Nach Vorwürfen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über eine ungleiche Verteilung von Impfdosen in der EU (siehe auch Video oben) hat die EU-Kommission auf die Verantwortung der Mitgliedstaaten verwiesen. Diese hätten die Möglichkeit, von einzelnen Impfstoffen weniger zu bestellen, als ihnen aufgrund der Bevölkerungsgröße zustünde. „Einige Mitgliedsländer haben von dieser Option Gebrauch gemacht“, hieß es am Freitag in EU-Kommissionskreisen.
Die Ausgestaltung der nationalen Impfportfolios hatte im Vorfeld von den Mitgliedsstaaten gemäß ihren Präferenzen bestimmt werden können. „Die EU-Impfstoffstrategie wurde von allen EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam beschlossen“, hieß es weiter. Alle EU-Staaten seien im Lenkungsausschuss (Steering Committee) vertreten, der die vertraglichen Abnahmegarantien überprüft. In den Abnahmegarantien sei sichergestellt, dass alle Mitgliedsstaaten zu den gleichen Konditionen und zum gleichen Zeitpunkt Zugang zu den einzelnen Impfstoffen haben.
„Österreich spielt im Lenkungsausschuss maßgebliche Rolle“
Österreich spiele im Lenkungsausschuss eine maßgebliche Rolle, der Co-Vorsitzende sei Clemens Martin Auer, Sonderbeauftragter im österreichischen Gesundheitsministerium. „Das Team, das die Verträge mit den Impfstoffherstellern ausgehandelt hat, wurde vom Lenkungsausschuss ernannt und hat diesem laufend Bericht erstattet“, hieß es weiters in Kreisen der EU-Behörde.
Auf Basis der Abnahmegarantien, welche auf EU-Ebene ausgehandelt worden seien, hätten die einzelnen Mitgliedsstaaten konkrete Lieferverträge mit den einzelnen Herstellern geschlossen, die jeweils auf Ministerebene gebilligt worden seien. Die EU-Mitgliedsstaaten könnten auch gemeinsam beschließen, ausnahmsweise von der Verteilung auf Basis der Bevölkerungsgröße abzuweichen.
Österreich: Bei Biontech/Pfizer Vorzug erhalten
So würden Österreich, die Slowakei und Tschechien mit Zustimmung aller EU-Mitgliedsstaaten im März je 100.000 Dosen von Biontech/Pfizer vorgezogen erhalten, um Regionen, die von der Pandemie schwer betroffen sind, zu unterstützen. Wie die gemeinsam beschafften Impfstoffe national verimpft werden, liege ausschließlich in der Hand der Staaten und ihrer Verwaltung.
Bei Moderna bestellte Österreich weniger
Zuletzt war bekannt geworden, dass Österreich und mehrere weitere EU-Länder nicht so viele Dosen des Coronavirus-Impfstoffs des US-Konzerns Moderna bestellten, wie sie hätten können. Österreich schöpfte sein volles Kontingent des ersten und zweiten Vertrags der EU mit Moderna aus, nur lediglich bei einer Zusatzoption wurde weniger abgerufen, wie das Gesundheitsministerium in Wien der APA einen Bericht des Internetportals „Politico“ bestätigte. Grund war der späte Liefertermin.
„Bis Ende des Sommers alle Erwachsenen in EU geimpft“
Die EU-Kommission halte an ihrem Ziel fest, dass bis Ende des Sommers alle Erwachsenen in der EU geimpft seien, sagte ein Sprecher der EU-Behörde. Die Impfstofflieferungen seien eine wichtige Komponente, aber nicht die einzige.
Kurz kritisierte ungleiche Verteilung innerhalb der EU
Kurz hatte bei einer Pressekonferenz am Freitag gesagt, dass man in den letzten Wochen „immer mehr ins Staunen über den Impffortschritt in Ländern wie Dänemark oder Malta gekommen“ sei und wie wenig in Ländern wie Bulgarien oder Lettland weitergehe. Er habe deswegen Anfang der Woche Daten mit den Regierungschefs anderer Länder verglichen. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Lieferungen nicht, wie eigentlich mit der EU vereinbart, nach der Einwohnerzahl erfolge. So hätten einige Länder weit mehr bekommen, als ihnen nach Bevölkerungsanteil zustehe, manche weit weniger.
Heftige Kritik an Kurz von Oppositionsparteien
Die Vorwürfe sorgten bei den Oppositionsparteien für heftige Kritik - allerdings an Kurz. Der Kanzler versuche „auf unwürdige Art und Weise, Sündenböcke für sein Versagen zu finden“, meinte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Kurz wisse „nicht einmal, was seine Spitzenbeamten in der EU ausverhandeln“, so Kucher in einer Aussendung. Der FPÖ-EU-Parlamentarier Harald Vilimsky fragte auf Twitter: „Wann schmeißen Kurz/Anschober nach der ,Impfstoff Benachteiligung Österreichs‘ Ihren in der EU dafür zuständigen stellvertretenden Vorsitzenden des ,Gemeinsamen EU-Impfstoffausschusses‘ hinaus?“.
NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte, dass Österreich „womöglich“ selbst Impfstoff ausgeschlagen habe. Sie konstatierte auf Twitter: „Leadership eine Katastrophe. Und jetzt? Ablenkung.“
„In Österreich scheitert es an der Verimpfung“
Beim stellvertretenden NEOS-Klubobmann und Gesundheitssprecher Gerald Loacker blieben viele offene Fragen, wie es in einer Aussendung hieß - etwa warum der Vertreter der österreichischen Regierung einem solchen Vorgehen zustimme. „Klar“ sei aber, dass dem Verdacht „umgehend nachgegangen werden muss“, so Loacker: „Wenn das stimmen sollte, ist es äußerst bedenklich und muss aufgeklärt werden.“ Der Bundeskanzler und die Regierung könnten sich hier aber „nicht aus der Verantwortung stehlen“. In Österreich scheitere es zudem nicht an mangelnden Lieferungen, „sondern an der Verimpfung“.
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