Abgesehen von Österreich gibt es in der WM-Qualifikations-Gruppe F ein weiteres Team mit rot-weiß-rotem Bezug: Willi Ruttensteiner führt Israel als Teamchef an, legt mit seiner Auswahl am Donnerstag (gegen Dänemark) und am Sonntag (Schottland) gleich mit einem Heim-Doppel los. Mit der „Krone“ sprach der 58-Jährige über die Ziele, die WM-Chancen und das leidige Thema Corona ...
„Krone“: Herr Ruttensteiner, wie ist die Stimmung im israelischen Team so kurz vor dem Start in die WM-Qualifikation?
Willi Ruttensteiner: Natürlich ist eine Aufregung hin zum ersten Spiel gegen Dänemark spürbar. Das gehört sich auch so. Schließlich starten wir in eine WM-Qualifikation. Da ist die Motivation natürlich hoch.
„Krone“: Zum leidigen Thema Corona gesellte sich bei euch in der Vorbereitung am Dienstag eine weitere, nicht alltägliche Herausforderung.
Ruttensteiner: Ja, es war Wahl-Tag in Israel, das stellte uns vor eine zusätzliche Herausforderung. Weil die Spieler nach dem Frühstück wählen gehen wollten, was wir ihnen natürlich ermöglicht haben. Für jene, die hier in Tel Aviv wohnen, war der Weg von unserem Hotel zum Wahllokal ein kurzer, das Ganze in einer halben Stunde erledigt. Es gab aber auch Spieler, die eine Stunde zum Wahllokal unterwegs waren - und nochmals denselben Weg retour. Es ist in der Vorbereitung auf solch wichtige Spiele nicht ideal, aber das Wahlrecht ist ein Grundrecht - und davon soll jeder, der will, Gebrauch machen dürfen.
„Krone“: Wie schaut es personell aus, gibt es Sorgenkinder?
Ruttensteiner: Nein. Ich habe 25 Spieler einberufen. Die Mannschaft präsentiert sich abgesehen von ein paar Kleinigkeiten fit und gesund. Alle werden am Donnerstag einsatzfähig sein.
„Krone“: Stürmer Eran Zahavi war mit seinen Toren zuletzt so etwas wie Israels Lebensversicherung.
Ruttensteiner: Er war neulich im Training etwas beleidigt, weil ich ihn etwas früher vom Feld geholt hatte. Nein, Spaß beiseite. Er ist ein Besessener, ein Profi durch und durch, man muss ihn eher bremsen als pushen. Ich glaube, er genießt die neue Umgebung bei PSV Eindhoven, spielt in einer sehr guten Liga, hat einen tollen Trainer und ist im Klub inzwischen ein Führungsspieler.
„Krone“: Was für einen Eindruck macht der Ex-Wolfsberg-Torjäger Shon Weissman auf Sie?
Ruttensteiner: Seine Entwicklung ist positiv, der Sprung von der österreichischen in die spanische Liga ein großer. Er hat Fuß gefasst in Valladolid, spielt Spiele von Beginn an, hat bislang fünf Tore erzielt. Der Schritt war nicht leicht, er ist ihm aber sehr gut geglückt.
„Krone“: Kommen wir zur WM-Qualifikation und zur Gruppe F: Welche Ziele verfolgt Israel?
Ruttensteiner: Für uns geht es darum: Können wir dem Niveau von Dänemark, Österreich und auch Schottland näher kommen? Können wir gegen diese Teams Punkte sammeln? Das ist unsere Herausforderung. Es wäre vermessen, vom WM-Ticket zu reden und zu sagen, wir denken jetzt an den ersten oder zweiten Platz. Nein, wir denken von Spiel zu Spiel. Wir haben jetzt mit Dänemark eine große Herausforderung vor der Brust. Das wird wirklich eine große Challenge. Wir wollen natürlich erfolgreich sein, sind uns aber auch bewusst, mit wem wir es da zu tun haben werden.
