Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!
Ryan Adams - Wednesdays
Das Netz der Missbrauchsvorwürfe war zwar nicht so dicht wie bei Marilyn Manson, doch Ryan Adams kam die letzten Jahre nicht ohne Schrammen davon. Chats mit Minderjährigen sollten darunter gewesen sein, auch Branchenkolleginnen wie Phoebe Bridgers und Ex-Frau Mandy Moore zeigten sich über ihn schockiert. Adams selbst wurde noch nicht verurteilt, zeigte öffentlich Reue, steht aber ramponiert da. Daraus entstand das intimste und durchdringendste Album seht gut einer Dekade. „Wednesdays“ ist ein sanftes Manifest der Entschuldigung, das von Akustikgitarren, Pianoklängen und Geisterstimme getragen wird. Hat Adams Vergebung verdient? Wie geht die Sache weiter? Es bleibt ambivalent. Die Musik an sich, und um die geht es hier, ist aber großartig, einnehmend und mitfühlend. All das, was der Protagonist dahinter wohl nicht ist. 7,5/10 Kronen
Agent Steel - No Other Godz Before Me
Die Metalgemeinde weiß, dass John Cyriis zu den verrücktesten und abgedrehtesten Personen des Genres zählen. Der geborene Brasilianer gilt gleichermaßen als Genie und Legende im Power Metal, als auch als abgedrehter Verschwörungstheoretiker und geistig schwer umnachteter. Der Release des neuen Albums „No Other Godz Before Me“ kommt dann doch überraschend, ist es doch das erste Agent-Steel-Studioalbum seit geschlagenen 14 Jahren. Die irre Stimme hat er sich auch nach der Band-Reunion 2018 erhalten und mit dem neuen Werk geht er kompositorisch zurück in die 80er-Jahre, seine absoluten Heydays. Die verrückte Helium-Stimme erinnert partiell gar an den großen King Diamond. Man mag von Cyriis halten was man will, aber solche Alben macht außer ihm heute niemand mehr. Und „No Other Godz Before Me“ beweist - es gibt Platz dafür. 7/10 Kronen
Ziggy Alberts - Searching For Freedom
Hipper Schnauzer, samtweiche Stimme und eine ultralässige Attitüde - Ziggy Alberts ist mit seiner hemdsärmeligen und kumpelhaften Erscheinung so etwas wie das Paradebeispiel für einen australischen Musiker. Aus dem eigentlich schon ausverkauften Konzert im Wiener WUK wurde im April 2020 leider nichts, doch mit seinem neuen Studioalbum „Searching For Freedom“ ist zumindest einmal Material zur Überbrückung bis zur Wiederkehr vorhanden. Die immerwährende Suche nach Frieden und Freiheit ist in diesen Tagen wohl noch stärker ausgeprägt als sonst und gießt sich in sanfte, manchmal aber auch schon etwas zu melancholische Kompositionen. Anlehnungen an Landsmann Xavier Rudd oder Dermot Kennedy sind unübersehbar. Ein tröstliches Album in einer wenig tröstlichen Zeit. 6,5/10 Kronen
Arcade Fire & Owen Pallett - Her (Soundtrack)
Acht Jahre sind mittlerweile ins Land gezogen, seit Spike Jonze die Sci-Fi-Romanze „Her“ veröffentlichte und damals arbeiteten „Canada’s Finest“, Arcade Fire und Owen Pallett am Soundtrack. Für den klassischen und zutiefst melancholischen Score, der ganz ohne Gesang auskam, wurden die Kompositionsgenies einst völlig zurecht für den Oscar nominiert. Bevor Arcade Fire (letztes Album 2017) und Owen Pallett (kam letztes Jahr mit „Island“) ums Eck wieder auf neues Material setzen, wird dieses Kultwerk nun noch einmal gebührend auf allen gängigen haptischen und digitalen Plattformen in Szene gesetzt - und hat nichts von seiner Wirkung und Intensität eingebüßt! Ohne Bewertung
Aussichtslos - Völlig aussichtslos
Black Metal ist in einheimischen Gefilden weitaus verbreiteter als man das gemeinhin vermuten kann - nur schwappt er medial äußerst selten an die Oberfläche. Ein gutes Beispiel für österreichische Schwarzdeibelei ist das Debütalbum von - wie könnte man in dieser Zeit besser heißen? - Aussichtlos. „Völlig aussichtlos“ besteht aus sechs überlangen Songs, die sich viel Zeit zur Entfaltung lassen und in ihrer Mid-Tempo-Schwermütigkeit des Öfteren an die viel zu früh verblichenen Steirer von Hellsaw erinnern. Das Tremolopicking nimmt oft überhand, die im Pressetext vermerkte Nähe zu Finnland fällt mir weniger auf - oder ich höre schlichtweg den falschen Finnen-Black. Das monotone „Des Sommers Tod“ und „Nächstenhass“ fallen besonders auf. Roher, gediegener und hasserfüllter Black Metal aus heimischen Wäldern. Nur weiter so! 7/10 Kronen
Michel Banabila - Wah-Wah Whispers
Den 60er feiert der niederländische Soundästhet Michel Banabila kurz nach Ostern und um diesen Ehrentag gebührend zu feiern hat das Liehaber-/Spartenlabel Bureau B keine Kosten und Mühen gescheut, um die jüngere Vergangenheit auf der Werkschau „Wah-Wah Whispers“ noch einmal in den Vordergrund zu rücken. Bis auf einen Song reicht die Zusammenstückelung gänzlich auf Songs zurück, die er zwischen 2013 und 2020 schrieb und die - im Gegensatz zu älteren Werken des seit den frühen 80er-Jahre tätigen - doch sehr weit von „konservativen“ Genres wie Jazz entfernt ist und sich mit großer Liebe und Akribie in der Elektronik und dem New-Age-Kosmos suhlt. Eine gewisse Liebe zur Verschrobenheit und ein großes Toleranzempfinden sind hier jedenfalls vorausgesetzt. Ohne Bewertung
Jon Batiste - We Are
