"Ecured" ist online

Kubanische Version von Wikipedia erklärt die Welt neu

Web
15.12.2010 14:35
Die USA sind der Superschurke, Kuba hingegen ist ein Hort der Freiheit, Legalität und Demokratie: Unter den Augen der erstaunten Weltöffentlichkeit hat der sozialistische Inselstaat jetzt seine ganz eigene Wikipedia-Version mit dem Namen "Ecured" ins Netz gestellt. Die Artikel offenbaren eine reichlich merkwürdige Weltsicht.

Wahrheit ist ein dehnbarer Begriff. Das wissen die Bewohner Kubas spätestens seitdem ihr sozialistisches "Paradies" immer mehr Schattenseiten zeigt - während die Politiker die vermeintlichen Regierungserfolge in höchsten Tönen loben. Doch im Internet- Zeitalter braucht es mehr als blumige Reden, schließlich können sich die Bürger bei aller Zensur auch anderweitig informieren. Um sich die Deutungshoheit über die politische und historische Weltlage nicht von westlich geprägten Plattformen wie Wikipedia entreißen zu lassen, hat das Regime in Havanna am Dienstag ein Lexikon unter der Adresse ecured.cu online gestellt.

"Red" bedeutet auf Spanisch Netz, also Internet. Der erste Wortteil von "Ecured" steht für Enciclopedia Cubana und erinnert somit an die Mutter aller Lexika, die Encyclopædia Britannica. Doch mit deren Objektivität kann es die neue Seite - wenig überraschend - bei Weitem nicht aufnehmen. Denn das Angebot, das vom kommunistischen Jugendverband betreut wird, überzeugt allenfalls durch propagandistische Formulierungen. Die USA? Das "größte Imperium unserer Epoche, das glaubt, eine moralische Überlegenheit zu besitzen." Kuba, nach eigener Einschätzung ein Hort von Demokratie und Freiheit, werde von der bösen Supermacht mit gierigen Augen betrachtet, "wie man eine schöne Frucht bewundert, die einem schließlich in die Hände fällt, was allerdings seit einem halben Jahrhundert misslingt".

"George W. Bush betreibt schmutzige Geschäfte"

Auch für George W. Bush hat die Seite nur wenig Gutes übrig. Denn der Ex- US- Präsident "steht in einer langen familiären Tradition von schmutzigen Geschäften. Ein weißer Mann, der glaubt, er sei Gott." Ganz anders Revolutionsführer Fidel Castro. Der 84- jährige "Maximo Lider" sei nach seiner langwierigen Erkrankung glorreich zurückgekehrt und beteilige sich seitdem wieder "an dem weltweiten Kampf der Ideen" - nicht zuletzt dank seiner "moralischen Autorität".

Derzeit befinden sich 19.630 Artikel in der Datenbank. Die Anzahl dürfte rasch wachsen, denn ebenso wie beim Vorbild Wikipedia können die Nutzer selbst Themen anlegen und bearbeiten. Um die ideologische Reinheit der Plattform zu wahren, ist dies allerdings nur nach vorheriger Registrierung und Überprüfung seitens der kubanischen Behörden möglich.

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