiten, neuen Gesichtern im Fernsehen eine Chance zu geben. Das ist sehr gut gelungen. Dann haben wir auch neue Sendungen eingeführt, z. B. die ZIB 2 am Sonntag etabliert, an deren Erfolg zu Beginn nicht alle geglaubt haben. Und wir machen jetzt mehr Sondersendungen und mehr Aktuell-Sendungen mit starker regionaler Komponente.

Und an Geschichten, was ist Ihnen da in Erinnerung?
Die erste große Herausforderung war der Jahrhundertschnee im Jänner 2019. Ich habe auch alle Formen von Wahlen, von Regierungskrisen, sprich Ibiza, Übergangsregierung etc. gehabt. Dann der Terroranschlag von Wien. Und als Gipfel Corona. Manchmal frage ich mich, wie wäre es eigentlich „normal“? (lacht)

Wie sehr hat Corona den ORF beeinflusst?
Dank Corona haben wir auch Projekte weitergebracht, über die wir sonst wahrscheinlich jahrelang diskutieren würden. Wir sind nun viel flexibler. Zum Beispiel haben Redakteure begonnen, teils auch selber ihre Beiträge zu schneiden.

(Bild: APA/Robert Jäger)

Und die Einschaltquoten?
Egal, ob das jetzt Ibiza ist, Corona, Wahlen oder was auch immer – man sieht an den Zahlen schon, dass uns die Leute einfach am stärksten vertrauen. Die ZIB 2 hat aktuell 400.000 Zuseher im Schnitt mehr als vor einem Jahr. Was mir auch wichtig ist: Wir haben im September des Vorjahres mit Instagram begonnen und schon mehr als 600.000 Follower. Da erreichen wir Leute, die gar nicht wissen, dass die ZIB mit Fernsehen zu tun hat.

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Wir waren ja durchaus im politischen Fokus und haben unangenehme Debatten über uns als Unternehmen gehört.

Matthias Schrom

Also alles richtig gemacht bisher in den drei Jahren?
Hmmm. Alles richtig gemacht sicher nicht. Aber es hat sich schon gezeigt, dass wir sozusagen in der Krise das Vertrauen wiedergefunden haben. Wir waren ja durchaus im politischen Fokus und haben unangenehme Debatten über uns als Unternehmen gehört. Da ist ja die Gebührendiskussion gerne mit unseren Inhalten vermischt worden.

Ein Blick in die Zukunft?
Wir stehen gerade vor einer wirklich großen Reform, weil wir uns neu organisieren müssen. Wir bauen ein multimediales Newsdesk, in dem im Jahr 2022 Radio, Online, Fernsehen und Aktueller Dienst zusammen eine Redaktion bilden sollen. Das heißt, die Ressorts sind dann nicht mehr wie jetzt getrennt. Sprich, wir müssen uns anders organisieren. Kurz gesagt: Dieser multimediale Newsroom ist wahrscheinlich das größte Reformprojekt der letzten Jahrzehnte und ganz egal, wer diesen dann irgendwann einmal führt, die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, wirken sich auf die nächsten 20 Jahre aus. Und das ist irrsinnig spannend, aber auch extrem herausfordernd.

Gibt es hier Länder, die weiter sind als Österreich?
Wenn man so will, haben wir ein bisschen Glück, ehrlich gesagt. Dänemark ist z. B. für uns ein sehr gutes Vorbildland, auch von der Größe und von der Struktur her vergleichbar. Die haben viele Erfahrungen gesammelt, sodass wir aus deren Fehlern lernen und diese vermeiden können.

Es gibt immer mehr sogenannte Fake News. Sehr oft ist es schwierig, diese von tatsächlichen Infos zu unterscheiden. Wie geht der ORF mit dieser Entwicklung um?
Das ist ein sehr schwieriges Thema. Ich habe vorhin ja die Schaffung des Newsdesk erwähnt. Ein wichtiger Punkt wird dort sein, Material zu verifizieren, sprich die Echtheit zu prüfen. Man bekommt ja über Agenturen viele Sachen, die du nie wirklich prüfen kannst. Dennoch soll man so schnell wie möglich entscheiden, ob man etwas bringt oder nicht. Im dänischen Newsroom beispielsweise sitzen mittlerweile auch Juristen dabei.

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Ich lebe gerne in Wien, aber ich könnte auch sofort in Innsbruck leben.

Matthias Schrom

Zurück nach Tirol. Wie oft sind Sie noch in Ihrer Heimat?
Sehr regelmäßig. Corona hat durchaus auch den Vorteil, dass die Schulen geschlossen hatten und Homeschooling und Homeoffice im ORF kann man ja auch in Innsbruck bzw. da und dort machen. Wir haben ja auch einen Wohnsitz hier. Ich lebe gerne in Wien, aber ich könnte auch sofort in Innsbruck leben. Ich fühle mich da wie dort sehr wohl, bin aber meiner Heimat nach wie vor sehr verbunden.

Treffen Sie auch noch viele Freunde in Tirol?
Absolut. Ich habe sehr gute und seit vielen Jahren die gleichen. Und ich bin auch nach wie vor Wacker-Fan – ich könnte niemals zu Wattens wechseln. (lacht)

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