Wer sich rund um Weihnachten vom feinen Pixar-Animationsfilm „Soul“ (der auch Oscar-nominiert ist) verzaubern hat lassen, wird sich auch noch gut an die feinen Jazz-Klänge erinnern. Daran geschraubt hat Jon Batiste, der Bandleader in der TV-Show von Stephen Colbert ist, aktiv in der „Black Lives Matter“-Szene unterwegs ist und aus einer New-Orleans-Musikerdynastie kommt, wo quasi jedes Mitglied instrumental reüssieren kann. Genau diese eklektische, aber auch ungemein spannende Mixtur aus Jazz, R&B, Soul und modernem Hip-Hop lässt sein Album „We Are“ erstrahlen. Gäste wie Mavis Staples oder PJ Morton von Maroon 5 wären für das Name-Dropping gar nicht nötig, das Album funktioniert auch so hervorragend. Für klassische Feinspitze mit dem Mut zum Modernen. 7/10 Kronen
Bell Orchestre - House Music
Kinder, wie die Zeit vergeht. Mehr als zehn Jahre sind ins Land gezogen, seit das avantgardistische Montreal-Kollektiv Bell Orchestre mit der EP „Who Designs Nature’s How“ zu begeistern wusste. Auf dem neuen Werk „House Music“ zeigt sich das Impro-Gespann rund um die beiden Arcade-Fire-Mitglieder Sarah Neufeld und Richard Reed Parry so eklektisch, spontan und unfassbar, wie man es sich als Fan wünschte und erhoffte. Hypnotisch arbeitet sich das kontemplative Schaffen durch die Gehörgänge und als Fan oder aufgeschlossener Musikliebhaber ist man mit einem Füllhorn an Kreativität konfrontiert. Immer wieder zischen unerwartete Instrumente durch oder lassen Rhythmuswechsel neuartige Klangsphären aufleben. „House Music“ wirkt wie eine vertonte Redaktionssitzung des „Mad Magazines“. Das muss man mögen, aber es lohnt sich. 7/10 Kronen
Andrea Bignasca - Keep Me From Drowning
Die Schweizer Musikszene ist hierzulande nicht sonderlich ausgeprägt, aber Rockfans stießen vor einigen Jahren vielleicht über die Band Vermillion Rouge. Von dort spaltete sich vor neun Jahren Andrea Bignasca ab, um via Sony Music eine Solokarriere zu starten. Beim Majorlabel hat es nicht so lange geklappt, aber musikalisch hat ihn die Rückbesinnung auf Indie-Pfade gutgetan. „Keep Me From Drowning“ ist ein mitreißendes, intimes und atmosphärisch dichtes Singer/Songwriter-Album, auf dem er sich stimmlich zwar manchmal etwas zu weit aus dem Fenster lehnt, aber eine untrügliche 90s-Stimmung verbreitet. Wie es der Titel schon andeutet geht es um das Strampeln und Überleben in einer Welt, die voller Tücken und Gefahrenherde ist. Ein metaphernreiches Werk voller interessanter Wendungen. 7/10 Kronen
Black Honey - Written & Directed
Aus der britischen Kreativmetropole Brighton stießen vor gut drei Jahren die Youngsters von Black Honey in den Rockhimmel. Für das so wichtige Zweitwerk „Written & Directed“ hat sich das Quartett viel Zeit gelassen und - wie es der Name schon prophezeit - die Liebe zur visuellen Umsetzung entdeckt. Das Album ist eine einzige Hommage an Filmklassiker und vor allem bei malerischen Songs wie „Gabrielle“ oder „I Do It To Myself“ eine einzige Hommage an Roadmovies und Tarantino-Chic. Dazwischen ist zum Glück auch noch genug Platz für etwas New Wave, eine Spur Post-Punk, 50er-Surf-Gitarren und Alternative-Rock-Anleihen („Summer Of ‘92“), die aber nie dreckig genug für Grunge sind. Das liegt vor allem an der zarten, aber eindringlichen Stimme von Frontfrau Izzy Phillips, die geschickt zwischen Lana Del Rey und Nancy Sinatra hin- und herspringt. Schade, dass dieses frische, spannende Werk wohl an der Pandemiestarre verpufft. 7,5/10 Kronen
Blanketman - National Trust EP
Was kommt dabei raus, wenn man Joy Division und The Smiths kreuzt, man eine etwas tieferliegende Stimme von Liam Gallagher dazugibt und all das mit futuristischen Surf-Gitarren vermengt? Richtig, Blanketman. Das Quintett aus Manchester schickt sich an, das nächste „große Ding“ aus dem unerschöpflichen Quell britischer Populärmusik zu werden und legt mit „National Trust“ einen ersten Appetizer vor, der mit seiner schonungslosen Vergangenheitskante und der befreiten Instrumentierung auf jeden Fall Lust auf mehr macht. Mit „Dogs Die In Hot Cars“ hat man sogar einen richtigen Ohrwurm am Start, der so perfekt auf die wohl leider leeren Festivalbühnen dieses Sommers passen würde. Dieses erste Ausrufezeichen ist aber ein ordentliches! Ohne Bewertung
The Blue Stones - Hidden Gems
Rockfans erinnern sich noch an das Debütalbum der Kanadier The Blue Stones. „Black Holes“ war ein feines, aber auch sehe eklektisches Werk des Duos, das darauf eindeutig auf der Suche nach der eigenen Soundidentität war. Abhilfe geschaffen hat das Treffen mit Twenty-One-Pilots-Produzent Paul Meany, der auf dem Zweitwerk „Hidden Gems“ die entscheidenden Schrauben zog, um Tarek Jafar und Justin Tessier in die für sie richtige Richtung zu lenken. Die hohe Diversität ist noch immer hörbar, aber die Blue Stones anno 2021 sind eingängiger, zugänglicher und sicher auch mainstreamtauglicher. Ob das der richtige Weg im künstlerischen Sinne ist, bleibt abzuwarten - kommerziell ist es wohl eine kluge Entscheidung. Auch wenn die Ecken und Kanten hier sehr abgehen. 6/10 Kronen
Chinah - Feels Like Forever
