krone.tv bei Opfern

Wohnungsbetrüger kassierte über 600.000 Euro ab

Wien
07.04.2021 13:53

Ein dreister Betrüger hat in Wien 130 Wohnungssuchende getäuscht und schamlos abkassiert - auch Flüchtlinge aus Afghanistan, die jahrelang Geld gespart hatten, um sich den Traum einer eigenen Wohnung in der neuen Heimat zu erfüllen (krone.at berichtete). Nikola B. ist flüchtig. krone.tv sprach mit seinen Opfern und der MieterHilfe der Stadt Wien.

In einem Wohnhaus in Erdberg führt uns Maximilian Hegenbart in ein Dachgeschoß-Appartement. Seit fünf Jahren betreibt der 29-Jährige „The Barts Apartments“. Er vermietet Ferienwohnungen. So auch an Nikola B. „Er gab sich als Multi-Unternehmer und Chef einer Personalvermittlung aus“ und habe im Februar dienstlich eine Wohnung angemietet, erzählt Hegenbart. So kam B. an Hegenbarts Handynummer. Nach einigen Monaten Miete und korrekter Bezahlung kontaktierte B. ihn erneut. Er suche Unterkünfte für Kurzzeitpersonal und wolle gleich fünf Appartements dafür anmieten. Das klang nach einem guten Geschäft. „Wir schlossen Verträge für jeweils sechs Monate ab“, so Hegenbart. Nikola B. stellte Passkopie und Bankauszug zur Verfügung, man telefonierte täglich. Hegenbart schöpfte anfangs keinen Verdacht. Geld kam aber nie an. So war nach einer Woche klar, dass es sich hier um Betrug handelte.

Mieten, Provisionen und Kautionen kassiert
Die Mieter, allesamt afghanische Flüchtlinge, sollen von einem Landsmann, Omid H., an B. vermittelt worden sein. Der Ablauf war immer wieder derselbe - das Duo zeigte den Wohnungssuchenden möblierte Appartements. Exklusivrecht gegen 2000 bis 3000 Euro Kaution sowie zwischen 1000 und 2000 Euro Provision und Vorauszahlungen (!). Wer sechs Monatsmieten vorauszahle, reduziere seine monatliche Miete um 100 Euro, wurde den Flüchtlingen versprochen, bei zwölf Monaten Vorauszahlung sogar um 200 Euro. Die Wohnungsnot unter Asylwerbern ist groß, einen Lohnzettel kann fast keiner vorweisen, aber gemeinsam gespartes Geld, das besitzen sie. „Die wahren Geschädigten sind hier die Familien, die davor teilweise jahrelang im Flüchtlingsheim waren, sich Geld von Freunden und Familienangehörigen zusammengespart haben und jetzt mit nichts dastehen.“ Hegenbart klopft an seinen Türen an. „Einer der Mieter hat sogar einen Dreijahres-Mietvertrag unterschrieben.“ Täglich ist Hegenbart mit seinen geprellten Mietern in Kontakt und versucht zu helfen.

(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

Drei Jahre lang Geld zur Seite gelegt für die eigene Wohnung
„Es hat sehr lange gedauert, bis die Mieter begriffen haben, dass ich nicht der Böse bin und mit dem Betrug von Herrn B. nichts zu tun habe“, erzählt er. „Ich habe den Mietern gesagt, sie können einen Monat unentgeltlich noch die Appartements nutzen, bis sie was Neues gefunden haben.“ Der Betrüger habe manche der Wohnungen gleich dreifach an verschiedene Familien „vermietet“.

Wir treffen drei Geschädigte in einem der Appartements. Ali Reza und seine Familie haben drei Jahre lang Geld zur Seite gelegt für die eigene Wohnung: „Ich hoffe, dass er festgenommen wird“, sagen sie. Ein kleiner Trost, denn das Ersparte ist weg. Qambari M. ist dreifacher Familienvater und fand seine Wohnung über eine Anzeige von Omid H. auf Facebook. Bei der Besichtigung mit dem Duo H. und B. wurde ihm eine möblierte Wohnung angeboten, falls die Zweizimmerwohnung Qambari gefalle, müsse er „3500 Euro Provision und 1180 Euro Kaution bezahlen“.

