Die zweite Generation von Toyotas Wasserstofflimousine Mirai steht endlich beim Händler. Gegenüber dem Vorgänger hat der neue Mirai einen großen Vorteil: Er sieht unvergleichlich besser - normaler im besten Sinne - aus. Beim Design hat sich Toyota offenbar von einem Blauwal inspirieren lassen: Die querfaltige Front erinnert an den Bauch des gewaltigen Meeressäugetiers. Wie der Wal ist auch der Mirai abgasfrei unterwegs, allerdings tut er sich schwerer damit, „Futter“ zu finden. Aber hier soll es nicht um die Versorgung mit Wasserstoff oder die Sinnhaftigkeit dieser Antriebsart gehen, sondern um die Eigenschaften des Autos an sich.
Zunächst also: Wie fährt sich der fast fünf Meter lange „Blauwal“? Sehr entspannt. Der Toyota Mirai ist vor allem ein Gleiter, der fast lautlos dahinrauscht. Ein Fahrgeräusch ist kaum wahrnehmbar und auch der Fahrtwind ist kein Thema. Die Innenraumakustik ist absolute Oberklasse. Dabei gäbe es durchaus Vorgänge, die man mitbekommen könnte: Die Brennstoffzelle erzeugt Wasser und Strom, der in die Batterie fließt, von der wiederum der Elektromotor angetrieben wird.
Auch das Fahrwerk ist etwas für verwöhnte Gemüter, die es gern komfortabel haben. Die Achsen sind als Mehrlenker ausgeführt - ein Quantensprung zur ersten Generation, die noch mit einer Verbundlenkerhinterachse auskommen musste. Selbst Temposchwellen kann man zügig überfahren, ohne dass harte Stöße durchdringen. Dafür wirkt der Mirai in Kurven etwas schwerfällig, man merkt ihm seine 1946 Kilogramm DIN-Leergewicht an. Zudem ist die Lenkung leichtgängig und relativ gefühllos. Und das Lederlenkrad ist so glatt, dass der Fahrer leicht abrutschen kann.
Angesichts seiner fast zwei Tonnen kommt der Mirai aber recht gut vom Fleck mit seinen 134 kW/182 PS. Die Werksangabe von 9,2 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 unterbot der Testwagen um vier Zehntelsekunden. Als Höchsttempo gibt Toyota 175 km/h an.
Im Durchschnitt verbrauchte der Mirai im Test 1,59 kg Wasserstoff pro 100 Kilometer. In die drei Tanks passen insgesamt 5,6 kg, was rechnerisch eine Reichweite von rund 350 Kilometer bedeutet. Toyota gibt einen kombinierten Verbrauch von 0,79 bis 0,89 kg an und verspricht dementsprechend über 650 Kilometer.
Unkomplizierter Umgang
Es klingt zwar abenteuerlich, den Verbrauch in kg Wasserstoff anzugeben, und es ist auch eine ungewöhnliche Vorstellung, mit einem Kraftwerk unterwegs zu sein. Der Umgang mit dem Toyota Mirai ist aber total unkompliziert. Der Tankvorgang ist nicht schwieriger als mit einem Diesel oder Benziner, man braucht auch keine Plastikhandschuhe, wenn die Finger nicht nach Diesel stinken sollen. Und der Tankvorgang dauert auch nicht wesentlich länger. Nach maximal fünf Minuten ist der Tank voll.
Nur eine Sache sollte man bedenken: Während der Fahrt und dem Abstellen des Autos lässt der Mirai das bei der Stromproduktion anfallende Wasser ab (es ist so sauber, dass man es trinken könnte). Damit er das nicht gerade in der Garage macht, sollte man vor der Einfahrt die H20-Taste am Armaturenbrett drücken, damit er sein Lackerl draußen macht.
Verspricht mehr Platz, als er bietet
Dass der Mirai außen größer ist als innen, habe ich an dieser Stelle schon vor anderthalb Jahren berichtet, nachdem ich am Rande der Tokyo Motor Show erstmals dringesessen war. Zwar ist er 4,98 Meter lang, das Platzangebot ist aber eher mit dem des Toyota Yaris vergleichbar. Eines 3,94 Meter kurzen Kleinwagen. Wegen des immensen Mitteltunnels sitzt man nicht einmal auf den Vordersitzen unbedrängt und hinten hält man es auch nur als eher klein gewachsene Person aus.
Mit meinen 1,88 Meter Körpergröße passt mein Kopf genau in eine Aussparung am Dachhimmel, ähnlich wie im hinteren Fußraum des Porsche Taycan die Füße in die „Fußgarage“ passen. Wenn man sich allerdings etwas bewegt - etwa weil der Fahrer bremst - stößt man sich den Kopf am Querholm im Dach. Außerdem ist die Rücksitzlehne so stark konturiert, dass sie den Passagieren die zur Mitte gewandte Schulter unangenehm nach vorne drückt. Und apropos Fußgarage: Die Füße haben auch nicht sonderlich viel Platz, jedenfalls wenn der Vordersitz ganz nach unten gefahren ist.