Das grandiose Debütalbum „Anyone“ hätte vor drei Jahren schon viel mehr Aufmerksamkeit verdient, aber wie es im Leben eben oft so ist, es geht nicht von selbst. Die Konkurrenz ist groß und auch eine globalisierte Welt ist leider keine Garantie mehr für allumfassenden Erfolg. Dabei hätte es das Kopenhagener Trio Chinah wirklich verdient, wie sie auch auf dem Zweitwerk „Feels Like Forever“ beweisen. Getragen von der zarten Stimme der Frontfrau Fine Glindvad bewegen sich die Dänen irgendwo zwischen Ambient-Elektronik, R&B, Folk und Art-Pop, verlieren aber niemals die Nachvollziehbarkeit zwischen den einzelnen Songs. „Feels Like Forever“ spielt freilich auf die Pandemie an und rückt in den Vordergrund, wie man mit geistigem Überfluss in einer Welt des erzwungenen Stillstands umgehen kann. Seid bereit für träumerische Landschaften. 7/10 Kronen
Harry Connick jr. - Alone With My Faith
Mit den Tücken der Pandemie ging jeder anders um. Der amerikanische Songwriter, Pianist und Stimmenjesus Harry Connick jr. war von der spontanen Lebensveränderung vor einem Jahr so mitgenommen, dass er sich mit seinem tiefen Glauben in sein Home-Studio einschloss und seiner Kreativität freien Lauf ließ. „Alone With My Faith“ heißt das Ergebnis, das Fans des Künstlers auf jeden Fall zufriedenstellen wird. Darauf geht es die meiste Zeit sehr sakral zu, aber neben der religiösen Überpackung an Material bliebt auch genug Zeit, um die feine Produktion und die wirklich hervorragende Gesangsleistung zu bewundern. Die Liebe zum Glauben muss man aber schon mitbringen, sonst könnte man von diesem Album inhaltlich etwas überfordert sein. Ohne Bewertung
Depths Of Hatred - Inheritance
Zwei Alben haben die kanadischen Death Metaller bislang zu Buche stehen, das letzte davon ist mittlerweile sieben Jahre alt. Was auch immer in den letzten Jahren passiert ist - es war nicht viel. Während Corona haben Depths Of Hatred auch intern adaptiert und sich mit William Arseneau einen neuen Brüllwürfel ins Boot geholt. Sängerwechsel ist gemeinhin immer riskant, aber da die Truppe ohnehin schon immer in der B/C-Liga spielte, hielt sich das Risiko in Grenzen. „Inheritance“ ist dann auch eine recht zeitlose Deathcore-Platte mit traditionellen Death-Metal-Einlagen, viel Geblaste, tief gestimmten Vocals und rasanten Riff-Abfahrten. Dazu gibt’s immer wieder umstrittene Clean-Vocals. Naja, das Album verdient keinen Innovationspreis. 5/10 Kronen
Dvne - Eternen Aenka
Hobby-Ägyptologen können sich freuen, denn die schottischen Wüstenplaneten-Fanatiker von Dvne veröffentlichen mit „Eternen Aenka“ ihr zweites Album und bewegen sich dort wieder in babylonischen und sanskritischen Konzeptwelten. So wohlüberlegt das Ganze inhaltlich ist, so sehr bemüht sich das Edinburgh-Kollektiv auch musikalisch, möglichst aus allen möglichen Bereichen herauszutreten. Sludge, Doom Metal, Post-Metal-Strukturen und Alternative-Rock-Zitate sind hier mehr oder weniger gleichberechtigt erlaubt und erwünscht und vermitteln ein sehr dichtes Klanggefühl, das im Endeffekt leichter zu fassen ist als es hier niedergeschrieben den Anschein machen würde. Mastodon dienten sicher als Paten, aber eigentlich lassen bei Songs wie „Court Of The Matriarch“ oder „Asphodel“ keine Vergleiche ziehen. Nehmt euch Zeit und fließt ein. 6,5/10 Kronen
Ego Kill Talent - The Dance Between Extremes
„Oft geht blöd“ sagt der gemeine Volksmund und meint damit garantiert Ego Kill Talent. Die brasilianischen Rocker, die sich über die letzten Jahre fleißig ein Standing im Rock-Business erarbeitet haben, hätten statt Corona-Pandemie mit Greta Van Fleet, Metallica und System Of A Down durch Südamerika und Europa touren und nebenbei noch die großen Festivalbühnen einnehmen sollen. Das dazugehörige Album „The Dance Between Extremes“ teilte man in der Notsituation auf drei EPs auf, jetzt ist der Zyklus beendet und mit etwa einjähriger Verspätung gibt’s das Gesamtpaket zu bestaunen. Mit Innovation glänzen die Burschen zwar nicht, aber für Fans der Foo Fighters, Chevelle und, wenn es etwas progressiver wird, Nu-Metal-Oldies. Nichts für ungut, aber Ego Kill Talent sind ein personifizierter Grund, warum man der Rockmusik heute Redundanz und Zahnlosigkeit vorwirft. 5/10 Kronen
Embryonic Slumber - In Worship Our Blood Is Buried
V-KhaoZ und Hellwind nennen sich die zwei irren Finnen, die hinter dem brandneuen Projekt Embryonic Slumber stecken und im skandinavischen Underground mit ihren Bands Vargrav, Sargeist und Druadan Forest für Aufsehen sorgten. „In Worship Our Blood Is Buried“ geht in den Einzelsongs nur selten unter neun Minuten aufwärts in die Ziellinie und braucht diese viele Luft auch, um die üppigen Kompositionen richtig zu atmen. Ritualistisch-okkulte Zwischenrufe zerstören den Schwung des elegischen Klangbilds aber immer wieder und der kosmische Soundaspekt, der sich mit feinen Elektronika vermengt ist zwar interessant, aber noch etwas unausgegoren. Der Ansatz von Embryonic Slumber ist kein schlechter, aber der Umsetzung fehlt es etwas an Atmosphäre und Dringlichkeit. 6/10 Kronen
Feculent - The Grotesque Arena EP
