Trotz Corona-Pandemie ist die Zahl der Asylanträge in Österreich im Vorjahr zum ersten Mal seit der Flüchtlingskrise wieder gestiegen, und das immerhin um rund zehn Prozent. Besonders stark war der Zuwachs bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen mit plus 70 Prozent. Das geht aus der Jahres-Asylstatistik vor, die am Donnerstag vom Innenministerium präsentiert wurde. Dies ist „völlig gegen den EU-Trend“, betonte der zuständige Beamte Wolfgang Taucher. Denn in der Union gingen die Zahlen 2020 um 31 Prozent zurück.
Der Anstieg in Österreich ist umso verwunderlicher, wenn man sich die Zwischenbilanzen des Vorjahres anschaut: So wurde nach einem deutlichen Anstieg der Asylanträge zu Jahresbeginn im April 2020 der niedrigste Monatswert des Jahrtausends gezählt. Mit gerade einmal 338 Anträgen bedeutete das im April 2020 gegenüber dem Vergleichsmonat 2019 einen Rückgang von fast 66 Prozent. Im ersten Jahresdrittel vermeldete das Innenministerium noch ein Minus von rund 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Am Ende des Jahres war es aber dann doch ein deutliches Plus von zehn Prozent. Insgesamt suchten im Vorjahr 14.192 Personen in Österreich um Asyl an nach 12.886 im Jahr 2019 und 13.746 im Jahr 2018. Letztmals höher waren die Werte 2017 mit 24.735.
Ansteigender Trend wegen geografischer Lage Österreichs
Der ansteigende Trend lässt sich laut Gruppenleiter Taucher mit der geografischen Lage Österreichs und den aktuellen Hauptrouten erklären. Auch die Balkanstaaten Rumänien und Bulgarien sowie Kroatien hätten höhere Zahlen zu verzeichnen. Vor allem die Route von Nord-Mazedonien über Serbien und Ungarn, fallweise auch über Rumänien boomt, während aus der Türkei relativ wenig Bewegung Richtung Griechenland verzeichnet werde.
Dennoch betonte Taucher, dass Österreich derzeit kein Ziel-1-Land für Flüchtlinge sei. Viele würden bei der Durchreise in Richtung Deutschland oder Nordeuropa aufgegriffen. Wirklich entspannen wird sich die Lage wohl auch künftig nicht. Denn in der erweiterten Balkanregion warten 90.000 bis 100.000 Menschen auf eine Weiterreise.
Geändert hat sich seit der Pandemie die Nationalität der Schlepper. Waren bis dahin Gruppen wie Afghanen, Pakistaner und Iraker führend, würden nun vermehrt Syrer, aber auch Österreicher und sogar Niederländer ertappt, betonte Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität.
Corona auch als Fluchtmotiv
Laut Tatzgern hat Corona auch andere neue Entwicklungen zur Folge. So kommt als Motiv für die Flucht in den Westen dazu, dass es dort im Vergleich zu den Flüchtlingslagern oder Herkunftsländern bessere Behandlungsmöglichkeiten bzw. die Chance auf eine Impfung gebe. Die Kosten einer Schleppung liegen aktuell zwischen 1500 und 6000 Euro. Dazu verlangen Schlepper bis zu 50 Euro für die Masken, die von den Asylsuchenden anzulegen sind. Ins Land kommen die meisten Flüchtlinge über die grüne Grenze oder per Lkw. KLeine Kastenwägen seien hingen aus der Mode gekommen, so Tatzgern.
Überraschendes Plus bei Marokkanern von 355 Prozent
Top-Nationen bei den Asylwerbern sind unverändert Syrer und Afghanen. Überraschend und auch nicht zu erklären sei das Plus von 355 Prozent bei den nun drittplatzierten Marokkanern, betonte Taucher. Dabei habe diese Gruppe eine Anerkennungswahrscheinlichkeit von nur einem Prozent. Im Vorjahr erhielten zwei Marokkaner Asyl und drei subsidiären Schutz.
Daher sind Marokkaner wie auch Algerier und Inder besonders häufig in die verstärkt angewendeten Fast-Track-Verfahren involviert worden, wo innerhalb von 72 Stunden eine erste Entscheidung gefällt wird. Dennoch sei es schwierig, Bürger der beiden nordafrikanischen Staaten außer Landes zu bringen. Im Vorjahr gab es in beide Staaten 70 Personen, die freiwillig zurückgekehrt sind oder abgeschoben wurden. Laut Taucher hat sich die Kooperation mit Marokko zwar verbessert, ideal ist sie aber weiter nicht.
14 Prozent weniger Menschen in Grundversorgung
Zufrieden ist Taucher damit, dass die Verfahrensdauer trotz aller Umstände mit der Pandemie kurzgehalten werden konnte. Sie lag für Verfahren mit Asylantrag seit Juni 2018 bei 3,9 Monaten. Offen sind noch rund 21.000 Verfahren, davon etwa 15.000 bei den Gerichten. In der Grundversorgung befanden sich Ende 2020 knapp 26.700 Personen und damit 14 Prozent weniger als im Jahresvergleich.
Zuerkennungen gab es 2020 12.633, die meisten davon Asyltitel mit 7710. Der Rest der positiven Bescheide betraf subsidiären Schutz oder humanitäre Aufenthaltstitel. Besonders gute Chance auf Asyl haben weiter Syrer, wo mehr als 78 Prozent der Anträge positiv beschieden werden. Fast zwei Drittel der Anträge anerkannt werden bei Somalis und Iranern. Bei Afghanen bekommt nur knapp die Hälfte Asyl, dafür erhalten Bürger dieses Landes in absoluten Zahlen besonders oft subsidiären Schutz.
54% der Abgeschobenen waren verurteilte Straftäter
Das Land verlassen haben im Vorjahr knapp 8700 Flüchtlinge. Knapp mehr als die Hälfte (51 Prozent) ist freiwillig ausgereist, der Rest wurde zwangsweise außer Landes gebracht. Auch zeigen die Zahlen, dass Abschiebungen in hohem Ausmaß strafrechtlich verurteilte Personen betreffen. Bei den zwangsweise außer Landes gebrachten Personen wurde mit 54 Prozent mehr als die Hälfte mindestens einmal strafrechtlich verurteilt.
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