„Krone“: Am Sonntag folgt gleich das nächste Heimspiel gegen Schottland - welche Devise geben Sie für dieses Heim-Doppel zum Start aus?
Ruttensteiner: Ich glaube, man geht nie in ein Heimspiel, wo man sich schon vorab mit einem Punkt zufrieden gibt. Wir haben uns gut vorbereitet und viel vorgenommen. Man wird sehen, ob wir es auch auf den Platz bringen. Oder ob der Unterschied, sprich die Klasse der Gegner noch zu groß ist. Ein Weiterentwicklungs-Prozess ist im Herbst auf jeden Fall vonstattengegangen. Wir haben in der Nations League sowohl gegen die Slowakei als auch gegen Schottland vier Punkte geholt. Da war ich nicht unzufrieden.
„Krone“: Wie groß sind die Chancen Israels auf die WM-Teilnahme 2022?
Ruttensteiner: Jetzt einen Prozentsatz anzugeben, wäre nicht klug von mir. Es ist ein Prozess - wir sind im März, ich würde aber auf die Frage bezogen bereits für November und das Ende der Qualifikation eine Antwort geben. Das macht keinen Sinn. Der Donnerstag wird zeigen, wo wir im Vergleich zu Dänemark stehen. Und daraus wollen wir die richtigen Schlüsse für das Schottland-Spiel ziehen. Dann wartet eine schwere Aufgabe in Moldawien. Wir wollen uns in jedem Spiel weiter entwickeln, einen Prozess einleiten. Wir haben das schon im Herbst gestartet, nun geht es darum, wie weit nach oben wir uns entwickeln können. Das geschah auch in Österreich nicht von heute auf morgen. Doch wir haben mit Israel zuletzt in der Nations League gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind.
„Krone“: Welche sollen die nächsten Schritte in der Weiterentwicklung des israelischen Spiels sein?
Ruttensteiner: Das haben wir im Zuge der Analyse unserer Nations-League-Auftritte sehr genau herausgearbeitet. Sowohl in der Defensive als auch in der Offensive, im Umschalten und bei den Standard-Situationen gilt es das zu verstärken, was wir gut gemacht haben. Auf der anderen Seite Fehler aufzugreifen, mit den Spielern zu besprechen und sie zu minimieren. Das ist unser Prozess und da arbeiten wir wirklich hart daran.
„Krone“: Was ist so ein Punkt, den es zu verbessern gilt?
Ruttensteiner: Ich ziehe ein positives Beispiel heran. Wir haben in der Nations League pro Spiel im Schnitt ein Tor erhalten. Das war eine deutliche Steigerung. Ein Ziel für die WM-Qualifikation lautet nun, diese Stabilisierung in der Defensive aufrecht zu erhalten. Wenn uns dies nun in einer Gruppe mit Dänemark, Österreich und Schottland tatsächlich gelingen sollte, wäre es in punkto Defensive ein gewaltiger Schritt. Wir werden sehen, ob wir das zusammenbringen.
„Krone“: Israel hat zuletzt bei Spielen der ersten und zweiten Liga die Stadien für Fans teilweise geöffnet. Wie viele Zuschauer sind nun bei den beiden Heimspielen gegen Dänemark und Schottland erlaubt?
Ruttensteiner: Verband und Regierung haben sich auf 5000 Zuschauer pro Heimspiel geeinigt. Wir spielen im Bloomfield-Stadium in Tel Aviv, es fasst 30.000 Zuschauer. Die Öffnung im Lande geht generell sehr schnell vor sich, weil bereits ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung geimpft ist. Diese Impfung wirkt sich sehr positiv aus. Ich würde mir auch für Österreich wünschen, dass es schneller geht. Weil die Infektionszahlen merklich runter gehen. Wenn wir nun von 5000 Besuchern pro Match sprechen, dann sprechen wir von 5000, die einen grünen Impfpass vorweisen können oder nachweislich bereits Corona hatten. Ohne Impfpass, ohne Zertifizierung darf man nicht ins Stadion.
