Im 95. Lebensjahr

Jahrhundert-Journalist Hugo Portisch ist tot

Österreich
01.04.2021 14:37

Er war der Erklärer der Nation, erlebte bedeutende Momente der jüngeren Geschichte hautnah mit. Jetzt ist Hugo Portisch, Doyen des österreichischen Journalismus, im 95. Lebensjahr verstorben. Im Video oben sehen Sie das letzte Interview, das krone.tv vor etwas über einem Jahr mit dem Jahrhundert-Journalisten geführt hat. 

Portisch, geboren 1927 in Pressburg/Bratislava, hat den Österreichern wie kein anderer die Welt erklärt. Seine ORF-Dokumentationen prägten das kollektive Geschichtsbewusstsein. Am Abend der Mondlandung etwa saß Chef-Kommentator Hugo Portisch, damals 42, gemeinsam mit Peter Nidetzky, Othmar Urban und Herbert Pichler im Fernsehstudio beim Schönbrunner Tierpark und kommentierte das Ereignis aus außenpolitischer Sicht. Der Fernsehmarathon dauerte insgesamt 28 Stunden und 18 Minuten, wie er Conny Bischofberger anlässlich des Mondlandungs-Jubiläums erzählte.

Video: Das Leben des Hugo Portisch

Hugo Portisch (Bild: Klemens Groh)
Hugo Portisch

Von Wien nach New York und wieder zurück
Journalistisch begann Portisch seine Karriere als Praktikant 1948 bei der „Wiener Tageszeitung“, absolvierte später sogar ein sechsmonatiges Praktikum in den USA bei Blättern wie der „New York Times“ und der „Washington Post“. Es war 1954, als ihn „Krone“-Gründer Hans Dichand, damals noch Chefredakteur des „Kurier“ in dessen Redaktionsmannschaft holte. Später wurde Portisch Dichands Nachfolger als „Kurier“-Chefredakteur.

Hugo Portisch mit „Krone“-Gründer Hans Dichand (Bild: ORF)
Hugo Portisch mit „Krone“-Gründer Hans Dichand

Nach dem Rundfunkvolksbegehren 1964, das er wesentlich mitinitiierte, holte ihn der neue ORF-Generalintendant Gerd Bacher 1967 zum Österreichischen Rundfunk, wo Portisch als Chef-Kommentator fungierte. Zudem war er lange Jahre für den ORF als Auslandskorrespondent tätig - seine Erlebnisse schrieb er in zahlreichen Bestsellern nieder. 

TV-Dokus sind bis heute Klassiker
Neben seinen Büchern waren es aber vor allem die Fernsehsendungen, die Portisch zum Erklärer und Erzähler der Nation machen, denn wie kaum ein anderer verstand er es, komplexe Zusammenhänge, ob historisch oder politisch, dem Zuschauer oder Leser anschaulichst zu verdeutlichen. Serien wie „Österreich I“ (1989) und „Österreich II“ (1981-1995), in denen er die Geschichte der Ersten und Zweiten Republik allgemein verständlich erklärte, sind bis heute Klassiker.

Der junge Hugo Portisch war ORF-Chef-Kommentator, als das riskante Manöver der Mondlandung am 21. Juli 1969 über die Bühne ging. (Bild: picturedesk.com/ORF-Archivbild)
Der junge Hugo Portisch war ORF-Chef-Kommentator, als das riskante Manöver der Mondlandung am 21. Juli 1969 über die Bühne ging.

Noch im Dezember 2019 wurde Portisch mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich geehrt. Im Talk mit krone.tv-Moderatorin Damita Pressl meinte er, gewohnt bescheiden, er sehe seine journalistischen Leistungen „als Selbstverständlichkeit“.

Bis zuletzt war Portisch immer wieder journalistisch tätig und hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg: Er sehe eine „empfindlichere“ Politik und er erkenne „Methoden von damals, zu Zeiten des Proporz“, wieder, so Portisch im krone.at-Talk - wie die sogenannte Message Control, das Aussperren von Journalisten oder dafür zu sorgen, dass die Presse keine Informationen erhalte.

Gattin Gertraude starb 2018
Portisch war seit 1946 verheiratet mit seiner Frau Gertraude, Autorin von Kinderbüchern, die sie unter ihrem Geburtsnamen Traudi Reich veröffentlichte. Das Ehepaar lebte in Wien und der Toskana. Der gemeinsame Sohn Edgar lebte und arbeitete auf Madagaskar, wo er 2012 an den Folgen einer Tropenkrankheit starb. Gertraude Portisch starb am 23. Jänner 2018 im 98. Lebensjahr. 

Seinem letzten Wunsch, den er im „Krone“-Interview gewohnt verschmitzt formulierte, wird man aber wohl kaum nachkommen können. Denn auf die Frage „Was soll man einmal über Hugo Portisch sagen?“ war seine Antwort nur: „Vergesst mich!“ Doch als Erklärer der Nation wird er unvergessen bleiben.

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