Bandshirts prominent ins Licht gerückt, Kopf geneigt, Tätowierungen gut sichtbar und die langen Matten hängen tief über die Antlitze. Was vor 30 Jahren zu den frühen Hochzeiten des Death Metal als optische Verkaufsmasche klappte, hat auch heute nichts von seiner Wirkung verloren. Vor allem dann, wenn auch die Musik bolzt. Feculent ist ein junges Gespannt aus Queensland in Australien und rüpelt derart kompromisslos und herb durchs Unterholz, dass man sich bei Kopfhörer-Lauschgenuss unmittelbar die Gehörgänge zerfurcht. In den schnellen Phasen erinnert das an Cryptopsy oder Deicide, wenn das Tempo rausgenommen wird, eifern die jungen Buben auch mal Obituary nach. Ein Festmahl des Abartigen, das so einiges für die Zukunft verspricht. Ohne Bewertung
Friedberg - Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah EP
Mit „Yeahs“ wird nicht gegeizt, aber das ist auch gut so. Anna Wappel, gebürtige Oststeirerin, hatte lange mit dem Musenschatten von Lenny Kravitz zu kämpfen, obwohl sie schon als Anna F. im In- und Ausland immer wieder ablieferte. Aber sie musizierte eben auch vor Wanda, Bilderbuch und Co. und da galt der Prophet im eigenen Land wenig bis gar nix. Nun hat sie ihren Lebensmittelpunkt nach London verlegt, profunde Musikerinnen um sich geschart und ist auf dem Weg, als Friedberg doch noch groß durchzustarten. Die Songs dafür hat sie auf ihrer ersten Vorstellungsrunde. Mal etwas mehr Shoeganze, mal mehr New Wave, dann wieder etwas Rock’n’Roll-Gestus, aber nachvollziehbare Pop-Melodien und eine internationale Klangqualität dienen als gemeinsamer Nenner. Das verspricht für das Album später im Jahr doch einiges. Warten wir ab. Ohne Bewertung
Fuath - II
Aus dem Gälischen übersetzt bedeutet Fuath Hass und damit weiß man eigentlich auch schon, wo man bei diesem Ein-Mann-Projekt aus Glasgow dran ist. Der Schotte Andy Marshall ist eindeutig Liebhaber von atmosphärischen Black-Metal-Klängen und sieht sein auditives Seelenheil im melodischen Segment verankert. Schon das wirklich feine Cover-Artwork zieht den Hörer automatisch in den Bann, die Musik kann damit nicht mehr vollständig Schritt halten. Meist mäandern die Songs im Mid-Tempo-Bereich und die Produktion ist angenehm ursprünglich gehalten, ohne zu sehr in das Rohkorsett der 90er-Jahre zu reichen. Auf Langstrecke zieht sich leider doch etwas Langeweile durch die einzelnen Songs, aber Fuath ist ja noch im Frühstadium. Der Weg ist gut. 6,5/10 Kronen
Jay-Jay Johanson - Rorschach Test
Seit mittlerweile 25 Jahren begeistert uns der Schwede Jay-Jay Johanson mit elegischen und melancholischen Klängen, die sich irgendwo zwischen Trip-Hop und sanftem Jazz befinden und imaginäre Landschaften in den Köpfen der Hörer heraufbeschwören. Der sanfte Crooner mit der Goldstimme begibt sich auf seinem neuen Album „Rorschach Test“ wieder zurück zu den Frühzeiten, als fuzzy Pianoklänge und sanftmütige Percussion-Klänge vor eine besonders eindringliche Atmosphäre sorgten. Auf dem 13. Werk ist auch Platz für Gospel-Anklänge („Amen“) oder reine Instrumentalstücke („Andy Warhol’s Blood For Dracula“). Etwas mehr Rotwein als üblich und die erzwungene Pandemieruhe hätten zu diesem Werk geführt. Das hört man ihm in positiver Art und Weise auch an. 7,5/10 Kronen
Kankar - Dunkle Millennia
Irgendwo aus den Untiefen des Thüringer Waldes stammen die hier vorliegenden Kankar, deren Debütalbum „Dunkle Millennia“ passend auf dem benachbarten Spartenlabel Eisenwald gelandet ist. Ein großes Ausscheren in andere Stilfragmente oder das Hinzufügen von all zu viel Emotion, Post-Rock oder leidendem New Wave ist bei Kankar nicht zu verorten, sie pflegen lieber die alten Werte des Black Metal und machen dies zwar kundig, aber auch oft unspannend. Gewöhnungsbedürftig sind wie immer auch die deutschen Texte, die aber in Songs wie „Krater in Sarx“ oder „Festmahl für die Krähen“ durchaus gelungen aus den Boxen klingen. Schwer festzumachen, aber irgendwo fehlt es Kankar einfach am nötigen Etwas, um wirklich nachhaltig überzeugen zu können. 6/10 Kronen
Kardinator - Rasenmäher
Prinzipiell schon schön, wenn sich in Zeiten von Robotern noch jemand die Mühe macht, konservativ mit dem Rasenmäher zu mähen, doch das war es auch schon mit dem Konservatismus. Kardinator besteht aus dem Mostviertler MC Kardinal Kaos und Beatbastler Alligatorman und zelebriert den immer salonfähigeren Mundart-Rap mit funky Beats und der Liebe zur Gesellschaftskritik. In Songs wie „Australopithecus“ oder „The World is oasch“ arbeitet man sich mehr oder weniger auch an den nationalen Gegebenheiten ab und lässt auch sonst frei Schnauze walten, wo es notwendig und passend ist. Rasenmäher zusammenbauen lernt man auch noch, was will man mehr? 7/10 Kronen
Sofia Kourtesis - Fresia Magdalena EP
Dancefloor-Musik tut der Seele gut. Sofia Kourtesis sei Dank können wir für 27 Minuten darüber hinwegsehen, dass Pandemie und Schneefall wüten und wir letztes Jahr zur gleichen Zeit etwa 20 Grad Celsius hatten. Ihre EP „Fresia Magdalena“ ist nämlich so leichtfüßig und hoffnungsfroh, dass man gar nicht kann als zu zappeln und gute Laune zu haben. Die aus Peru stammende Wahl-Berlinerin ließ sich von Heimat und Familie inspirieren, um pulsierende Tracks mit sommerlichen Beats und warmherzigem Gesang zu vermischen. Retro-Synthis, Kick-Drums, warme Melancholie wenn es intensiv sein soll und kühle DJ-Ästhetik, wenn es einfach nur abgehen soll. In relativ kurzer Zeit vereint Kourtesis alles, was es für einen gelungenen Club-Abend braucht. Herrlich. Ohne Bewertung
