Kurz fordert EU-Gipfel
EU-Impfstoffverteilung „widerspricht Solidarität“
In einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel fordern Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und vier seiner Amtskollegen einen EU-Gipfel zum Thema Impfstoffverteilung. Das aktuelle System widerspreche „dem Geist der europäischen Solidarität“, so der Kanzler. Die EU-Kommission trat indessen dem Vorwurf der ungleichen Verteilung entgegen - die Staaten hätten freiwillig auf Impfkontingente verzichtet. Auch das österreichische Gesundheitsministerium widerspricht der Kurz-Kritik.
Damit alle EU-Staaten ihre Impfziele für das zweite Quartal erreichen, solle EU-Ratspräsident Charles Michel „so bald wie möglich“ einen Gipfel abhalten, heißt es in dem am Samstag veröffentlichen Schreiben der Regierungschefs von Österreich, Tschechien, Slowenien, Bulgarien und Lettland an die EU-Spitze.
Sorge, dass manche Länder zurückbleiben
Darin werden im Wesentlichen die von Kurz am Freitag getätigten Aussagen wiederholt: „In den vergangenen Tagen“ hätte man entdeckt, dass die Lieferungen der Impfstoffdosen durch die Pharmafirmen nicht laut dem Bevölkerungsschlüssel erfolgen. „Wenn dieses System so weitergeht, würde das bis zum Sommer riesige Ungleichheiten unter den Mitgliedsstaaten schaffen und vertiefen. So würden einige in wenigen Wochen die Herdenimmunität erreichen können, während andere weit zurückblieben“, beklagten die fünf Regierungschefs.
Die Premiers verwiesen darauf, dass die EU-Staaten Ende Dezember ihre Impfkampagnen gleichzeitig gestartet hätten und die EU-Kommission zurecht gemeinsame EU-Impfziele für das zweite Quartal 2021 gesetzt habe. „Wir müssen nun sicherstellen, dass alle Mitgliedsstaaten die gleiche Chance haben, diese Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund rufen wir Dich, Charles, auf, so bald wie möglich eine Gipfeldiskussion über diese wichtige Frage abzuhalten.“
Von den fünf Unterzeichnern des Schreibens sind drei (Bulgarien, Tschechien und Lettland) bisher schlechter ausgestiegen als bei einer konsequenten Verteilung der Impfdosen nach der Bevölkerung. Slowenien und Österreich haben so viele Dosen erhalten wie es ihrer Bevölkerungsanzahl entspricht.
Mehrere Staaten zeigen Unverständnis für Aktion
Kroatien, das in der bisherigen Bilanz mit 27 Prozent an drittletzter Stelle liegt, schloss sich dem Schreiben nicht an. Der kroatische Premier Andrej Plenkovic äußerte am Freitag bei einem Besuch in Brüssel laut einem ORF-Bericht sogar Unverständnis für den Vorstoß des Kanzlers. Es komme ganz einfach darauf an, welches Land bei welchem Hersteller bestellt habe, rechnete Plenkovic vor Journalisten vor.
Auch Malta wies die Kritik des Kanzlers am Freitag zurück. Zu den Staaten, die mehr Impfstoffdosen erhalten haben, zählt auch Deutschland. Dieses war der Argumentation des Kanzlers bereits am Freitag entgegengetreten. „Es ist vereinbart, dass die Verteilung der Impfstoffkontingente zwischen den Mitgliedstaaten grundsätzlich nach dem Bevölkerungsanteil erfolgt“, sagte ein deutscher Regierungssprecher auf Anfrage von Reuters. „Wenn ein Mitgliedstaat dabei keine Dosen bestellt, erhält er auch nichts.“
Gesundheitsministerium: Keine Basarmethoden
Ähnlich sieht das auch das Gesundheitsministerium, das für Österreich die Dosenmenge verhandelt. Die Generalsekretärin, Ines Stilling, erklärte dem ORF-Radio Ö1, dass die Verteilung „ausgewogen und transparent“ abgelaufen sei. Es gebe dabei keinerlei Basarmethoden: Jeder Mitgliedstaat sei bei den Verhandlungen im Sommer 2020 gefragt worden, wie viel er von jedem bestimmten Impfstoff haben wolle.
Jedes Mitgliedsland habe sich an jedem Impfstoff aber unterschiedlich viel gesichert. Es sei nicht nach dem Prinzip gegangen, wer zuerst oder am lautesten rufe, betonte Stilling.
Kommission erstaunt über Vorwürfe
Erstaunt über die Vorwürfe zeigte man sich auch vonseiten der EU-Kommission: Dass die Impfstoffe nicht eins zu eins nach dem Bevölkerungsschlüssel verteilt werden, sei nicht neu, sondern bereits bekannt. Der Grund dafür sei aber bei den Staaten selbst zu suchen, die in einem gemeinsamen „Steering Board“ die Dosen verteilen - dabei gebe es auch die Möglichkeit auf eigentlich vereinbartes Kontingent freiwillig zu verzichten - aufgrund von Bedenken über die Kosten sei dies in wenigen Fällen auch geschehen.
Die damit frei werdenden Dosen werden dann unter den restlichen Staaten verteilt. Davon hätte auch Österreich profitieren können - diese Option sei jedoch nicht gezogen worden. Man halte jedenfalls an dem Ziel fest, dass bis Ende des Sommers alle Erwachsenen in der EU geimpft seien, sagte ein Sprecher der EU-Behörde im täglichen Mittags-Briefing am Freitag. Die Impfstofflieferungen seien eine wichtige Komponente, aber nicht die einzige.
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