Rund um den 20. Geburtstag der deutschsprachigen Wikipedia hat sich eine Diskussion um die Mitwirkung von Frauen an dem Enzyklopädie-Projekt entsponnen. Im Rahmen einer digitalen Aktionswoche in Österreich und Deutschland gab es jüngst auch eine von der WU Wien und Wikimedia Österreich veranstaltete Aktion zum Thema „Mehr Frauen auf Wikipedia“. Ziel war es, die Präsenz von Frauen, insbesondere aus der Wirtschaft, in der deutschsprachigen Wikipedia zu erhöhen.
Claudia Garád, Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Wikimedia Österreich, räumt ein, dass die Wikipedia-Gemeinde auch hierzulande noch zu wenig divers ist. Auf etwa zehn bis 20 Prozent schätzt sie den Frauenanteil. Grundsätzlich sei aber zu sagen, dass es in der Wikipedia Beiträgerinnen und Beiträger frei steht, ihr Geschlecht preiszugeben und auch nur diese öffentlichen Daten erfasst werden.
Dies geschehe in vielen Fällen nicht, „weil man weiß, dass das einen Einfluss darauf haben kann, wie man behandelt wird“. Überhaupt sei die Diskussionskultur unter den Wikipedianern oft ein Problem, so Garád und verweist auf den rauen Ton, der in Diskussionen um Artikel oft herrsche. Auch sei die (oft einsame) Arbeit an Wikipedia-Artikeln „weniger sozial als andere ehrenamtliche Hobbys“, weshalb sich Frauen oft anderen Plattformen zuwenden würden.
Bearbeitung war früher kompliziert
Eine mögliche Hürde sei früher auch die komplizierte Bearbeitung direkt in Wikisyntax gewesen, was einige Menschen abgeschreckt habe. „Mittlerweile gibt es aber einen einfachen Editor, ähnlich wie bei Wordpress“, so Garád, die sich mit Wikimedia auch verstärkt dafür einsetzt, Schwellenängste für neue Beiträgerinnen und Beiträger abzubauen. So habe man auch in den Workshops der vergangenen Woche, an denen zahlreiche Frauen auch aus Wirtschaft und Wissenschaft teilgenommen haben, eine behutsame Einführung in die teils immer noch komplexen Abläufe gegeben.
Frauen sollen inhaltlich sichtbarer werden
Ein höherer Frauenanteil - „und überhaupt mehr Diversität, etwa bei der Herkunft“ - werde auch aus inhaltlichen Gründen angestrebt, um Leben und Werk von Frauen sichtbarer zu machen. Hier stoße man allerdings auch auf das „gesamtgesellschaftliche Problem“, dass es zu vielen weiblichen Persönlichkeiten deutlich weniger Quellen - wie auch Zeitungsberichte - gebe. „Und wir fassen ja nur zusammen und produzieren nicht neues Wissen“, unterstreicht Garád. So sei etwa der Aufschrei groß gewesen, als es zur Physik-Nobelpreisträgerin Donna Strickland, die 2018 ausgezeichnet wurde, keinen Wikipedia-Eintrag gab. „Der Grund war, dass bisher kaum über sie berichtet wurde“, kritisiert die Wikimedia-Geschäftsführerin.
Wenn es ein Film ist, in dem es über das Schicksal von Frauen geht, merkt man schnell, dass der Artikel von einem Mann verfasst wurde, weil zum Beispiel oft andere Aspekte in den Vordergrund gestellt werden
Claudia Garád, Wikimedia Österreich
Aber auch bei anderen Themen wie etwa Artikeln über Filme fehle der weibliche Blick oft. „Auch wenn es ein Film ist, in dem es über das Schicksal von Frauen geht, merkt man schnell, dass der Artikel von einem Mann verfasst wurde, weil zum Beispiel oft andere Aspekte in den Vordergrund gestellt werden“, so Garád. Da man bei Wikipedia jedoch keinen Kostendruck in Sachen Umfang habe, schade es nicht, Artikeln wie diesen weitere Aspekte hinzuzufügen. Jedenfalls sei es ein kontinuierliches Ziel, vermehrt Frauen als künftige Beiträgerinnen zu gewinnen.
In Österreich sind es etwa 575 Menschen, die regelmäßig Beiträge in der Online-Enzyklopädie leisten. Weltweit wird der Frauen-Anteil unter den Wikipedia-Aktiven auf 12 Prozent geschätzt, unter den neuen Mitwirkenden sind es aktuell rund 22 Prozent. Wikipedia-Projekte wie „Frauen in Rot“ für biografische Artikel und Kampagnen rund um den Frauentag sollen gezielt Frauen ansprechen. Bereits demnächst gibt es eine weitere Möglichkeit: Am Freitag (19. März) findet im Rahmen von #WikiGap ein Workshop in Zusammenarbeit mit dem Schwedischen Außenministerium sowie den Schwedischen Botschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt.
Quelle: APA
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