Nach Preiserhöhungen

Run auf billige Tarife bei virtuellen Mobilfunkern

Digital
26.02.2021 13:54

Die Preiserhöhungen bei unterschiedlichen Angeboten der Netzbetreiber A1, Drei und Magenta im März, die von der Bundeswettbewerbsbehörde BWB untersucht werden, sorgen für einen Run auf billigere Anbieter wie HoT, Lidl Connect, Spusu oder Educom. Sie berichten vom regen Andrang Wechselwilliger. Bei Educom stehen Studenten Schlange, Spusu und HoT hatten laut eigenen Angaben noch nie so viel Zulauf. Die Netzbetreiber relativieren und sind um Schadensbegrenzung bemüht.

A1, Drei und Magenta erhöhen bei unterschiedlichen Festnetz-, TV- und Mobilfunktarifen im März gleichzeitig die Preise: A1 führt bei seiner Diskontmarke Bob eine Service-Pauschale von 25 Euro im Jahr ein und erhöht TV- und Internet-TV-Kombitarife. Magenta stellt verschiedene beim Kauf von UPC mit übernommene Kabelinternet-Tarife um, viele - auch neuere - Mobilfunkverträge bei Drei werden um einen bis drei Euro teurer.

Dass das alles gleichzeitig passiert, habe eine „schiefe und schräge Optik“, bemängelte BWB-Chef Theodor Thanner und kündigte eine Untersuchung an. Die betroffenen Kunden, denen durch die einseitige Vertragsänderung ein Sonderkündigungsrecht ohne die üblichen Fristen entsteht, stimmen derweil mit den Füßen ab. Wechselwillige suchen bei den virtuellen Anbietern, die im Netz der großen Mobilfunker eigene und oft günstigere Tarife anbieten, nach alternativen Angeboten.

Über die Whistleblower-Hotline der BWB habe man Hinweise und Beschwerden erhalten, denen man nun nachgehe, erklärte BWB-Chef Theodor Thanner. (Bild: APA/Hans Punz)
Über die Whistleblower-Hotline der BWB habe man Hinweise und Beschwerden erhalten, denen man nun nachgehe, erklärte BWB-Chef Theodor Thanner.

Virtuelle Anbieter verzichten oft auf Service-Pauschale
Bei diesen Anbietern ohne eigenes Netz ersparen sich Kunden oft eine Mindestvertragsdauer, die jährliche Service-Pauschale oder andere Nebenkosten. Diese können bis zu 27 Prozent der Gesamtkosten eines Tarifs ausmachen, rechnete zuletzt tarife.at vor.

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Unsere Kundenzahl wächst derzeit um deutlich über 1000 Kunden pro Tag. Damit stellen wir gerade täglich einen neuen Wachstumsrekord auf.

Spusu-Chef Franz Pichler

Franz Pichler, Chef des im Drei-Netz operierenden Anbieters Spusu: „Seit die großen drei Mobilfunkanbieter ihre Preiserhöhungen an ihre Kunden kommuniziert haben, erlebt Spusu das stärkste Kundenwachstum seit dem Marktstart 2015.“ Dazu trage wohl auch die Berichterstattung über die Preiserhöhungen bei. „Unsere Kundenzahl wächst derzeit um deutlich über 1000 Kunden pro Tag. Damit stellen wir gerade täglich einen neuen Wachstumsrekord auf.“

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Die ersten beiden Monate im heurigen Jahr zählen zu den besten seit dem Start von HoT im Jahr 2015.

Statement von HoT

Auch beim Platzhirschen unter den virtuellen Mobilfunkern, HoT, dessen Kunden im Magenta-Netz unterwegs sind, berichtet man von Zuwächsen. „Die ersten beiden Monate im heurigen Jahr zählen zu den besten seit dem Start von HoT im Jahr 2015“, teilte eine Sprecherin mit. Gegenüber der Konkurrenz verweist HoT darauf, seine Tarife seit Marktstart nie teurer, sondern mit zusätzlichem Datenvolumen oder mehr Tempo nur besser gemacht zu haben. Insgesamt habe man nun eine Million aktive Kunden.

Lidl: 110.000 SIM-Karten in Umlauf
Auch beim noch keine zwei Jahre alten Anbieter Lidl Connect des gleichnamigen Diskonters, wie Spusu im Drei-Netz eingemietet, freut man sich über Zulauf. Konkrete Zahlen will man nicht nennen, verweist aber auf ein vom „Smartphone Magazin“ prämiertes Preis-Leistungs-Verhältnis und fügt hinzu: „Das honorieren auch unsere Kunden - vor allem in der aktuellen Situation.“ Insgesamt habe man mehr als 110.000 SIM-Karten in Umlauf.

