Am 12. August 2020 lag - wie berichtet - eine erst 13-jährige, unter Drogen stehende Tirolerin tot in einer Telfer Wohnung. Das Strafverfahren gegen den Besitzer der Wohnung hat die Staatsanwaltschaft nun eingestellt, eine Beteiligung am Tod könne nicht nachgewiesen werden. Die Familie und deren Anwalt geben nicht auf
Die Nachricht vom plötzlichen Tod der jungen Melina (Name geändert) hat im Land für Fassungslosigkeit gesorgt. Die schonungslosen Erzählungen von ihrem Papa und ihrer Tante über den Absturz der 13-Jährigen in den Drogensumpf sowie die Tatsache, dass die Hilferufe der Familie von niemandem gehört wurden, gingen unter die Haut. Nun zeigt die „Tiroler Krone“ die neuesten Entwicklungen in diesem erschütternden Fall auf.
In einem Schreiben hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck mitgeteilt, das Ermittlungsverfahren gegen jenen Mann, in dessen Wohnung Melina tot aufgefunden wurde, einzustellen. Daraus ergeht, dass die 13-Jährige mit dem Sohn des Mannes – der wegen einer anderen Sache in Haft ist – befreundet und sie daher immer wieder bei ihm zu Hause gewesen sei.
So eben auch am 11. August 2020. Melina sei beeinträchtigt vor seiner Tür gestanden, der Mann habe sie hineingelassen und zu Bett geschickt. Er selbst sei auch eingeschlafen und am nächsten Tag von seinem Hund gewecket worden. Er habe das leblose Mädchen gefunden und Alarm geschlagen.
Vergiftung in Kombi mit einer Lungenentzündung
Die Einsatzkräfte stellten den Tod des Mädchens fest. Sie starb an einer Morphin-Benzodiazepin-Vergiftung in Kombination mit einer Lungenentzündung. Hinweise auf Fremdverschulden oder sogar auf Geschlechtsverkehr gebe es keine.
Wichtig: Der Beschuldigte sei seit Jahren im Drogenersatzprogramm und nehme täglich das Substitutionsmedikament „Compensan 300“ (Morphin) ein. Dieses habe er demnach in Tablettenform zu Hause aufbewahrt, allerdings gut vor der 13-Jährigen versteckt. Er verneine somit, der 13-Jährigen dieses Medikament überlassen oder verschafft zu haben. Zum Zeitpunkt der Vergiftung habe er außerdem von einer verloren oder gestohlen geglaubten Tablette gesprochen. Ein Freund von ihm bestätigt jedoch, diese wiedergefunden zu haben.
„Eine Beteiligung ist nicht nachweisbar“
„Anhand dieser Beweislage ist wohl den Schlussfolgerungen der Ermittler zu folgen, dass die Verstorbene verbotene Substanzen freiwillig zu sich genommen hat und von einer Überdosierung infolge Mischkonsums mit Benzodiazepinen mit tödlicher Folge auszugehen ist. Eine Beteiligung, eine kausale Fahrlässigkeit des Beschuldigten oder ein Vergehen im Sinne des § 27 Abs 4 SMG ist dem Beschuldigten nicht mit der notwendigen Sicherheit nachzuweisen. Insbesondere ist nicht nachweisbar, dass die Verstorbene Substitutionsmedikamente des Beschuldigten mit oder ohne dessen Wissen eingenommen hat“, betont die Staatsanwaltschaft.
„Tabletten und Co. waren frei zugänglich“
Der hinterbliebenen Familie ist es wichtig, aufzuzeigen, um in Zukunft solche Fälle zu vermeiden. Daher pochen sie auf eine Fortsetzung des Strafverfahrens gegen jenen Mann, in dessen Wohnung Melina verstarb. „Er hat eine fahrlässige Tötung durch Unterlassung zu verantworten“, betont der Anwalt.
Die Gründe für einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens liegen laut Markus Abwerzger, Anwalt der Familie, auf der Hand: „Die Verstorbene war zum Todeszeitpunkt eine unmündige Minderjährige. Als die 13-Jährige zu ihm kam, hatte der Beschuldigte eine Garantenstellung - zumindest durch freiwillige Pflichtübernahme -, weil das Mädchen zu diesem Zeitpunkt schwer beeinträchtigt war.“
„Auf den Bildern ist etwas anderes zu sehen“
Dass der Beschuldigte angegeben habe, seine Drogenersatzmedikamente vor widerrechtlichem Zugriff hinter der Couch hineingeschoben zu haben, sei offenbar nicht richtig. „Auf Bildern, die von den Ermittlern am Todestag gemacht wurden, ist deutlich zu erkennen, dass sich auf dem Glastisch vor der Couch zwei Schatullen mit Medikamenten, darunter auch Compensan, befinden. Sie waren somit frei zugänglich. Zudem hatte das Mädchen Morphin, das in Compensan enthalten ist, im Blut“, sagt Abwerzger.
Außerdem sei auf den Bildern zu sehen, dass der Mann offenbar nicht nur im Substitutionsprogramm stehe, sondern in der Wohnung auch eine Pfeife mit Kokainanhaftungen hatte.
Der Beschuldigte hat aus diesem Grund die notwendige Sorgfalt außer Acht gelassen, zu der er unter den gegebenen Umständen verpflichtet gewesen wäre. Einer durch Suchtgift bereits schwer beeinträchtigten unmündigen Minderjährigen darf der Zugang zu derartigen Substanzen nicht so leicht möglich gemacht werden“, kommt der Anwalt zum Entschluss.
“Es besteht Verdacht auf Substanzmissbrauch“
Es werde wohl nicht nachgewiesen werden können, dass das Mädchen schlussendlich auch an einer herumliegenden Compensan-Tablette verstorben sei. “Allerdings besteht zumindest der Verdacht, dass zwischen dem Ankommen in der Wohnung und dem zu Bett gehen doch noch möglicherweise ein Substanzenmissbrauch stattgefunden hat, da ansonsten wohl eher nicht der Tod eingetreten wäre", bringt es Abwerzger auf den Punkt.
Durch die Staatsanwaltschaft Innsbruck sei das Gesetz verletzt und unrichtig angewendet worden. Zudem bestehen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachen, weshalb das gegenständliche Strafverfahren beendet wurde. Aus diesem Grund sei nun der Antrag auf Fortsetzung des Strafverfahrens gestellt worden.
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