„Krone“-Interview

Alice Cooper: „Rock muss in der Ecke lauern“

Musik
25.02.2021 06:00

Schockrocker Alice Cooper hat die Quarantäne gut genutzt, um sich mit seinem neuen Studioalbum zu positionieren. „Detroit Stories“ ist gleichermaßen Hommage und Rückbesinnung an seine alte Heimat. Der Kultstar zelebriert aber nicht nur die alten Zeiten, sondern auch einiges zur Gegenwart zu sagen. Wir sprachen mit ihm über das neue Werk, Political Correctness, Corona-Impfungen und den Unterschied zwischen Scheidung und Trennung.

(Bild: kmm)

„Krone“: Alice, in deinen mehr als 50 Jahren Karriere hast du schon alles Mögliche erlebt, aber die Corona-Pandemie war bislang wohl auch für dich nicht so leicht durchzustehen…
Alice Cooper:
 Ich hatte noch nie in meinem Leben zehn Monate Pause, normal sind das maximal zwei Wochen. (lacht) Ich war natürlich sehr oft im Studio, habe unendlich viele Zoom-Talks abgehalten und fleißig Autogramme geschrieben, die man dann verschicken kann. Man kann nicht touren, aber alles andere ist eigentlich fast unverändert für mich.

Im Frühling 2020 hast du den Song „Don’t Give Up“ veröffentlicht, der jetzt verändert auf dem neuen Album zu finden ist. Das war dein bislang einzig wirklich aktives Statement zur Pandemie.
Eigentlich war der Song für das Album gedacht und hätte unter dem Namen „Hanging On By A Thread“ heißen sollen, weil es sich thematisch um Suizid handelte. Als der Song fertig war habe ich mir überlegt, dass ich nur den textlichen Vers tauschen müsste und der Track genausogut zur Pandemie passen würde. Jetzt findet ihr den Song unter „Hanging On By A Thread (Don’t Give Up)“ in seiner Ursprungsversion auf dem Album.

Wie der Albumtitel schon unmissverständlich klarmacht ist das Album in erster Linie eine Hommage an deine alte Heimatstadt. Welches Verhältnis hast du denn zum Detroit von heute und was würdest du den Menschen mit dem Album gerne mitgeben?
Am Wichtigsten als Geografiestunde ist, dass Los Angeles die Doors und Buffalo Springfield hatte, San Francisco The Grateful Dead und Jefferson Airplane und New York die Young Rascals. Aber Detroit ist in Midwest-Amerika und die definitive Hauptstadt des echten Hard Rock. Von hier kommen Iggy & The Stooges, MC5, Ted Nugent, Bob Seger oder Alice Cooper. Auch Jack White stammt aus Detroit. Diese Stadt ist wesentlich gitarrenorientierter und dreckiger. Ich wollte meiner Heimatstadt Tribut zollen und habe das Album daher nicht nur in Detroit aufgenommen, sondern auch nur Musiker aus dieser Stadt engagiert. Ich wollte alles echt und authentisch gestalten und habe das vorher noch nie so gemacht. Für mich klang das nach einer wirklich guten Idee.

Du bist selbst vor knapp 50 Jahren von Los Angeles nach Detroit zurückgezogen, um damals mit Produzent Bob Ezrin zu arbeiten und die Karriere deiner Band voranzutreiben. Hast du selbst dieses rauere, ursprünglichere Umfeld gebraucht, um dich richtig verwirklichen zu können?
Detroit war die einzige Stadt, wo wirklich verstanden wurde, was wir mit der Band vorhaben. Los Angeles war viel zu intellektuell gepolt und der Sound sollte polierter und mehr groovy sein. Detroit war eine richtige Straßenstadt und dort fühlten wir uns wesentlich wohler. Bands wie wir, MC5 oder die Stooges hatten eine authentische Attitüde und wir wollten mit diesem rauen Image auch eine echte Show abziehen. Wir waren nicht einfach nur eine Rockband, sondern mehr. Suzi Quatro war damals auch in Detroit - nur als Beispiel dafür. Dort waren wir daheim.

