Kälte, Gewalt, Folter
„Gulag der Gegenwart“: Was Nawalny nun blüht
Nach einem Nowitschok-Anschlag gerade noch davongekommen, droht dem russischen Oppositionellen Alexej Nawalny im Straflager neue Gefahr für Leib und Leben. Mindestens zwei Jahre und acht Monate soll er gemäß Berufungsurteil in einem „Lager allgemeinen Regimes“ verbringen. Die dortigen Zustände haben sogar Teile der Staatsführung schon mit dem Gulag verglichen - den Straflagern zu Sowjet-Zeiten. Auch im „Gulag der Gegenwart“ stehen Kälte, Gewalt und Folter auf der Tagesordnung.
Kreml-Gegner Michail Chodorkowski, der viele Jahre in einer Strafkolonie zubringen musste und sich nun für Nawalnys Freilassung einsetzt, würdigte Nawalnys Mut, trotz drohender Haft nach Moskau zurückzukehren, nachdem er sich in Deutschland von dem Anschlag mit dem Kampfstoff Nowitschok erholt hatte. Ex-Oligarch Chodorkowski, der sich einst mit Machthaber Wladimir Putin überwarf, meinte aber auch, dass auf Nawalny durch weitere Strafverfahren immer noch neue Haftjahre zukommen könnten.
Pussy Riot: Wie Sklaven ausgebeutet
„Folter, Schläge und Todesfälle“ gehörten zum Lager-Alltag, so Nadeschda Tolokonnikowa von der Band Pussy Riot. Sie wurde mit ihrer Kollegin Maria Aljochina nach einer Anti-Putin-Performance in einer Kirche 2012 zu zwei Jahren Straflager verurteilt. Als Uniform-Näherin hatte sie Arbeitstage von 7.30 bis 0.30 Uhr - bei einem freien Tag im Monat. Schlafentzug, schlechtes Essen, kalte und schmutzige Zellen sollten die Insassen brechen. „Hunderte HIV-Kranke arbeiteten 16 Stunden am Tag und richteten die Reste ihres Immunsystems zugrunde. Zum Sterben brachte man sie ins Krankenhaus - damit sie nicht die Statistik verdarben.“
Wie brutal es zugehen kann in den Straflagern, beschrieb schon früh der Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn (1918-2008) in seinem Werk „Der Archipel Gulag“. 30 Jahre nach Ende des Kommunismus hat sich laut Menschenrechtlern wenig geändert. Die Kreml-kritische Zeitung „Nowaja Gaseta“ berichtete mehrfach, dass Angehörige brutal misshandelter oder sogar getöteter Gefangener immer wieder flehend an Putin schrieben, er möge gegen „sadistische Aufseher“ vorgehen. Diese Beschwerden bleiben für die Peiniger meist folgenlos.
„Lager allgemeinen Regimes“ für Nawalny: Kaum Besuche erlaubt
So oder so kommen auf Nawalny harte Zeiten zu - er ist von seiner Frau Julia und den beiden Kindern auf Jahre getrennt. Das Strafvollzugsrecht erlaubt ihm in einem „Lager allgemeinen Regimes“ sechs kurze und vier längere Besuche pro Jahr, durch Corona gibt es weitere Einschränkungen. Am Samstag hatte ein Moskauer Gericht die Straflagerhaft bestätigt. Unter Anrechnung früherer Haftzeiten und eines Hausarrests könnte er nach Berechnungen seiner Anwälte im Sommer 2023 freikommen.
Video: Lagerhaft für Nawalny bestätigt
Neuer Fall: Häftling gefoltert und schwer verletzt, Lager-Leiter entlassen
Nur zwei Tage nach der Nawalny-Verhandlung wurde ein neuer Fall von Gewalt in einem russischen Lager bekannt: In einer Haftanstalt in der Nähe der südsibirischen Stadt Irkutsk sei ein Mann von anderen Gefangenen gefoltert und schwer verletzt worden, berichtete der Radiosender Echo Moskwy in der Nacht auf Montag. Statt dem Verletzten zu helfen, fixierten Aufseher ihn mit Klebeband und ließen weitere Gewalt zu. Der Leiter des Lagers wurde dem Bericht zufolge entlassen.
Quellen: dpa, APA
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