Daniel Lanois - Heavy Sun
Monsignore Lanois ist natürlich alles andere als ein Unbekannter und vor allem als Produzent für illustre Namen wie Bob Dylan, U2 oder Peter Gabriel bekannt. Elektronik-Pionier Brian Eno kann der bald 70-Jährige sogar als engen Freund bezeichnen und elf Grammys sprechen auch für sich. Doch der Kanadier hat alle paar Monde auch selbst Lust aufs Musizieren und veröffentlicht dieser Tage mit „Heavy Sun“ ein Album, das tief in seine musikalische Früherziehung zurückreicht und sich aus Gospel- und Orgelklängen speist. Diese zeitlose Soundlandschaft verquickt er mit zeitgemäßer Elektronik, wodurch Lanois eine interessante Mixtur aus Zeitlosigkeit und moderner Prägung gelingt. Wichtig ist ihm dabei die Botschaft des Miteinander und der Gemeinschaftlichkeit. Eben das, was uns gerade so verwehrt bleibt. Ein schönes Corona-Hobbywerk das tröstet und umarmt. 6,5/10 Kronen
Lunar Shadow - Wish To Leave
Mit ihrem Zweitschlag „The Smokeless Fires“ waren die Westdeutschen von Lunar Shadow vor zwei Jahren drauf und dran, das schon totgeglaubte Epic-Heavy-Metal-Genre quasi im Alleingang wieder zu reanimieren. Die Mischung aus Atlantean-Kodex-Epik, Dark-Forest-Verspieltheit und frühen Melodic-Death-Metal-Gitarren á la Mid-90s-In-Flames schmeckte wirklich vorzüglich. Es war zu erwarten, dass man dieses Level nicht durchziehen wird können und „Wish To Leave“ bestätigt diese Vorahnung. Doch nicht verzagen, Lunar Shadow sind mit ihrem Sound und der mutigen Einspielung von elektronischen Elementen noch immer allein auf weiter Szeneflur und lassen nun eben auch noch Post-Punk oder Tribulation einfließen. Mut gehört belohnt, auch wenn man die Puristen damit eher nicht wird halten können. 7,5/10 Kronen
Loretta Lynn - Still Woman Enough
89 (!!) Jahre alt wird Loretta Lynn in wenigen Wochen, aber die Country-Legende hat noch lange nicht genug und legt mit „Still Woman Enough“ tatsächlich ihr 50. Studioalbum vor. Schon allein die Zahlen flößen größten Respekt ein, doch auch musikalisch geht hier alles auf. Nicht in die Irre leiten lassen darf man sich vom eher bluesigen Opener mit Reba McEntire und Carrie Underwood als Gäste, denn ab „Keep On The Sunny Side“ oder „Honky Tonk Girl“ weg geht es sehr traditionell zu und die Legende bewegt sich in den gewohnten Fahrwassern einer June Carter. Prinzipiell ist das Album freilich eine Rückschau auf ihre einzigartige, sensationelle Karriere, aber auch ein Beweis, dass man im biblischen Alter noch immer 40 Jahre jünger klingen kann. Bleiben Sie gesund, Miss Lynn. Ohne Bewertung
Mint Julep - In A Deep And Dreamless Sleep
Wie wundervoll Ehepaare künstlerisch funktionieren können merken wir in diesen Tagen mehr (Son Of The Velvet Rat) oder weniger (Blackmore’s Night) gut. Hollie und Keith Kenniff aus der musikalischen Hipster-Metropole Portland in Oregon gehören jedenfalls zu ersteren. Anstatt dem Pfad des großspurigen Pop-Ethos des Letztwerks „Stray Fantasies“ zu folgen und die imaginären 80s-Tanzflächen zum Glühen zu bringen, entscheiden sich die beiden auf „In A Deep And Dreamless Sleep“ auf „Corona-Atmosphäre“ im besten Sinne. Shoegaze, Dream Pop und - wenn man so will - malerischer Ambient geben sich die Klinke in die Hand und treiben in Form von Songs wie „In The Ocean“ oder „A Rising Sun“ unglaublich attraktiv durch die Gehörgänge. Interessant: etwa zur Halbzeit zieht man die Geschwindigkeitsschraube an und lädt in die Indie-Disco. Nicht nur für Fans der Cocteau Twins ein Festmahl! 8/10 Kronen
Nachtig - Der stille Wald
Gerade im Black-Metal-Kosmos, der beim Großteil seiner Fans von kompositorischer Starrköpfigkeit und konservativen Haltungen lebt, ist es immer wieder beeindruckend, wie sehr sich jüngere Künstler auf die Großen der Vergangenheit besinnen können und trotzdem ihre eigene Farbe einzubringen wissen. Das bayrische Ein-Mann-Projekt Nachtig etwa klingt so sehr nach Nargaroth und 90er-Jahre-Norwegern aus dich bewaldeten Lagerfeuerhütten, dass man einzig und allein am zeitgemäßen und sehr fein produzierten Klang einen Unterschied heraushört. Das ist sicher gewollt und die Formel geht auch auf. Mastermind V.V. nimmt uns mit zu „Berg und Tal“, wir schreiten „Im hohen Gras“ und klammern uns an der alten Formel „Wenn die Hoffnung stirbt…“ - das alles passiert so true, sägend und melancholisch wie man es von früher kennt und liebt. Und dazu auch noch dieses Artwork… Hach, da springt das Liebhaberherz. Monotonie ist Trumpf! 7,5/10 Kronen
Necrotted - Operation: Mental Castration
Ein kurzer Blick auf die Gästeliste genügt eigentlich bereits um zu wissen, was hier so getrieben wird. Im unzweideutig betitelten „Asocial Media Whore“ hört man Julian Truchan von Benighted, „Happy Dysphoria“ wird von Cytotoxin-Fronter Grimo veredelt und genau in diese Kerbe schlagen auch die Baden-Württemberger von Necrotted. Doublebass-Salven und Blastbeat-geschwängerter Deathgrind mit feinen Core-Anleihen und leichten Ausschlenkern in Richtung Brutal Death Metal. Eine tief gestimmte Schlachtplatte mit viehischer Präzision und enormer Durchschlagskraft. Vom Gros des reichhaltigen Genres hebt sich das Gespann etwa durch Songs wie „Compulsory Consumption“ hervor, dass die letzten Benighted-Alben, muss man so sagen, mühelos überholt. Ein Festschmaus für Genre-Aficionados. 7,5/10 Kronen