Was hast du denn an Erfahrungen und Lehren aus deiner frühen Zeit in Detroit mitnehmen können, was für deine spätere Karriere wichtig war?
Detroit ist ein wirklich hartes Pflaster und die Leute haben Soft Rock richtiggehend gehasst. Die Eltern der jungen Musikfans haben in harten Fabriken rund um die Uhr geschuftet und die Mordrate war in den ganzen USA nirgends so hoch wie hier. Es gab wirklich viele harte Jungs, vor denen du Angst haben musstest und das hast du auch in der Musik gespürt. Heute hat sich die Stadt natürlich gewandelt und man kann Downtown wirklich genießen. Damals haben wir uns da noch nicht einmal hingetraut, weil es einfach zu gefährlich war. Die Attitüde des harten Arbeiters und der rauen Sitten hat sich die Stadt aber erhalten. Wenn du dort auf die Bühne gehst und mit einer sanften Ballade daherkommst, bringen sie dich sofort um. (lacht) Als wir die Band für „Detroit Stories“ zusammenstellten fielen mir sofort großartige Musiker aus der Stadt ein. Ich holte mir Johnny „Bee“ Badanjek ans Schlagzeug, der früher für die Rock’n’Roll-Band Mitch Ryder trommelte. Ich holte mir dann auch noch MC5-Legende Wayne Kramer und andere Jungs. Wir waren eine wirklich gute Band aus Detroit und dann habe ich auch meine Originalband geholt. Mit Michael Bruce, Dennis Dunaway und Neal Smith habe ich zwei Songs geschrieben.

Welche sind das?
„I Hate You“ und „Social Debris“. Die meisten Bandmitglieder reden nach einer Auflösung nicht mehr miteinander, sind wütend oder hetzen sich oft sogar die Anwälte auf den Hals. Bei uns war das immer anders. Wir haben uns nie geschieden, sondern nur getrennt und sind befreundet geblieben. Es gab keine Gerichtsverhandlungen und keine Wut, es ging einfach jeder seiner Wege. Die drei Jungs waren immer für einzelne Songs auf der Bühne willkommen und ich habe mich gefreut, wenn sie Ideen oder Songs für ein neues Album beigetragen haben. Beim Song „I Hate You“ hat jeder einen Vers über einen anderen geschrieben und auf humorvolle Weise beschrieben, wie wir uns gegenseitig hassen - was in der Realität natürlich nicht stimmt. (lacht) Das war unsere Idee, diese leidige Sache, die bei vielen Musikern passiert, mit Humor auszustaffieren.

Wenn man so ein Album schreibt, muss man natürlich zurückblicken und sich in Erinnerungen an die eigene Vergangenheit suhlen. Ist „Detroit Stories“ am Ende ein Nostalgiealbum?
Alice Cooper-Alben haben gewisse Dinge immer gemein. Sie sind sehr theatralisch und stets gitarrengetriebene Hard-Rock-Werke. Wir haben auf diesem Album etwa Lou Reeds Song „Rock’n’Roll“ hergenommen und die jazzige Herangehensweise in unser Hard-Rock-Kleid gesteckt. Wir werden nie ein weiches Album veröffentlichen. Diese Band muss immer so klingen, als wenn sie gerade direkt von der Straße kommt und in der nächsten Bar auftritt. Genau so klingt „Detroit Stories“ auch.

„Rock’n’Roll“ ist sogar der Opener des Albums. Das kommt selten bis nie vor, dass eine Coverversion ein neues Studioalbum eröffnet.
Das war eine bewusste Entscheidung. Bob Ezrin hat die erste Lou Reed-Version produziert und Lou war auch ein guter Freund von mir und ihm hätte die Idee sicher gefallen. Ich habe den Textteil von der „New York Station“ auch gleich zur „Detroit Station“ abgeändert. (lacht) Das wäre ihm mit Sicherheit egal gewesen, ich kannte ihn gut genug dafür. Der Song musste einfach aufs Album und auch wenn diese Entscheidung so manchen überraschen wird, war für mich immer klar, dass es auf „Detroit Stories“ so passieren muss.

Auch das Cover-Artwork ist dahingehend gelungen, weil es eindeutig an „Batman“ erinnert. Wolltest du dich als denjenigen inszenieren, der seine Heimatstadt von oben herab bewacht?
Absolut. Alice bewacht die Stadt - diese Idee hat mir sehr gut gefallen, weil sie auch irgendwie stimmt. (lacht) Außerdem ist der Geist von Alice Cooper immer hier. Auch wenn er physisch gerade nicht anwesend ist.

Kann man sagen, der rote Faden zwischen den Texten behandelt deine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse mit Detroit?
Das kommt schon gut hin. Ich lebe zwar seit gut 60 Jahren in Arizona und davor in Los Angeles, aber wenn mich jemand fragt woher ich komme, antworte ich immer noch wie aus der Pistole geschossen mit Detroit. Dann verdrehen die Leute meist sofort die Augen, weil der Ruf nicht der Beste ist. Musikalisch denken die Leute aber an die ganzen Hard-Rock-Bands, an die Motown-Szene und auch daran, dass dort mitunter Elektronik groß wurde. Ich bin sehr stolz auf diese Stadt. Ich würde nie sagen, dass ich aus Beverly Hills stamme, weil es auch gar nicht wahr ist. Wenn du jemandem sagst, dass du aus Detroit kommst, dann herrscht schon mal ein gewisser Grundrespekt.

