Atomstreit mit Iran

Was von Besonnenheit und Hoffnung geblieben ist

Ausland
21.02.2021 06:04

Auf sehr dünnem Eis bewegt sich IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi bei seiner aktuellen Mission in Teheran zur Rettung des Wiener Atomabkommens. Dabei geht es im Iran um sehr viel mehr: ein ehrgeiziges Raketenprogramm, konservative Einflusssphären in Nahost und das Scheitern einer gemäßigten Politik. Und damit das Scheitern einer gesellschaftlichen Revolution am Persischen Golf. 

13 Jahre wurde verhandelt, ehe 2015 in Wien der Vertrag über die Beschränkung des Nuklearprogramms des Iran unterzeichnet wurde. Ein Vertrag, von dem nun nicht mehr viel über ist. Was war die Grundintention? Der Westen wollte die nukleare Aufrüstung des Iran verhindern und hoffte mittelfristig, durch wirtschaftliche Öffnung ein Ende der Feindschaft zu USA und Israel und eine Reduktion des Einflusses auf die Nachbarstaaten im Nahost. Das iranische Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Khamenei wollte ein Ende der Wirtschaftssanktionen - ohne Rückwirkung auf die iranische Politik. „Das Abkommen existiert nur mehr auf dem Papier“, sagt Bahman Nirumand, einer der führenden Intellektuellen Exil-Iraner im Gespräch mit der „Krone“. „Funktioniert hat er schon länger nicht.“

Wien könnte wieder Verhandlungsort werden
Nach dem Austritt der USA aus dem Abkommen trafen den Iran mehr Sanktionen als davor, und auf der anderen Seite haben Europa, USA, China und Russland keine Reduktion des Atomwaffenprogramms des Irans noch der Einflussnahme auf die Nachbarstaaten erreicht. Ganz im Gegenteil. Nun hat der Iran angekündigt, auch das Zusatzprotokoll nicht mehr zu befolgen und damit den Zugang der internationalen Atom-Inspektoren zu einem Teil iranischer Anlagen einzuschränken. Das sei schon „eine Stufe höher“, sagt Nirumand. „Das Programm könnte nun außer Kontrolle gerate, und nun muss man diplomatisch eine Eskalation verhindern. Der Iran spielt mit dem Feuer.“

Rafael Grossi ist der neue Chef der IAEA. (Bild: AP)
Rafael Grossi ist der neue Chef der IAEA.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg telefonierte vor dessen Abreise mit IAEA-Generaldirektor Grossi. Noch hegt er Optimismus: „Das Wiener Abkommen existiert noch, aber es hängt an einem seiden Faden“, so Schallenberg zur „Krone“. Grossis Mission sei „den Patienten zu stabilisieren.“ Die USA signalisierten Gesprächsbereitschaft und wollen sich auf Einladung der EU mit dem Iran an einen Tisch setzen, der Iran machte jedoch erneut die Aufhebung von US-Sanktionen zur Vorbedingung dafür, dass das Land sich wieder in vollem Umfang an das Atomabkommen hält. Österreich hat erneut Wien als Verhandlungsort angeboten.

Experten werfen dem Westen Naivität vor
Es geht aber nicht nur um das Atomprogramm. „Der Iran hat ein sehr ehrgeiziges Raketenprogramm und einen großen Einfluss auf die Nachbarn“, sagt Experte Nirumand. Das ist eine Diskussion, die nicht nur die Abkommensunterzeichner  aus USA, Europa, China und Russland betrifft, sondern auch Israel und die arabischen Staaten. Und diese Einflussnahme lässt sich der Iran sicher nicht gefallen. Nicht solange die Radikalen an der Macht sind. 

(Bild: AP)

Auch die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi wirft Europa in einem Interview mit der „Wiener Zeitung“ vor „eine fast schon naive Haltung“ einzunehmen, was die realen Machtverhältnisse im Iran betrifft.

Rouhanis gemäßigte Politik ist gescheitert
Im Juni sind Präsidentschaftswahlen im Iran. Der gemäßigte amtierende Würdenträger Hassan Rouhani darf nach zwei direkt aufeinanderfolgende Amtszeiten nicht mehr antreten. Was ist nach acht Jahren von seiner Politik unter dem Motto „Besonnenheit und Hoffnung“ geblieben? „Überhaupt nichts. Rouhani ist gescheitert“, sagt Nirumand zur „Krone“. „Er konnte keines seiner Versprechen einlösen. Weder wurden die unter Hausarrest stehenden Oppositionsführer Mirhossein Mussawi und Mehdi Karrubi freigelassen, noch konnte er mehr Rechte für Frauen durchsetzen, selbst die politische und wirtschaftliche Öffnung hat er nicht erreicht. Der Iran ist noch immer eine klerikale Diktatur.“

Irans Präsident Hassan Rouhani (Bild: Ruptly.TV)
Irans Präsident Hassan Rouhani

Rouhanis letzte Hoffnung war das Wiener Abkommen und hat ihm kurzzeitig Popularität verliehen. „Aber das hat sich jetzt alles geändert. Nur bei der Niederschlagung von Protesten hat Rouhani noch Macht bewiesen.“ Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist natürlich groß. „Die Menschen fragen sich: Wie kann das Regime Milliarden in Milizen in Syrien, Irak oder Libanon ausgeben, während wir in Armut versinken.“ Der Opposition mangelt es aber an Organisation.

Hardliner haben die wahre Macht im Iran
Und die wahre Macht im Iran haben längst die Radikalen. „Sie beherrschen den Revolutionsrat, den Wächterrat, die Justiz und haben die absolute Mehrheit im Parlament“, sagt Nirumand. Bei den Wahlen im Juni wird der Sieg der Hardliner erwartet. „Das heißt aber nicht“, so Nirumand, „dass die sich Verhandlungen widersetzen würden. Auch sie wissen, dass durch die Sanktionen das Land wirtschaftlich zugrunde gerichtet wird. Aber sie wollen selbst die Verhandlungen führen und nicht die Reformer.“

„Iran hat genug Uran in sechs Monaten“
Was würde passieren, wenn es der Iran tatsächlich schafft, Atomwaffen herzustellen? Dann würde Israel zuschlagen, dass hat der Chef ihrer Streitkräfte bereits gesagt. Man habe schon alles vorbereitet!, vermutet Nirumand. „Und ich denke die machen keinen Spaß.“ Israel fürchtet, der Iran habe in den nächsten sechs Monaten genug waffenfähiges Iran für den Bau einer Atombombe angereichert. Experte Nirumand bezweifelt, dass der Iran bereits die technischen Fertigkeiten besitzt, Nuklearwaffen herzustellen. Sehr dünnes Eis

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