Schlange stehen für Studententarife
Beim Anbieter Educom, der Tarife für Schüler, Studenten und Personal heimischer Bildungseinrichtungen anbietet, verzeichnet man ebenfalls großen Zulauf. Firmenchef Markus Müller: „Dass der Run auf unsere neuen Studententarife größer sein würde als sogar zum Black Friday, hätten wir uns im Traum nicht erwartet.“ Das Interesse sei so groß, dass die Website zeitweise überlastet war. Auch vor dem Shop in der Wiener Universitätsstraße stünden Studenten Schlange für die Educom-Bildungstarife im A1-Netz.

Studenten stehen in Wien Schlange für die Educom-Studententarife - freilich auch, weil Covid-19-bedingt derzeit nur wenige Personen gleichzeitig den Shop betreten dürfen. (Bild: Markus Müller)
Studenten stehen in Wien Schlange für die Educom-Studententarife - freilich auch, weil Covid-19-bedingt derzeit nur wenige Personen gleichzeitig den Shop betreten dürfen.

Netzbetreiber nennen keine Zahlen
Wie stark die Abwanderung bei den einzelnen Netzbetreibern ausfällt, wollten diese auf Anfrage nicht quantifizieren. Magenta verweist darauf, dass nur eine geringe Zahl Kabelkunden mit sehr alten Tarifen umgestellt werde, die für wenig Aufpreis deutlich mehr Speed bekämen. A1 hebt hervor, dass man nicht das komplette Tarifangebot verteuere, sondern nur A1-TV-Tarife. Bob-Kunden hätten ohnedies keine Mindestvertragslaufzeit. Abgänge bei Bob könnten zudem auch innerhalb des A1-Konzerns wechseln.

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Generell halten sich die Kündigungen in Grenzen. Zahlen geben wir keine bekannt.

Statement von Drei

Drei in einer Stellungname: „Generell halten sich die Kündigungen in Grenzen. Zahlen geben wir keine bekannt.“ Man freue sich aber, dass viele Kunden mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis zufrieden seien und trotz der Änderungen bei Drei blieben. Wechselwillige Kunden könnten auch jederzeit auf einen anderen Drei-Tarif umsteigen.

Wechselwillige berichten nach der Kündigung von Anrufen des bisherigen Netzbetreibers, in denen ihnen Rabatte versprochen wurden. (Bild: stock.adobe.com)
Wechselwillige berichten nach der Kündigung von Anrufen des bisherigen Netzbetreibers, in denen ihnen Rabatte versprochen wurden.

Auf die Kündigung folgt oft ein Anruf
Bei den Netzbetreibern scheint man jedenfalls bemüht, wechselwillige Kunden bei sich zu halten. Umsteiger berichten nach der Kündigung von Anrufen, bei denen der bisherige Provider großzügige Rabatte verspricht, wenn sie die Kündigung revidieren. Eine Praxis, die seitens einzelner Netzbetreiber auch bestätigt wird.

Von A1 heißt es, man biete von den A1-TV-Änderungen betroffenen Kunden „maßgeschneiderte Umstiegs-Angebote“ an, nenne aber keine Details dazu. Man kommuniziere diese Angebote telefonisch oder per E-Mail direkt an die Betroffenen. Bei anderen Anbietern dürfte es sich ähnlich verhalten. Diese nicht öffentlichen Sonderangebote haben für Kunden freilich den Nachteil, dass sie, weil nicht öffentlich, nicht vergleichbar und damit letztlich Verhandlungssache sind.

Dass die Betreiber ihre Netze für die virtuellen Anbieter öffnen müssen, war eine der Auflagen bei der Übernahme von Orange durch Drei. (Bild: stock.adobe.com)
Dass die Betreiber ihre Netze für die virtuellen Anbieter öffnen müssen, war eine der Auflagen bei der Übernahme von Orange durch Drei.

„Klares Bekenntnis“ zu MVNO von BWB und RTR
Virtuelle Mobilfunker (MVNOs) wie HoT oder Spusu gibt es seit der Übernahme des Mobilfunkers Orange durch Drei im Jahr 2012. Diese wurde damals nur unter der Auflage gestattet, dass sich die übrigen Betreiber verpflichten, ihre Netze für virtuelle Anbieter zu öffnen. Diese Verpflichtung gilt noch bis Ende 2022. Seitens der Telekom-Regulierungsbehörde RTR und der BWB gab es zuletzt „ein klares Zukunftsbekenntnis“ zu MVNOs. Zuvor wurden Befürchtungen laut, die Netzbetreiber könnten die kleineren Anbieter aus dem Markt drängen, indem sie ihnen den 5G-Zugang erschweren.

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