Spinnen- und Skorpiongift gegen Schmerzen? Von Tieren abgekupferte Peptidwirkstoffe werden auch für Menschen immer beliebter und für Arzneien der Zukunft herangezogen.
Vom Tierreich können sich Forscher inspirieren lassen und auch etliche Innovationen für die menschliche Medizin abkupfern. So liegt ein neuer Trend in der Untersuchung von natürlich vorkommenden, sehr starken Giftbestandteilen, welche die Pflanzen- und Tierwelt bereitstellt. Diese Naturgifte und ihre Anwendbarkeit werden von den Forschern - auch aus Österreich - für die Medikamentenentwicklung untersucht. Erst jüngst kombinierten Assoz. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Markus Muttenthaler vom Institut für Biologische Chemie der Fakultät für Chemie der Universität Wien und sein Team ein Spinnengift- mit dem Giftpeptid eines Skorpions: Beide Stoffe blockieren mit unterschiedlichen Mechanismen die Schmerzreizweiterleitung. „Dieses Konzept könnte für eine längere Schmerzlinderung eingesetzt werden“, so der Wissenschafter. Weiters gelang es Muttenthalers Team mit Forschern aus Französisch-Guyana, das Gift der brasilianischen Ameisenart „Pseudomyrmex penetrator“ zu analysieren und den aktivsten Bestandteil nachzubilden. Es zeigte sich als nützlich gegen Pflanzenschädlinge, könnte als gesundheitsschonendes Biopestizid dienen.
Von Kreuchendem und Fleuchendem angeregt
Auch von Heuschrecken ließen sich Wissenschafter inspirieren. Diese Hüpfer verfügen nämlich über ein natürlich vorkommendes Neuropeptid (Signalmolekül), welches aus zwei verschiedenen Molekülen verknüpft wird (= Dimerisierung). Nun gelang so eine Verbindung ebenfalls mit menschlichen Molekülen (der Hormone Oxytocin und Vasopressin), was zu neuartigen pharmakologisch wirksamen Teilchen führen soll. Etwa für Arzneien, die während der Geburt zur Förderung der Wehentätigkeit eingesetzt werden, aber auch eventuell für Anwendung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Autismus. „Unser Konzept ist neuartig und faszinierend: Man nehme ein Insekten-Neuropeptid, untersuche dessen Struktur und baue diese mit kleinen chemischen Änderungen nach, um mögliche Wirkstoffe beim Menschen zu erhalten“, erklärt Prof. Muttenthaler.
Neue Medikamente in Aussicht
Solche Peptide sind günstiger zu produzieren als Antikörper und haben gewisse andere Vorteile. In der Krebsforschung zum Beispiel können sie (Tumor-) Gewebe besser durchdringen. 90 Prozent der Peptidwirkstoffe müssen aber mit einer Nadel injiziert werden, da sie, wenn man sie schlucken würde, zu schnell im Magen verdaut werden. Das ist natürlich ein Nachteil für den Patienten. Diese Wirkstoffklasse wäre dennoch eine große Chance für die Medizin: „Bei komplexen Naturstoffen oder Antibiotika braucht es oft Jahre, bis man die Verbindung selbst herstellen kann - bei neu entdeckten Peptidverbindungen geht das auch in Tagen, was die Erforschung und Entwicklung von neuen Medikamenten enorm beschleunigt“, so Prof. Muttenthaler. Er möchte in weiterer Forschungsarbeit erfassen, bei welchen Krankheiten Peptide wirkungsvoll einsetzbar wären.
Bei Peptiden handelt es sich um eine Wirkstoffklasse. Die Signalmoleküle des Lebens steuern viele Körperfunktionen und sind chemisch relativ leicht nachzubauen. Sie stellen aus Aminosäuren aufgebaute Moleküle dar, die jedoch kleiner als Proteine sind. Mit ihrer Größe liegen sie zwischen den „Small Molecules“ (niedermolekularen Verbindungen) und den gentechnisch hergestellten Biologika, z. B. Antikörpern. Im Vergleich zu den Small Molecules gehen die Peptide aber zielgerichteter vor und haben somit geringere Nebenwirkungen.
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