New Pagans - The Seed, The Vessel, The Roots And All
Natürlich kommen einem die Riffs bekannt vor, wenn man sich vom Opener „It’s Darker“ vereinnahmen lässt, aber besser gut geklaut als schlecht erfunden. Auf die Nordiren von New Pagans trifft das jedenfalls zu, denn deren launig „The Seed, The Vessel, The Roots And All“ benanntes Debütalbum bringt eine gewisse Frische und Dringlichkeit in das Gitarrengenre, die man in der Gegenwart viel zu selten vernimmt und erlebt. Ihre Mitstreiter sind zwar schon banderfahren, aber Frontfrau Lyndsey McDougall ist taufrisch, weil sie sich von den „I don’t care“-Bands da draußen angeekelt fühlt. Den New Pagans, zwei Frauen, drei Männer, ist überhaupt nichts wurscht. Sie maändern geschickt zwischen Sonic Youth, den Pixies und den Breeders und bringen Gegenwartsgesellschaftskritik und juvenile Angepisstheit an die Front. Melodien sind den Belfastern aber wichtiger als Distortion und genau das macht die Magie der Tracks aus. Die New Pagans sorgen für das frischeste und spannendste Rockalbum dieses Jahres. 8/10 Kronen
Olde - Pilgrimage
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Die kanadischen Lavaklangkünstler von Olde haben ihren Stoner-Sound einer kleinen Generalüberholung unterzogen und die Aggressionsschraube gewaltig angezogen. Auf dem brandneuen Drittwerk „Pilgrimage“ wühlt das Quintett aus Ontario bewusst tief im Sludge-Sumpf und erinnert deutlich mehr an High On Fire denn an Kyuss, wie es etwa vor vier Jahren bei „Temple“ der Fall war. Songs wie „The Dead Hand“ oder „Under Threatening Skies“ sind partiell so bleischwer und fordernd, dass jeder Anflug von guter Laune spontan aus dem Gesicht gewischt ist. Manche mögen ihre Musik eben abgründig, derb und lebensverneinend. Eigenständigkeit ist hier leider kein Trumpf, aber das Handwerk stimmt. 6,5/10 Kronen
Die P - 3,14
Leser dieser Rubrik erinnern sich vielleicht noch an die Vorstellung der ersten EP der Bonner Rapperin Die P. Nun ist es endlich soweit und ihr Debütalbum hält den vielen Vorschusslorbeeren nahezu mühelos stand. Benannt nach der Zahl Pi (eh klar), begeistert sie mit Street-Rap der alten Schule, der aber nicht auf dicke Hose und Effektheischerei macht, sondern mit Wortwitz, intelligenten Inhalten und handwerklichen Skills überzeugt. Die Bässe dröhnen dabei extrem tief und auf zeitgeistige Unnötigkeiten wie Autotune oder Trap-Beats wird angenehmerweise komplett verzichtet. In Songs wie „Genug“, „Hood 53“ oder „Niemand kann mir sagen“ echauffiert sie sich über ihre Heimat, den grassierenden Rassismus und die harsche Alltagsrealität. Alles nicht neu, aber ungemein herzhaft und geschickt gemacht. 7,5/10 Kronen
Papa Roach - Gratest Hits Vol. 2: The Better Noise Years
Wer Stachelkopf Jacoby Shaddix und seine Papa Roach noch immer ausschließlich mit „Last Resort“ verbindet hat zwar einerseits nicht ganz Unrecht, aber die letzten 20 Jahre Erfolg der Nu-Metal-Kultfiguren schlichtweg verschlafen. Wie viel da passiert ist hört man nicht zuletzt auf „Greatest Hits Vol. 2: The Better Noise Years“. Darauf finden sich zwölf der größten Top-10-Hits der letzten Banddekade, dazu noch Akustikversionen, Remixes und ein Gastauftritt von Asking Alexandrias Danny Worsnop - eben alles, was man für ein rundes und umfassendes Coronaprodukt so braucht. Eine schöne Rückschau auf eine Sommerfestival-Stammband, die doch bunter und spannender komponierte, als es die Hater oft wahrhaben wollen. Aber wirklich brauchen tut man diese Compilation natürlich nicht. Ohne Bewertung
Pierce With Arrow - Shatter
Achtung. Scheuklappen aufsetzen, Realität ausblenden und ab in eine Welt voll Paranoia, industriellem Gehämmer und technoider Dissonanz. So könnte man die Klangreise in die Welt von Pierce With Arrow bezeichnen, die auf „Shatter“ klanglich das mixen, was die zwei dahinterstehenden Protagonisten prophezeien. Nämlich der amerikanische Minimal-Techno-Pionier Troy Pierce und die kolumbianische Künstlerin Natalia Escobar aka Poison Arrow deren audiovisuelle Herangehensweise sich perfekt mit den hypnotischen Klängen des Klangfetischisten paart. Der perfekte Soundtrack für horröse Corona-Albträume. Man muss sich nur fallen lassen können, in diesen feinen Sound des Schreckens. 7/10 Kronen
Sarkrista - Sworn To Profound Heresy
Klar, Schleswig-Holstein ist von Finnland nicht mehr ganz so weit entfernt, aber das eine Black-Metal-Combo aus dem hohen Norden Deutschlands derart akkurat nach der finnischen Lehre klingt, ist auch eher selten. Sarkrista gehen auf „Sworn To Profound Heresy“ keinen Deut von ihrem über die letzten Jahre eingeschlagenen Weg ab und klingen phasenweise dermaßen klar nach Sargeist, Satanic Warmaster oder Horna, dass man die geografischen Unterschiede noch nicht einmal per genauem Kopfhörerstudium herausfiltern kann. Hymnen wie „Ablazing Ritual Torches“, „The Chosen Ones Of Satan“ oder „The Beast Reborn“ huldigen dem Gehörnten aber in großartiger Art und Weise. Der sich wie ein roter Faden durch alle Kompositionen ziehende rote Faden gefällt auf Dauer besonders gut, weil er Sarkrista Ordnung bringt. Melancholische Dynamik auf den Punkt gebracht. 7/10 Kronen
