Die Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban hat in den vergangenen zehn Jahren 1,4 Milliarden Euro für die Minderheitenförderung in den Nachbarländern Slowenien, Kroatien, Serbien, der Slowakei und Rumänien bereitgestellt. Dies geht aus Recherchen eines regionalen Investigativprojekts hervor. Tatsächlich ausgezahlt habe der staatliche Bethlen Gábor Fonds (BGA) mindestens 670 Millionen Euro, mit stark steigender Tendenz. Dass Orban vor seinem eigenen Haus und in ganz Ungarn Stadien bauen ließ, ist keine Neuigkeit. Jetzt nimmt aber auch sein Fußball-Auslandsimperium Formen an. Finanziert größtenteils von Steuergeldern und auch eine Österreich-Connection fehlt nicht.
Kritiker erkennen in den großzügigen Förderungen eine Strategie der Orbán-Regierung, ihren politischen Einfluss in der Nachbarschaft auszudehnen. Auffallend ist, dass die Zuwendungen seit dem Jahr 2016 stark zugenommen haben. Waren es im Jahr 2011 - dem Jahr nach Orbans Amtsantritt - noch 13,6 Millionen Euro, sind es 2019 bereits 368 Millionen Euro gewesen. Im Coronajahr 2020 bewilligte der staatliche ungarische Fonds Projekte im Wert von 316,6 Millionen Euro, berichtet das slowenische Investigativzentrum Ostro.si, das zur Recherchegruppe gehört.
Geld zu den Freunden
Slowenien und Kroatien haben verhältnismäßig kleine ungarische Volksgruppen. Dort floss ein großer Teil der ungarischen Gelder in den Fußball. In Slowenien etwa wurden 17,4 Millionen Euro an Fördergeldern bewilligt, allein im Vorjahr acht Millionen Euro. Tatsächlich geflossen sind zwei Drittel der Mittel. Rund 60 Prozent der Gelder (10,4 Millionen Euro) wurden dem Fußballklub NK Nafta 1903 zugesprochen, der in der zweiten slowenischen Liga spielt. Klubpräsident Gábor Végh gehört laut slowenischen Medien zum Freundeskreis von Orban.
Mit dem Geld wird der Fußballverein aus der Grenzstadt Lendava ähnlich wie in Ungarns anderen Nachbarländern eine Fußballakademie mit der dazugehörenden Infrastruktur und mehreren Fußballplätzen bekommen. Die Akademie soll noch heuer starten.
Der zweitgrößte Mittelempfänger in Slowenien ist die Dachorganisation der ungarischen Minderheit in Slowenien, die Pomurje Selbstverwaltende Nationale Gemeinschaft (PMSNS), mit knapp sechs Mio. Euro. Der BGA finanziert unter anderen auch die Minderheitsmedien. Um Förderungen können aber auch Unternehmer oder Bauern im Grenzgebiet ansuchen.
630 Einwohner - 962.000 Euro als Subvention
In Kroatien, wo der Großteil von rund 14.000 Angehörigen der ungarischen Minderheit in der ärmlichen Region Baranja im Osten des Landes leben, genehmigte der BGA in den letzten zehn Jahren 26,6 Mio. Euro Fördermittel, fast 94 Prozent davon in den letzten drei Jahren. Allein im Vorjahr wurden Zuwendungen von 17,9 Mio. Euro bewilligt. Laut „Ostro“ werden mit ungarischen Mitteln Kinderspielplätze gebaut, Häuser renoviert, landwirtschaftliche Flächen gekauft und Unternehmensgründungen unterstützt, außerdem gibt es Förderungen für Eltern, die ihre Kinder in ungarische Schulen einschreiben. Die größten Mittelempfänger sind die wichtigste Minderheitsorganisation, die Demokratische Gemeinschaft der Ungarn in Kroatien (DZMH) sowie jüngst der Verein Europa AP. Dieser genehmigte erst im Vorjahr 962.000 Euro für den Fußballklub Vardarac, einem kleinen Verein aus einem Dorf mit 630 Einwohnern (oben im Youtube-Video). Weitere 6,6 Millionen Euro wurden für einen lokalen Fernsehsender sowie die Renovierung von Kirchen und Touristenzentren gezahlt.
16,1 Millionen Euro erhielt der Fußballverein der viertgrößten kroatischen Stadt Osijek. Mit dem BGA-Geld wurde eine Fußballschule des FC Osijek (Mannschaft unten im Bild im Trikot mit dem Buchstaben M (für Meszaros)) samt Infrastruktur (mehrere Fußballplätze) bezahlt und ein neues Stadion für 13.000 Zuschauer miterrichtet. Das insgesamt 40 bis 50 Millionen Euro teure Stadion soll nach Verzögerungen nun 2022 fertiggestellt sein.
Während in Slowenien die ungarischen Förderungen insbesondere im Medienbereich auch kritisch wegen möglichen politischen Einflussversuchen hinterfragt wurden, nimmt man in Kroatien die Fußballinvestitionen begeistert auf.
Immer wieder Meszaros - auch Österreich-Connection
Auch beim FC Osijek tritt ein enger Vertrauter Orbans in Erscheinung, der Unternehmer und Forint-Multimilliardär Lörinc Mészáros (oben im Bild). Der Jugendfreund des ungarischen Regierungschefs und die rechte Hand Orbans ist in nur zehn Jahren vom Gasinstallateur zum laut Forbes reichsten Mann Ungarns aufgestiegen. Im Jahr 2016 kaufte Mészáros die Mehrheit des angeschlagenen kroatischen Fußballklubs, trat seine Anteile aber im Vorjahr an den Budapester Investment-Fonds Beta ab. Laut „Ostro“ dürfte Mészáros aber nicht alle Verbindungen zum Verein gekappt haben. Der zweitgrößte Besitzer des FC Osijek ist der regierungsnahe Bauunternehmer László Szijj, Ungarns viertreichster Geschäftsmann. Seine Firma Duna Aszfalt gehört zu den Klubsponsoren, unter denen auf der Internetseite des FC Osijek auch das österreichische Bauunternehmen Belfry angegeben wird.
Wo wurden ungarische Steuergelder eingesetzt?
In dem Investigativ-Projekt wurden auch die ungarischen Fördermittel in der Slowakei, Serbien und Rumänien (oben im Bild) unter die Lupe genommen. Die regionale Journalistengruppe stellte in ihrem Bericht fest, dass es bei der Vergabe der ungarischen Steuermittel in den Nachbarländern an Kontrolle und Transparenz mangle. Es gebe keine zentralisierte, durchsuchbare und aktualisierte Datenbank, um nachzuprüfen, welche Projekte mit ungarischen Steuergeldern tatsächlich finanziert wurden, hieß es in dem Bericht, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die Daten über akzeptierte Projekte nicht mit den tatsächlichen Auszahlungen übereinstimmen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.