„Krone“: Sind im israelischen Team schon alle geimpft?
Ruttensteiner: Von den Spielern aus der israelischen Liga ja. Von den Legionären hatten Dabbur und Zahavi bereits Corona, sie sind inzwischen darüber hinweg. Es werden Impfungen für die Legionäre organisiert. Einige Spieler wollen sich nach den drei Matches impfen lassen, und sich dann im Mai, wenn sie wieder kommen, die zweite Impfung verabreichen lassen. Da es immer wieder vorkommt, dass man sich danach nicht so gut fühlt, habe ich Impfungen vor den jetzigen Spielen aber strikt verboten.
„Krone“: Haben Sie sich bereits impfen lassen?
Ruttensteiner: Ja. Ich wurde mit dem Pfizer-Impfstoff geimpft, habe ihn abgesehen von Schmerzen im Oberarm, die bei jeder Impfung so gut wie normal sind, sehr gut vertragen. So ergeht es dem Großteil der Bevölkerung. Es ist eine tolle Sache, man fühlt sich danach viel sicherer. Wobei wir aber innerhalb der Mannschaft weiterhin die Corona-Tests durchführen, die Maskenpflicht und auch die Abstände einhalten, den Leitfaden strikt befolgen. Obwohl wir geimpft sind. Es gab in letzter Zeit auch keine Corona-Fälle in unserem Team.
„Krone“: Inwiefern leidet Ihre Tätigkeit als Teamchef unter Ihrem ursprünglichen Vorhaben, den Fußball im Land kontinuierlich auf Vordermann zu bringen?
Ruttensteiner: Es war im Dezember eine klare Entscheidung seitens des Verbandes, dass ich als Teamchef weiter machen soll. Dadurch habe ich meine ursprüngliche Tätigkeit nun an Vertrauensleute übergeben. Im Mai stößt ein technischer Direktor aus Holland, der für die Jugend bis rauf zur U21 zuständig sein wird, zu diesem Team. Das ist bereits fixiert, eine sehr gute Lösung. Ich genieße totale Autonomie bei der National-Mannschaft, konzentriere mich zur Gänze auf diesen Job.
„Krone“: Parallel haben Sie Ihr Trainerteam mit einem Österreicher verstärkt.
Ruttensteiner: Die Vereinbarung mit Rupert Marko kam auch durch Zufall zustande. Wir hatten immer wieder Kontakt, Weihnachten und Neujahr verbrachte ich zuletzt zu Hause. Da teilte mir „Rupi“ mit, dass er Ende Februar beim ÖFB aufhören wird. Ich sagte ihm, dass ich einen Assistenten für die Nationalmannschaft suche, der auch für die Legionäre zuständig ist. Er meinte, das würde ihm Spaß machen. Wir kamen, da wir uns auch von gemeinsamen ÖFB-Zeiten schon sehr gut kennen, sehr schnell auf einen grünen Zweig. Klaus Lindenberger ist als Tormann-Trainer nach wie vor in meinem Team.
„Krone“: Apropos Österreicher: Werden Heinz Hochhauser und Gerhard Schweitzer im Hintergrund weiterhin mit Ihren Match-Analysen unterstützend tätig sein?
Ruttensteiner: Ja, sie beobachten für mich gemeinsam mit Scouts aus unserer technischen Abteilung ausgewählte Spiele. Wobei es sich jetzt durch Corona natürlich limitiert. Sie helfen mir per Video und haben mir zugesagt, dass sie es auch weiterhin tun werden. Das taugt mir, weil beide ausgewiesene Fachleute sind, mich sehr gut kennen, wissen, was wir vorhaben und mir daher ein sehr gutes Analyse-Ergebnis übermitteln können. Sie ließen mich im Spaß bereits wissen, dass sie auch kein Problem damit haben werden, Österreich zu analysieren.
Christian Reichel, Kronen Zeitung
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