Saxon - Inspirations
Auch wenn man es aus heutiger Perspektive kaum glauben mag, aber natürlich haben auch Metal-Dinosaurier wie Saxon Idole, die sie zur Musik gebracht haben. Da mag Frontmann Biff Byford noch so nahe an einer normalen Rente sein, für eine ehrliche Verbeugung vor seinen Helden reicht es auf „Inspirations“ noch immer. Die Überraschungen halten sich dabei in Grenzen („Paint It Black“ der Rolling Stones, „Speed King“ von Deep Purple oder Led Zeppelins „Immigrant Song“), aber dieses Album ist auch ein Werk von Fans für Fans und keine ausgefeilte neue Studioplatte. Mit diesem nicht unwichtigen Detail im Hintergedanken kann man sich fallen lassen und die Klassiker der frühen Rockgeschichte noch einmal selbst abfeiern. Soll uns nichts Schlimmeres passieren! Ohne Bewertung
Timo Scharf - Everything Ever Always Is All Forgotten EP
Frei herausgesagt: man tut den lieben Kollegen aus Deutschland nicht Unrecht, wenn man ihre Gleichförmigkeit in der Popmusik beklagt. Aber, wie auch sonst überall, muss man eben auch mal hinter die Kulissen schauen und sich nicht nur an der Oberfläche aufhalten, denn dort finden sich auch Preziosen wie Timo Scharf. Der klingt auf seiner feingliedrigen EP „Everything Ever Always Is All Forgotten“ so international und authentisch wie nur irgendwie möglich. Der Braunschweiger Weltenbummler mit Wahlheimat Edinburgh leidet eindeutig am erzwungenen Daheimbleiben, das hört man Songs wie „Groundhog Day“ oder „Shadow Boxing“ auch zu jeder Zeit heraus. Wir leiden mit und hoffen auf ein Livekonzert mit Timo. Das hier ist nämlich ganz großes Songwriter-Kino. Ohne Bewertung
Ringo Starr - Zoom In EP
An den Beatles herumzumäkeln ist immer gefährlich, man weiß es. Genauso weiß man aber auch, dass Drummer Ringo Starr vor allem musikalisch stets in seichteren Gewässern fischte und seinem kultigen Kollegentrio da nie wirklich das Wasser reichen konnte. Das wird uns bei der brandneuen EP „Zoom In“ einmal mehr ins Gedächtnis gerufen, denn außer Name-Dropping passiert hier herzlich wenig. Über die fünf Songs verteilen sich Gäste wie Paul McCartney, Dave Grohl, Sheryl Crow oder Chris Stapleton, Co-Writer sind u.a. Diane Warren oder sein Stiefbruder Joe Walsh. Ansonsten blickt er mit dürftiger Stimmleistung nostalgisch auf die Zeit vor Corona zurück und verpackt die Songs in schmalzige und pathetische Pop-Strukturen. Würde hier nicht der Beatles-Sticker draufkleben, würde kein Hahn danach krähen. Ohne Bewerbung
Sting - Duets
Lockdown ist, Touren nicht möglich und die Kreativität kann man auch nicht einfach so erfinden. Ein Superstar wie Sting könnte natürlich auch nichts tun, aber so ganz ohne geht es auch nicht. Also hat er die besten Duette aus seiner reichhaltigen Karriere zusammengefasst, sie mit einem bislang unveröffentlichten Song namens „September“ mit Zucchero verstärkt und daraus ein Album namens „Duets“ gemacht. Das wollte er schon im Herbst rausbringen, aber etwas „livewirksamer“ auf März verschieben - hat halt leider nichts gebracht. Die Qualität hält sich die Waage, aber besonders die Songs mit dem verstorbenen Charles Aznavour und Julio Iglesias, wissen zu überzeugen. Sein Reggae-Kumpel Shaggy wirkt irgendwie immer noch leicht befremdlich und manchmal („It’s Probably Me“ mit Eric Clapton) ist der Partner auch nur Instrumentalist. Schöne Werkschau. Ohne Bewertung
Serj Tankian - Elasticity EP
Angesichts der US-politischen Querelen, die im Bandcamp von System Of A Down herrschen, hat man fast schon vergessen, dass sie letztes Jahr zwei durchaus amtliche neue Tracks vorlegten. PR-Strategie gone bad, könnte man sagen. Frontmann Serj Tankian, das linke Gewissen der armenisch-stämmigen Metal-Combo, macht jedenfalls vorerst solo weiter und ist mit seiner EP „Elasticity“ dem Grundsound seiner Hauptband gar nicht sonderlich fern. Die im Titel angesprochene Elastizität liegt vor allem in Tankians Stimme und auch sonst sind alle Ingredienzien für Bandfans vorhanden. Exaltierte Rumpelpassagen, obskure Babystimmen, gehetztes Gesinge, durchdringende Rock-Riffs und eine alles in allem sehr zeitgenössische Herangehensweise. Gleichermaßen an die eigene Legende und die noch ungewisse Zukunft. SOAD-Fans werden freudig im Kreis springen. Ohne Bewertung
Thorium - Empires In The Sun
Wow, ich habe fast schon vergessen, wie wirklich geiler Heavy Metal klingt. In Zeiten, wo die meisten Bands sich irgendwo zwischen symphonischen Kitsch, Redundanz oder Ideenlosigkeit bewegen, tut das belgische Kollektiv von Thorium richtig gut. Freilich, die Nähe zu alten Helloween oder Gamma Ray ist natürlich ausgeprägt, aber was die Truppe rund um das einstige Ostrogoth-Gitarrentrio auf „Empires In The Sun“ an Spielfreude, Riff-Kanonaden und purer Lust am Tun vermitteln, motiviert automatisch zum Faustrecken und Luftgitarrespielen. Hier sägen die Songs unwiderstehlich in die Gehörgänge und lassen ein schönes Gefühl von echter, ursprünglicher HM-Nostalgie aufkommen. Kann schon was, sehr gelungen. Noch ein bisschen mehr Dreck und Kantigkeit, dann passt‘s. 7,5/10 Kronen