Noch unsinniger ist der neuerdings zugelassene fünfte Sitzplatz in der Mitte der Rückbank. Wegen des Mitteltunnels müsste der mittlere Passagier die Beine weit spreizen und die Füße in die Fußräume stellen, wo sie gar keinen Platz haben. Das macht aber nichts, weil er auch auf seinen Kopf verzichten müsste. Die Sitzfläche ist in der Mitte stark erhöht und Dachhimmel hängt tiefer als an den Seiten. Das wäre also höchstens ein Kinderplatz - wenn man einen Kindersitz befestigen könnte. Aber offenbar ist es nur darum gegangen, dass der Mirai auf dem Papier als Fünfsitzer gilt. Das hilft z.B. bei der Zulassung als Taxi.
Beim Kofferraumvolumen wird es noch extremer: In die Höhle passen 273 Liter hinein. Beim Yaris Hybrid sind es 286 Liter in einem gut zugänglichen Laderaum - und den kann man (anders als beim Mirai) durch Umklappen der Rücksitzlehnen auch noch erweitern.
Die beengten Platzverhältnisse im Mirai haben natürlich technische Gründe. Es sind drei Wasserstofftanks mit einem Gesamtfassungsvermögen von 5,6 kg untergebracht, ein großer längs im Mitteltunnel und zwei kleinere vor und hinter der Hinterachse. Dazwischen sitzt der Elektromotor, darüber - hinter den Rücksitzen - eine 310,8-Volt-Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 4 kW; die Brennstoffzelle befindet sich unter der langen Fronthaube. Das alles ist so umfangreich, dass für Insassen und Gepäck schlichtweg nicht genug Raum bleibt.
Aber fühlt man sich wenigstens ansonsten wohl?
Ja. Wer Gefallen findet an der kreativen, leicht spacigen Optik, wird sich wohlfühlen. Der Mirai ist einfach kein Auto wie jedes andere. Ein mächtiges Panel in Klavierlack-Plastik-Optik baut sich vor dem Fahrer auf, es beherbergt ein 12,3-Zoll-Display, das parallel die Funktionen zweier Systeme anzeigen kann, etwa linksseitig grundsätzlich die Klimasteuerung und rechts die Navikarte. Insgesamt ist der Bildschirm allerdings ziemlich unübersichtlich gestaltet. Darunter befinden sich Tasten für die Hauptmenüpunkte, ebenfalls aus schwarz glänzendem Plastik. Sie hinterlassen allerdings einen billigen Eindruck, weil ihre Oberfläche leicht wellig ist.
Sehr griffgünstig ist darunter auf einer eigenen Konsole der Fahrstufen-Wahlschalter platziert (aus dem Prius Hybrid). Rechts daneben, also relativ weit weg vom Fahrer und sogar in den Beifahrerbereich hineinragend, befindet sich eine Tastenleiste für die Klimaanlage. Man kann sich aussuchen, ob man die Temperatur hier einstellt oder direkt über den Touchscreen. Das Tachodisplay ist digital, informativ und gut ablesbar.
In der Topausstattung „Advanced“ ist auch ein in die Scheibe eingespiegeltes Head-up-Display dabei. Auch dieses ist ungewöhnlich gestaltet: Die wichtigste Information, die aktuelle Geschwindigkeit, steht nicht in gerader Blicklinie vor dem Fahrer, sondern nach rechts versetzt. Geradeaus vorne blickt man auf die Leitlinien des Spurhalteassistenten. Oder, wenn dieser deaktiviert ist, auf gar nichts.
Wirklich praktisch ist auch die induktive Ladefläche fürs Handy. Während es hier geladen wird, kann man es sogar bedienen, ohne es in die Hand nehmen zu müssen und daher ohne den Ladevorgang unterbrechen zu müssen.
Man wird den Eindruck nicht los, dass man ein wenig Platz hätte sparen können, damit der notwendigerweise dicke Mitteltunnel nicht unnötig aufträgt.
Fast schon günstig
Der Basispreis des Toyota Mirai beträgt 59.900 Euro. Damit ist er ein Viertel billiger als der Vorgänger. Und in Wahrheit ist da alles an Bord, was man wirklich braucht. Zweizonenklima, Rückfahrkamera, LED-Scheinwerfer, JBL-Sound mit 14 Lautsprechern und 12,3-Zoll-Display, Navi und Apple CarPlay/AndroidAuto. 67.900 Euro kostet die Executive-Ausstattung, 74.900 Euro zahlt man für Advanced, wo dann alles an Bord ist, was für den Mirai zu haben ist. Nur das Blau des Testwagens kostet (wie fünf weitere Farben) zusätzlich 850 Euro extra. Ohne Aufpreis ist der Mirai dunkelblau.
Fahrzit
Man muss sich schon sehr genau überlegen, ob man sich den Toyota Mirai anschaffen möchte, zuallererst weil es nach wie vor kaum Wasserstofftankstellen gibt. In Österreich sind es insgesamt fünf (Wien, Wiener Neudorf, Linz, Graz, Innsbruck). Und dann ist auch die Frage, ob man für so wenig Platz so viel unpraktisches Auto durch die Gegend wuchten will. Alles Fragen, die beantwortet gehören, bevor die Wahl auf den Wal fällt.
Warum?
Ein Quantensprung im Vergleich zum Vorgänger
Angenehmer Gleiter
Warum nicht?
Platzangebot eines Kleinwagen in einer Fünf-Meter-Limousine
Oder vielleicht ...
... Hyundai Nexo
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