Zensur für Experten?
Schweiz will Corona-Forschern Maulkorb verpassen
Nur selten zuvor haben Wissenschaftler eine derart große Bühne gehabt wie im Zuge der Corona-Krise. Mit den Warnungen vor zu raschen Lockerungen durch die Politik stoßen viele Forschende zunehmend auf Widerstand. So will etwa der Wirtschaftsausschuss des Schweizer Parlaments ihnen gar verbieten, sich öffentlich zur Pandemie zu äußern.
Maßnahmen lockern oder doch besser verschärfen - es gibt noch kein Patentrezept, um die Corona-Krise erfolgreich zu überwinden. Während die Fallzahlen in Richtung einer dritten Infektionswelle starten, entwickelt sich bei den Menschen jedoch zunehmend auch eine Pandemie-Müdigkeit.
Wissenschaft im Kreuzfeuer
Egal ob Epidemiologen, Virologen oder Simulationsforscher - die wissenschaftliche Expertise wird zunehmend auch kritisch gesehen. Insbesondere in der Schweiz gerät die Wissenschaft zunehmend ins Kreuzfeuer. Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ berichtet, möchte die Wirtschaftskommission des Schweizer Nationalrats die Kommunikation der Experten massiv einschränken. Diese hätten sich zu pessimistisch zur Pandemie-Lage geäußert und damit für Verwirrung in der Bevölkerung gesorgt, so die Begründung.
Keine Meinung mehr in der Öffentlichkeit
So soll etwa die sogenannte Corona-Taskforce, die zu den wesentlichsten Beratern der Regierung zur Corona-Politik gehört, ihre Meinung künftig nicht mehr öffentlich äußern dürfen - weder bei Interviews, noch in den sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook oder Instagram.
Dem äußerst umstrittenen Vorschlag sind diverse Meinungsverschiedenheiten zwischen Politik und Experten vorangegangen. Immer wieder zeigten sich Mitglieder des Gremiums skeptisch ob der politischen Entscheidungen und wandten sich mit Warnungen und Appellen an die Öffentlichkeit.
Tiefe Gräben zwischen Politik und Wissenschaft
So erklärte etwa der Präsident der Taskforce, Martin Ackermann, im Oktober, dass man sich „an einem kritischen Punkt“ befinde, und forderte rasche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Dabei fand er jedoch wenig Gehör, denn die Schweiz zögerte einen harten Lockdown lange hinaus, wodurch es zu einem weiteren Anstieg der Infektionszahlen kam.
„Absurder“ Vorschlag
Nun soll also das Kommunikationsverbot folgen. Gehe es nach der Kommission, sollen nur noch das Parlament und der Bundesrat über jeweilige Maßnahmen informieren dürfen. Das Vorhaben stößt dabei aber auch auf vehemente Kritik. Ackermann erklärte etwa, dass es zur Bewältigung der Pandemie „die Stimme der Wissenschaft“ brauche.
Der SRF sprach gar von einem „Maulkorb“, das „Tagblatt“ erklärte den Vorstoß sogleich gänzlich für „absurd“. Die Experten würden lediglich Einschätzungen liefern, jedoch keine Entscheidungen treffen, so die Argumentation.
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