Trollfest - Happy Heroes EP
Trollfest und Napalm Records - das passt wie die Faust aufs Auge. Da schlechter Geschmack, dort mehrfach bewiesene Geschmacksverwirrung. Das norwegische Kasperltheater von Trollfest verstört die Heavy-Metal-Musikszene schon seit geraumer Zeit und da es ausreichend Zuspruch gibt, werden wir die Herren auch leider noch länger nicht loswerden. Der neueste Streich ist ein astreines Lockdown-Produkt und nennt sich „Happy Heroes“. Darauf zu hören? Ein eigenkomponierter Song über Troll-Superhelden und drei Coverversionen zwischen den Eurodance-Legenden Aqua und Pharrell Williams. Sich zu schütteln hilft da auch nicht mehr wirklich weiter. Unfassbarer, nicht in Worte zu kleidender Schrott. Ohne Bewertung
U.D.O. - Live In Bulgaria
Accept mit Udo Dirkschneider oder doch die neue Variante mit Mark Tornillo am Mikro? Die Heavy-Metal-Welt spaltet diese Frage seit geraumer Zeit, doch das Gute ist ja, man bekommt beides, wenn man will. U.D.O. ist seit vielen Jahren solo unterwegs und zeigt, wenn auch mit weniger Rampenlicht, immer noch souverän, was in ihm steckt. „Live In Bulgaria“ wurde tatsächlich im September 2020 in Plovdiv aufgezeichnet, also genau zwischen den beiden schweren Lockdown-Strängen. In Osteuropa ist man da nicht ganz so genau, deshalb war das 25 Songs starke Happening auch problemlos möglich. Die „Pandemic Survival Show“ deckt jedenfalls Altes und Neues ab, Accept-Material genauso wie Solo-Mitschnitte. Dazu hört man ein Publikum jubeln und der Sound sitzt perfekt. Metalherz, was willst du mehr? Auf dass wir sowas bald erleben dürfen. Ohne Bewertung
Valosta Varjoon - Das Flammenmeer
Schon interessant - vor einigen Absätzen stellte ich das neue Album des bayrischen Alleinunterhalters Nachtig vor und derselbe Typ steckt auch hinter Valosta Varjoon. Dass die beiden Bands nicht ident klingen ist natürlich klar, aber selbst im eng gesteckten Black-Metal-Kosmos ist der Unterschied zwischen bewusst puristischer Primitivität und melancholischer, wesentlich intensiverer Klangnote nicht selbstverständlich. Auf „Das Flammenmeer“ gelingt V.V. eine hypnotische, zutiefst paralysierende Auseinandersetzung mit dem Genre, das in ein geschichtliches und etwas übelriechend patriotisches Gewand gesteckt wurde. Die Songs sind allesamt eigenständig und mäandern zwischen 90er-Kult und modernerer Zugangsweise, tappen aber nicht in die Falle des Sakralorthodoxen, das heute so salonfähig ist. Valosta Varjoon geht sogar mit einem Punktesieg gegenüber Nachtig über die Ziellinie. 7,5/10 Kronen
Chad VanGaalen - World’s Most Stressed Out Gardener
Aufmerksame Leser dieser Rubrik haben es wahrscheinlich schon bemerkt - Kanada ist in dieser Release-Woche extrem stark vertreten. Das liegt natürlich an den vielen hervorragenden Künstlerinnen, die aus Übersee auch immer wieder zu uns schwappen und verschiedenste Geschmäcker erfreuen. Etwa Chad VanGaalen, der elektronische Indie-Folker, dessen Zugang zu neuer Musik immer ein spielerischer und humoristischer ist. So auch auf dem augenzwinkernd betitelten „World’s Most Stressed Out Gardener“, auf dem er seine verdrogten Psychedelic-Sphären wieder mit Indietronica und dem labeltypischen Sub-Pop-Quersound kreuzt. VanGaalen hat sich mit seinem Psych-Pop längst seine eigene Nische erschaffen und wütet unaufhaltsam in ihr weiter. Wir hören aufmerksam zu und lassen uns gerne weiter überraschen. 7/10 Kronen
Vegyn - Like A Good Old Friend EP
Hinter dem Namen Vegyn steckt einer der aufregendsten und zukunftsträchtigsten Produzenten der UK-Szene der Gegenwart. Seine Sounds veredelten in den letzten Jahren unter anderem Songs und Platten von Frank Ocean über JPEGMAFIA bis hin zu Kali Uchis und brachten eine neue, sehr moderne Farbe in den Soundalltag großer Künstler. Eine instrumentale EP aus 2019 hat bewiesen, dass der gute Mann auch gerne selbst musiziert, mit „Like A Good Old Friend“ legt er nun wirksam nach. Deep House, Glitch Sounds, Pop-Chic und eine für ihn ungewohnte, sich durch alle Tracks ziehende Fröhlichkeit zeichnen das Werk aus. Vegyn gehen am Ende zwar die Ideen aus und die Loops wiederholen sich zu oft, aber für einen gemütlichen Chill-Out-Nachmittag ist das Teil allemal geeignet. Ohne Bewertung
Morgan Wade - Reckless
Country-Rock made in USA - das ist derzeit angesagt und schwappt auch immer stärker nach Europa. Kein Wunder, bei der vorherrschenden hohen Qualität der Stimmen, wie etwa hier vorliegende bei Morgan Wade. Die hat sich via Craigslist schon als Spät-Teenager eine erste Band zusammengeschraubt und hatte, trotz Heimat Viriginia, schon sehr früh wenig Lust darauf, die christlichen Werte für das Bible-Belt-Publikum wiederzugeben. „Reckless“ ist das offizielle Debütalbum einer Künstlerin mit Charisma und Timbre, die schon einige Jahre unterwegs ist und in der Szene nicht mehr als Newcomer gilt. Dementsprechend profund und gekonnt zeigt sich die heute 26-Jährige in Songs wie „Last Cigarette“ oder „Northern Air“. Ein bisschen mehr eigene Note wäre noch gut, aber sie befindet sich definitiv auf dem richtigen Weg. 7/10 Kronen
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.