Einer der stärksten Songs des Albums ist „Our Love Will Change The World“ - ist das ein politisches Statement?
Was mir daran wirklich Freude bereitete, war die positive Grundstimmung des Songs, die das Gesamtpaket inhaltlich doch etwas auflockert. Wenn du dir aber die Texte ansiehst, dann sind sie sehr subversiv. Da geht es darum, dass wir die Welt verändern werden, aber es dir nicht gefallen wird, was du siehst. Du musst aber damit klarkommen, denn so ist der Lauf der Dinge. Ich habe hier einen sehr dunklen Text einer sehr fröhlichen Melodie entgegengestellt, weil die Bedeutung dadurch intensiver wird. Der Song ist nicht politisch, zumindest nicht für mich. Es geht eher um die reelle Tatsache, dass heute jeder auf Glasscherben geht, wenn er etwas sagt. Keiner traut sich mehr seine Meinung zu sagen, weil sich immer irgendwer beleidigt oder angegriffen fühlt. Mich nervt das schon ungemein, dass die Leute so sensitiv sind. In den 70er-Jahren waren wir bei weitem nicht so sensibel und jeder konnte den anderen sorglos verarschen. Keiner hat es so ernst genommen, sondern Spaß daran gehabt. Heute ist alles so ernst und ich komme oft nicht gut klar damit.

Fühlst du dich aufgrund dieser Lage manchmal auch in deiner Kunst oder Darstellungsform als Alice Cooper limitiert?
Ich glaube immer noch, dass es sich dabei um eine Minderheit handelt. Der Großteil der Menschen lässt sich nicht so schnell in die Defensive jagen und wedelt wegen jedem kleinen Witz moralisierend mit dem Zeigefinger. Diese wenigen Leute scheuchen aber viel Staub auf, sodass man immer glaubt, alle wären so gepolt. Und um es gleich einmal ganz nüchtern zu sagen: der Rock’n’Roll an sich ist offensiv und provokant. Er hält sich an keine Regeln und lässt sich auch seine Kantigkeit nicht nehmen. Ich habe nie versucht, irgendjemanden zu beleidigen oder zu attackieren. Das liegt mir komplett fern - egal ob es um Geschlechter, Sexualität oder Hautfarbe geht. Ich habe schwarze Freunde, ich habe schwule Freunde. Aber die meisten meiner Freunde können über sich und andere lachen. Wir sind mittlerweile so politisch korrekt geworden, dass wir mehr Robotern gleichen als Menschen.

Hängt diese überbordende politische Korrektheit auch mit dem schleichenden Niedergang der Rock-Musik zusammen? 2020 schafften es genau zwei Rockalben an die Spitze der US-Albumcharts und neben AC/DC war das mit Machine Gun Kelly sogar ein Rapper, der sich Punkrock zuwandte…
Das einzig Gute an der Sache ist, dass die Rockmusik heute kein Mainstream mehr ist - so, wie es früher auch schon oft der Fall war. Rock ist Musik für Außenseiter und das ist nicht schlecht, denn dort gehört er hin. Der Rock muss im Hintergrund sein und in den dunklen Ecken lauern. Hip-Hop ist im Mainstream stark akzeptiert und der Rock wird wieder schief beäugt, aber es tut ihm gut. Die Position für diese Musik ist gut, denn ich glaube, dass er längst schon viel zu breitflächig geworden ist. Die Rolling Stones werden immer die Rolling Stones bleiben, Ozzy Osbourne wird immer Ozzy Osbourne bleiben und ich werde immer ich bleiben. Das ist gut so, denn wir alle waren immer authentisch.

Hoffen wir einmal darauf, dass wir dich 2021 auch wieder live bei uns sehen. Mit den Hollywood Vampires ist zumindest ein Besuch im Spätsommer geplant. Glaubst du daran, dass sich das ausgehen könnte?
Absolut. An mir, Joe Perry und Johnny Depp wird es nicht liegen, wir scharren in den Startlöchern. Es kann passieren, dass man nachweislich geimpft sein muss, um zu einem Konzert zu gehen, aber das halte ich für eine kluge Entscheidung. So müssen wir das handhaben, denn anders wird es nicht gehen. Ich hoffe, dass sich so viele wie möglich impfen, damit die Konzerte möglichst schnell wieder näherrücken. Ich bin ein alter Optimist, vielleicht sehen wir uns sogar schon vor dem August...

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