Kein gutes Zeugnis für die heimische Wirtschaft nach rund einem Jahr Corona-Pandemie: Im Vergleich zu den meisten anderen EU-Ländern steht Österreich nämlich deutlich schlechter da. Jüngste Zahlen der EU-Kommission sehen Österreich 2020 im letzten Drittel, heuer sogar an vorletzter Stelle in der Union. Während die Regierung den Einbruch mit dem hohen Anteil des Tourismus erklärt, nennen Experten auch einen hausgemachten Grund: den harten und langen Lockdown seit Ende 2020.
Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) erklärte den tiefen Einbruch der heimischen Wirtschaft zuletzt mit dem hohen Tourismusanteil. Sowohl WIFO-Konjunkturexperte Josef Baumgartner als auch der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom IHS geben der Regierung hier zumindest teilweise recht. Der Tourismus trägt laut OECD 6,5 Prozent zur heimischen Wirtschaft bei. Das ist fast so viel wie in Griechenland (6,8) und deutlich mehr als etwa in Deutschland (3,9) und der Schweiz (2,9). Und Baumgartner betont gegenüber der APA, dass Österreich gerade im Wintertourismus wenig eigenen Spielraum hat: „Auch wenn in Österreich die Hotels offen wären, würde die Nachfrage gering ausfallen, weil der Wintertourismus von ausländischen Gästen geprägt ist.“
Harter und langer Lockdown fordert Tribut
Allerdings sehen beide Experten einen weiteren Grund für die Schwäche der heimischen Wirtschaft - und zwar den harten und langen Lockdown, den die Regierung im Herbst 2020 ausgerufen hat. „Wir sind von sehr liberal auf relativ restriktiv umgeschwenkt“, sagt Baumgartner mit Verweis auf einen von der Universität Oxford geführten Vergleich. Dieser „Stringency Index“ gibt an, wie streng die Corona-Maßnahmen in den einzelnen Ländern ausfallen. Und er zeigt, dass Österreich im Sommer weiter aufgemacht hat als Deutschland oder auch die Schweiz. Dafür musste die Regierung im Herbst dann deutlich früher schärfere Maßnahmen ergreifen, um die Infektionszahlen wieder abzubremsen.
Im Grunde genommen befinden wir uns seit 2. November im mehr oder weniger tiefen Lockdown.
Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom IHS
„Im Grunde genommen befinden wir uns seit 2. November im mehr oder weniger tiefen Lockdown“, betont auch Czypionka. Und: „Aus meiner Sicht hätte man damals wesentlich früher reagieren sollen.“ Denn für die Wirtschaft wäre ein kurzer, starker Lockdown deutlich besser gewesen. So war die Regierung „immer einen Schritt hinter der epidemologischen Entwicklung“.
Jede Verschärfung bringt ablesbare Rückgänge
Im vom Wifo erstellten wöchentlichen Wirtschaftsindex ist dieser Zusammenhang deutlich ablesbar: Seit dem ersten Lockdown Anfang März führt hier jede Verschärfung der Corona-Maßnahmen zu einem fast gleichzeitigen Rückgang der Wirtschaftsaktivität. Anders in der Schweiz, wo die Maßnahmen deutlich weniger stark auf die Wirtschaft durchschlagen. Für Deutschland fehlt ein vergleichbarer wöchentlicher Wirtschaftsindex. Baumgartner verweist aber darauf, dass Deutschland erst kurz vor Weihnachten in einen harten Lockdown gegangen ist - mit entsprechend positiven Auswirkungen auf den Handel (Stichwort: Weihnachtsgeschäft).
Für Czypionka ist die Schweizer Wirtschaft insgesamt in einer günstigeren Position. Denn die dort starke Finanzindustrie sei von der Pandemie nicht so stark betroffen, ebenso die hoch spezialisierte Industrie. Allerdings verweist der IHS-Experte darauf, dass die Corona-Maßnahmen auch in der Schweiz mitunter heftig kritisiert wurden - und zwar als zu wenig streng. Und hier fällt die Bilanz der Schweiz weniger rosig aus: Mit 1127 Todesfällen pro Million Einwohner liegen die Schweizer Nachbarn deutlich vor Österreich (910) und Deutschland (776). In Summe zählt die Schweiz bisher knapp 9800 Corona-Tote, in Österreich sind es 8221.
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