Bis zu 8900 Euro im Voraus bezahlt
Auf den Wunsch von Hegenbart, die Wohnung ab Anfang April zu räumen, kann auch er nicht eingehen. „Ich habe bis jetzt keine Wohnung gefunden und habe kein Geld mehr, was soll ich jetzt machen?“ Neben ihm auf der Couch sitzt auch Murtaza S. „Am 2. März haben ich und meine Freundin B. Geld gegeben. Eine Jahresmiete im Voraus über 5400 Euro, 2500 Euro Kaution, 1000 Euro Provision. Insgesamt 8900 Euro. Es war ein gutes Angebot.“ Seine Augen füllen sich mit Tränen. „Wie können wir eine andere Wohnung finden?“ Alle drei sind verzweifelt und bitten Hegenbart um Verständnis. Öfter erklärt er, es sei auch für ihn eine schwierige Lage: „Diakonie, das bzWO-Beratungszentrum, die Wohnungslosenhilfe des Fonds Soziales Wien. Mir wird dasselbe gesagt wie euch.“ Alle verabschieden sich, richtig einig sind sich alle Beteiligten auch nach einem weiteren Gespräch nicht.

(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

„Ich muss das ganze Geld nun jahrelang zurückzahlen“
In die Fänge von Nikola B. und seinen Partnern ist auch Sahel geraten. In Wien-Margareten treffen wir den Lehrling. Nur mit sehr viel Unterstützung und positivem Ausblick hat er sich erneut Geld ausleihen können, um mit Ende März jener Mietwohnung den Rücken zu kehren, für die er insgesamt 5000 Euro an Vorauszahlungen geleistet hat. „Ich muss das ganze Geld nun jahrelang zurückzahlen.“ Wieder einmal erfolgte der Weg zu B. durch Mundpropaganda. „Ein Freund von mir hatte eine Wohnung von ihm bekommen und meinte, er habe viele. Er gab mir seine Handynummer und B. hat mir dann drei Wohnungen gezeigt.“ Eine davon war perfekt, die voll möblierte Dreizimmerwohnung. Dort sitzt er am Wohnzimmertisch und spielt alte WhatsApp-Sprachnachrichten von B. vor. Er allein kenne 50 Betroffene.

(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)

Was nun? Viele Betroffene haben sich an die MieterHilfe der Stadt Wien gewandt. Schon Anfang März warnte die Beratungsstelle mit einem Artikel vor „Nikola B.“

(Bild: MieterHilfe)

„Weit über eine halbe Million Euro Schaden insgesamt“
„Wir sind damals von 20 Fällen ausgegangen und haben befürchtet, dass es über 100 werden.“ Nun sind es sogar 130. „In Summe gehen wir bei den Fällen von durchschnittlich 6000 Euro Schaden aus, das heißt, wir sind jetzt bei weit über einer halben Million Euro Schaden insgesamt.“ Christian Bartok ist Leiter der MieterHilfe und erklärt, wie Mieter nun vorgehen sollen. „Wichtig ist: nichts unterschreiben. Ganz wichtig: Wenn die eigentlichen Eigentümer oder Vermieter verlangen, dass die Mieter sofort ausziehen sollen, bitte dem nicht gleich nachkommen, eine Delogierung, eine Räumung muss über das Gericht erfolgen. Man hat da einen gewissen Verhandlungsspielraum.“

Illegale Stromabschaltungen der Vermieter sofort melden
Eine Strategie sei auch, zu schauen, wo Mieter dann direkt mit den echten Vermietern einen Vertrag abschließen können. „Wo das nicht geht, weil es schon andere Mieter gibt, die einen Vertrag haben, müssen wir schauen, dass wir Räumungsvergleiche zusammenbringen.“ Mieter dürften sich keinesfalls „von irgendwelchen illegalen Stromabschaltungen der Vermieter“ unter Druck setzen lassen. Wenn das passiert: „Sofort bei uns melden und jedenfalls Anzeige bei der Polizei erstatten und sich gleich als Privatbeteiligter anschließen an das Verfahren.“

(Bild: Instagram.com)

Nikola B., der für das Schicksal von so vielen Menschen verantwortlich ist, befindet sich bis heute auf der Flucht. Die Polizei fahndet nach dem notorischen Wohnungsbetrüger. Zuletzt soll B. in Polen Geld abgehoben haben. Ein weiterer Geschädigter vermutet, er habe sich in Litauen abgesetzt, weil er dort Freunde habe. Während B. untergetaucht ist, beginnt für mehr als 100 Geschädigte ein langer Weg, bis sie zu ihrem Recht kommen.

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