Der havarierte Frachter Wakashio, der im vergangenen Sommer vor der Insel Mauritius auf Grund gelaufen ist und damit eine Ölpest ausgelöst hat, wurde offenbar deshalb so nah ans Ufer gesteuert, weil die Crew auf Internet-Empfang gehofft hatte. Um die Moral der Seeleute zu heben, hatte man geplant, sie vor Mauritius mit ihren Familien telefonieren zu lassen, erklärte der Kapitän gegenüber einer Untersuchungskommission.
Wie heise.de unter Berufung auf lokale Medien berichtet, sagte Kapitän Sunil Kumar Nandeshwar (59) - ein Seefahrer mit 25 Jahren Kapitänserfahrung - bei der gerichtlichen Untersuchung des Vorfalls: „Wir hatten am Schiff kein Internet und ich stimmte zu, vor Mauritius vor Anker zu gehen, damit die Mannschaftsmitglieder mit ihren Verwandten telefonieren können.“
Nicht zum ersten Mal vor Mauritius geankert
Den Aussagen des Kapitäns zufolge sei das kein ungewöhnliches Vorgehen: Bei früheren Fahrten sei er schon mehr als zehn Mal nahe der Küste von Mauritius vor Anker gegangen, um nach Mobilfunk-Empfang zu suchen. Die Küstenwache habe sich daran nicht gestört. Bisweilen sei man angefunkt und nach den Plänen des Schiffs gefragt worden, vor dem Zwischenfall habe aber niemand Kontakt zur Wakashio aufgenommen.
Mannschaft wegen Pandemie nicht abgelöst
Mit dem Manöver habe er die Moral der Mannschaft heben wollen, erklärt der Inder weiter. Diese dürfte nicht zuletzt unter der Corona-Krise gelitten haben: Eigentlich lief der Vertrag der Mannschaft nur bis Mai 2020, aufgrund der Pandemie musste die Crew jedoch - wie Hunderttausende andere Seeleute - an Bord bleiben. Am 6. August 2020 lief die Wakashio auf Grund, nach einigen Tagen brach das Schiff auseinander. Rund 1000 Tonnen Treibstoff liefen aus und sorgten für eine Ölpest.
Verantwortung nicht endgültig geklärt
Wer letztlich dafür verantwortlich ist, dass der Frachter so nah an die Küste gesteuert wurde, dass er auf Grund lief, ist nicht geklärt. Der Kapitän gab an, an jenem Tag bei einer Geburtstagsfeier Alkohol getrunken zu haben - aber außerhalb seiner Dienstzeit. Er habe sogar noch eine Kurskorrektur befohlen, als er den Eindruck gewann, man sei zu nah an der Küste. Danach habe er sich nicht mehr in die Arbeit der Crew eingemischt.
Seefahrer haben oft kein Internet an Bord
Seefahrerverbände fordern laut dem Bericht schon seit Jahren zuverlässiges Internet für die Crews auf Frachtschiffen. Zumindest zwei Gigabyte im Monat seien notwendig, um mit der Familie in Kontakt zu bleiben.
Tatsächlich gibt es beim japanischen Auftraggeber der Wakashio nach eigenen Angaben unbegrenzten Internetzugang auf seinen Frachtern. Allerdings gehörte das havarierte Schiff nicht dem Auftraggeber, sondern einem anderen Unternehmen. Mehrere Matrosen der Wakashio sagten aus, vor Mauritius mit ihren Handys nach Mobilfunkempfang gesucht zu haben.
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