EU-Impfstoff-Streit
Draghi: „Keine einzige zusätzliche Dosis“ für Kurz
Höchst unterschiedlich fallen die Beurteilungen zu der angestrebten Lösung im Impfstoffstreit nach dem EU-Gipfel in Brüssel aus. Während sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) „froh, erleichtert und zufrieden“ über den gemeinsamen Beschluss zeigte, „dass durch die zehn Millionen zusätzlichen Impfdosen eine gerechtere Auslieferung der Impfstoffe in der EU im zweiten Quartal erreicht wird“, reagierten andere zurückhaltender. Italiens Premierminister Mario Draghi kritisierte Kurz‘ Forderung nach zusätzlichen Dosen für Österreich scharf: „Auch wir haben Impfstoff-Mängel, Kurz wird keine einzige zusätzliche Dosis erhalten“, zitierte die Tageszeitung „La Repubblica“ ihn.
Ähnlich sieht die Lage der EU-Parlamentspräsident David Sassoli. Es sei „verantwortungslos“, die Ineffizienz einzelner Länder auf die EU abzuladen. „Streit mit Österreich über die Verteilung der zusätzlichen Dosen“, fasste die Tageszeitung „La Stampa“ die Lage zusammen. „Sebastian Kurz hat sich verzockt“, sagte ein EU-Diplomat laut APA. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sagte, ein Blick auf die Zahlen zeige, dass vor allem Bulgarien, Lettland und Kroatien ein Problem hätten. Denen wolle man helfen. Bei Österreich könne er dies hingegen derzeit nicht erkennen.
Kurz sieht die Ausgangslage naturgemäß anders: „Wir haben uns intensiv für eine gerechtere Auslieferung der Impfstoffe in der Europäischen Union eingesetzt“, sagte er am Donnerstagabend. „Nachdem sich zahlreiche Staaten hier für mehr Gerechtigkeit und Solidarität ausgesprochen haben, gab es den gemeinsamen Beschluss, dass durch die zehn Millionen zusätzlichen Impfdosen eine gerechtere Auslieferung der Impfstoffe in der EU im zweiten Quartal erreicht wird.“
Stundenlange Debatte über „hochemotionales“ Thema
Neben Kurz hatten sich auch Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic und die Regierungschefs von Tschechien, Slowenien, Bulgarien und Lettland darüber beschwert, dass die tatsächliche Verteilung vom ursprünglich beschlossenen Bevölkerungsschlüssel abweicht. Vor allem Bulgarien und Lettland sind bei der Impfstoffverteilung weit abgeschlagen. Weil dies eben für manche Staaten ein „hochemotionales Thema“ sei, musste auch die Gipfeldramaturgie geändert werden, so die „Welt“. Die darauf folgende Debatte habe Stunden gedauert.
Die EU-Staats- und Regierungschefs bekräftigten bei ihrem Videogipfel grundsätzlich den Verteilschlüssel nach Bevölkerungsgröße. Nach der Debatte wurde vereinbart, über eine vorgezogene Teillieferung von zehn Millionen Impfdosen „im Geiste der Solidarität“ weiterzuverhandeln. Über die genauen Mengen an Impfdosen müssen nunmehr die EU-Botschafter entscheiden.
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