Ein Deutscher kam nach Tirol, um dort auf einer Baustelle zu arbeiten. Dann schrieb er plötzlich alarmierende SMS an seine Familie. Danach wurde der Mann nie wieder gesehen.
Als Adrian Lukas am Abend des 20. September 2017 im Tiroler Sankt Anton ankommt, ist er müde, aber gut gelaunt. Eine lange Fahrt liegt hinter ihm. Im Auto eines Installateurs aus seiner Heimatstadt Görlitz, der in den kommenden zwei Wochen – mit seiner Hilfe – im Auftrag eines Tiroler Bauunternehmens diverse Subdienste verrichten soll.
„Das Engagement meines Sohnes“, erzählt Richard Lukas, „war über meine Vermittlung zustande gekommen. Und er hatte es gerne angenommen. Denn sein Job als medizinischer Fußpfleger und Masseur war gerade wenig gefragt.“ Ein Stundenlohn von 22 Euro netto, bei freier Kost und Logis, „bedeutete für ihn, finanziell ein wenig aufatmen zu können. Außerdem freute er sich auf Österreich, wo er noch nie davor gewesen war.“
Wie ist Adrians Leben bis zu diesem „Ausflug“ verlaufen? Seine Eltern waren bereits in den 1990er-Jahren aus Polen ausgewandert und hatten in Deutschland schnell Fuß gefasst. Der Vater gründete dort schließlich einen Hausmeisterbetrieb. Die zwei Töchter und der Sohn wuchsen in gesicherten, geborgenen Verhältnissen auf: „Unser Familienzusammenhalt war immer sehr stark“, sagt Mutter Ewa.
„Alles ist toll hier“
Nach der Schule machte Adrian seine Berufsausbildung, nebenbei arbeitete er bei der Rettung. Und sonst? „Er verreiste gerne. Er hatte viele Freunde, ging oft mit ihnen aus, zum Plaudern und Biertrinken.“ 2014 war die Beziehung zu einer Frau gescheitert, seitdem wohnte er wieder bei den Eltern.
Aber zurück zu den Ereignissen vom September 2017. Nachdem der junge Mann und sein Chef in einer Drei-Sterne-Unterkunft eingecheckt haben, besichtigten sie die Garage eines anderen Hotels, wo sie am nächsten Morgen ab 6 Uhr Rohre verlegen sollten; im Anschluss daran aßen sie gemeinsam zu Abend. „Alles ist toll hier, die Landschaft wunderschön, mein Zimmer gemütlich, die Verpflegung prima“, teilt Adrian vor dem Schlafengehen seinen Eltern telefonisch mit.
Auch in den Tagen darauf habe er in Gesprächen zufrieden gewirkt. „Am 21. September wurde unser Bub 35.“ Er dürfte – wie ein Facebook-Eintrag von ihm zeigt – ein bisschen in einem Gasthaus gefeiert haben. Am 24. beginnen die Probleme. „Mein Sohn berichtete von Bösartigkeiten, ihm gegenüber“, erinnert sich Richard Lukas: „Seltsam war: Er redete Polnisch. Weil er, wie er erklärte, nicht wolle, dass ihn irgendwer außer mir verstehe.“
Plötzlich hatte er Magenkrämpfe
Tags darauf leidet der Deutsche plötzlich an Magenkrämpfen, er sucht wiederholt die Toilette auf. Sein Chef sagte später vor der Kripo aus, er hätte ihn deshalb zum Erholen in sein Zimmer geschickt. Doch er ist niemals in seiner Unterkunft angekommen. Fest steht: Ab 13.02 Uhr schreibt er mehrere alarmierende SMS. An seinen Vater, die Mutter, eine Schwester – und an seinen besten Freund. Auszüge daraus: „Sie werden mich töten.“ „Ich weiß nicht, ob ich heute überleben werde.“ „Wenn ich mich nicht mehr melde, bin ich tot.“ „Sollte ich ermordet werden, will ich neben Oma und Opa begraben werden.“
Die Adressaten sehen die Nachrichten nicht gleich; als sie um etwa 14 Uhr Adrian anrufen – läuft nur noch seine Mobilbox. Am 26. September wird der 35-Jährige als abgängig gemeldet. Die Polizei führte in der Folge wiederholt umfangreiche Suchaktionen durch. Sie verliefen ohne Erfolg. Genauso wie die Nachforschungen eines Privatdetektivs. Und genauso wie die Erhebungen, die von der Görlitzer Staatsanwaltschaft eingeleitet wurden.
Am 10. März soll nun über das mysteriöse Verschwinden des jungen Mannes in der TV-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ berichtet werden. „Denn natürlich bleibt auch der Verdacht“, so Tirols Landeskriminalamt-Leiterin Katja Tersch, „dass er einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein könnte.“
„Wurde er unfreiwillig Zeuge einer Straftat?“
Doch was sollte das Motiv für einen Mord an Adrian Lukas gewesen sein? „Vielleicht wurde er unfreiwillig Zeuge einer Straftat und deshalb getötet“, mutmaßt Claus Meffert, Anwalt der Eltern des „Vermissten“.
Ewa und Richard Lukas sind längst davon überzeugt, dass ihr Sohn umgebracht worden sein muss: „Wir hoffen bloß noch, dass der oder die Killer überführt werden und sie verraten, wo Adrians Leiche versteckt ist. Damit wir endlich seinen letzten Wunsch erfüllen und ihn in unserem Familiengrab bestatten lassen können.“
Das Landeskriminalamt Tirol ersucht um Hinweise unter der Telefonnummer 059/33-70-3333.
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