Im Impfen weit voraus
Wettlauf in der Pandemie: So besiegt Israel Corona
Im Wettlauf gegen das Coronavirus hat Israel schon einen großen Teil des Landes durchgeimpft. Die dazu notwendige Organisation obliegt dem Zivilschutz. Der eindrucksvolle Erfolg sorgt für Kopfschütteln über das Schneckentempo in der EU.
Impfweltmeister Israel hat zwar mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung schon immunisiert, die Zahl der an Corona Gestorbenen ist deutlich gesunken - und dennoch wird das Land nur langsam aus dem Lockdown wieder geöffnet. Warum das so ist, erklärt Asher Salmon, der „Mr. Corona“ des israelischen Gesundheitsministeriums, mit der komplizierten Struktur des Landes und seiner Gesellschaft.
Land der Widersprüche
„Israel ist ja ein Land der Widersprüche. Wir haben die Ultraorthodoxen, die in der Vergangenheit leben, und wir sind andererseits die weitgehend voll digitalisierte Gründernation von so vielen Start-ups. Wir sind ein junges Land, und wir haben einen signifikanten Anteil arabischer Bevölkerung“, schildert Asher Salmon die Ausgangslage für die Regierung, als die Corona-Pandemie über Israel hereinbrach.
Impfung als ultimatives Mittel
„Netanyahu hat frühzeitig erkannt, dass diese Herausforderung mit Lockdowns allein nicht bewältigt werden kann, sondern dass eilig zu dem ultimativen Mittel gegriffen werden muss: Impfen“, rekapituliert der Beamte des Gesundheitsministeriums die akute Lage im vergangenen Sommer. „Pfizer war gar nicht die erste Wahl, aber es gab aus anderem Anlass ein Zusammentreffen Netanyahus mit dem Chef von Pfizer, Albert Bourla.“ Er ist der Sohn von Holocaust-Überlebenden aus Saloniki.
Deal im November, Impfstart im Dezember
Im November waren die Regierung und Pfizer handelseins geworden - und dann zeigte Israel den Schläfern der EU, was Tempo ist. Die erste Spritze wurde am 19. Dezember gesetzt: an Premier Netanyahu. „Von dieser ersten Minute lief das Impfprogramm voll an“, ergänzt „Mr. Corona“.
Mehrere Faktoren begünstigen Eile und Effizienz der Impfkampagne. Israel ist ein zentraler Staat. Wegen der nationalen Sicherheitslage sind der Zivilschutz und sein Personal gut organisiert. Das Impfprogramm wird von den Krankenkassen durchgeführt. Die Gesundheitsdaten sind voll digitalisiert, und der Datenschutz hat nicht diese große Bedeutung wie etwa in Europa.
Ganze Nation als „Versuchskaninchen“
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt: „Aus jenem Teil des Vertrags mit Pfizer, den die Regierung ins Netz gestellt hat, geht hervor, dass Pfizer über Daten der Geimpften und über Impfreaktionen und Nebenwirkungen informiert wird.“ Das verschafft Pfizer ein einzigartiges Lagebild über sein Produkt. „Wir sind sozusagen als ganze Nation Versuchskaninchen“, lästert ein junger Israeli. Die privaten Daten würden ohnehin ständig verkauft. Das fängt bei jeder Google-Suche an.
Die vielen Impfstationen sind an den ungewöhnlichsten Orten, etwa Kaufhäusern, und die Teams sind auch mobil unterwegs. Am Ende jeden Tages können dann Personen ohne Voranmeldung kommen, damit aufgetaute Reste aus Impfdosen nicht weggeworfen werden müssen.
Bald Impfen auch für Unter-16-Jährige?
Der Umstand, dass Israel trotz einer Impfquote von schon mehr als 53 Prozent dennoch erst im April voll öffnen und wohl nie die Herdenimmunität erreichen wird - der Flughafen ist noch immer weitgehend geschlossen -, liegt sowohl an der Impfskepsis in bestimmten Bevölkerungsgruppen als auch an der jungen Bevölkerungsstruktur Israels. Drei Millionen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahre sind von den Impfstoffherstellern (noch) für keine Impfung zugelassen.
Diese Grenze, so hört man in Jerusalem, könnte aber schon bald auf zwölf Jahre gesenkt werden. Der leichte Krankheitsverlauf bei Kindern und Jugendlichen trägt wohl dazu bei, dass Israel trotz hoher Infektionszahlen eine relativ geringe Corona-Todesrate hat.
Israel impft Araber, aber nicht Palästina
20 Prozent der Neun-Millionen-Bevölkerung im Kern-Israel sind Araber. Sie werden selbstverständlich so wie alle anderen Personen auch geimpft.
Das israelische Impfprogramm gilt nicht für die Araber in den Besatzungsgebieten seit 1967. Dort, so sagt Israel, hat die Verantwortung seit dem Oslo-Abkommen die palästinensische Autonomiebehörde. Sie impft „russisch“.
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