Laschet vs. Söder
Das Duell um Merkels Kanzlerinnen-Erbe
CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder rittern um die gemeinsame Kanzlerkandidatur. Es fliegen die Giftpfeile. Die Kanzlerin geht sogar zu „ihrem“ CDU-Parteichef auf Distanz. Aber beiden Parteien droht Wahlniederlage wegen Korruptionsskandalen in ihrem Reihen.
Corona-Seuche, Impf-Desaster und Partei-Affären: Nicht nur in Österreich ist die Stimmung am Tiefpunkt. Beim deutschen Nachbarn wird die Politik auch noch durch das Duell um die CDU/CSU-Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahlen im Herbst aufgemischt.
Unionsparteien vor der Quadratur des Kreises
Es sind nach 16 Jahren Merkel entscheidende Tage der Weichenstellung für die Zukunft. Nach Ostern soll die Entscheidung fallen, aber wie? In der Tradition der beiden Schwesterparteien CDU und CSU, genannt „Union“, hat die größere Schwester CDU das erste Anrecht auf die Kanzlerkandidatur. Ein Chef der CSU – „klein“ auf Bundesebene, aber groß in Bayern – muss bei seiner großen Schwester allfälligen Anspruch geltend machen.
Das „Frühstück von Wolfratshausen“
Das geschah bisher zweimal: 1980 hatte Helmut Kohl zugunsten des polternden Franz Josef Strauß („Kohl ist total unfähig“) verzichtet, und 2002 ließ Angela Merkel Edmund Stoiber nach langem Ringen erst bei dem legendären „Wolfratshauser Frühstück“ den Vortritt. Sowohl Franz Josef Strauß als auch Edmund Stoiber verloren die Bundestagswahl. Ein Bayer könne halt nördlich des „Weißwurstäquators“ (das ist der Fluss Main) nicht reüssieren, sagt die Legende.
Diesmal könnte es aber anders sein. Meinungsumfragen geben dem CSU-Chef 41 Prozent zu 14 Prozent für den CDU-Chef, und sogar nur jedes fünfte CDU-Mitglied ist für eine Kanzlerkandidatur von Laschet.
Laschet als Kanzler wäre „Herr Merkel“
Der Ministerpräsident des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (zweimal so groß wie Österreich) hat ein verschwommenes Profil. Zur Corona-Pandemie vollführt er eine Schaukelpolitik und wird dafür von Merkel deutlich kritisiert. (Die Kompetenz in Pandemiefragen liegt in Deutschland bei den Bundesländern). Zerknirscht bedauert nun Laschet Mängel im Corona-Management sowie „manches persönliche Fehlverhalten“, und er verspricht: „Wir werden das besser machen.“
Hingegen steht Bayerns Ministerpräsident in der Pandemie an der Seite von Merkel, ja er lobt sie demonstrativ, wie überhaupt der Eindruck entsteht, dass Markus Söder die politische Diskussion in Deutschland bestimmt. Und zu Hause in Bayern war Söder noch nie so „grün“ – was als Vorgriff auf eine Berliner Regierungskoalition unter seiner Führung mit den Grünen gedeutet wird.
Bayerns Markus Söder mahnt „Aufbruch“ ein
Laschet muss um Aufmerksamkeit ringen. International hat er kein Profil. Er gilt als Fortsetzung der sogenannten „Merkel-Dämmerung“ (Spitzname: „Herr Merkel“), während Söder „Aufbruch“ anmahnt, „Schlafwagen-Politik“ kritisiert und über „Kamillentee-Strategie“ lästert. Angela Merkel hinterlässt im Herbst viele Baustellen.
Gleichzeitig stichelt der CSU-Chef sowohl gegen den CDU-Vorsitzenden Laschet als auch gegen Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob jeder (Ministerpräsidentenkollege) wirklich den Ernst der Lage verstanden hat“, gibt sich Söder als Macher und Krisenmanager. „Es ist jetzt nicht die Zeit für kleinteilige Streits oder Eifersüchteleien um Kompetenzen.“ Bund und Länder müssten „aus einem Geist heraus handeln“.
CDU-Kanzlerin streitet mit CDU-Vorsitzendem
Auf seinen Kandidaten-Rivalen gemünzt, wundert sich Söder öffentlichkeitswirksam: „Ich finde es sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzende mit der CDU-Kanzlerin ein halbes Jahr vor der Wahl streitet.“
Angesichts schwacher Popularitätswerte für Armin Laschet sprechen sich Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag offen für Markus Söder aus. „Wir müssen mit dem antreten, der die besten Chancen hat“, heißt es, „das ist mit großem Abstand Söder“. Der CDU-Abgeordnete Johannes Steininger im „Spiegel“: „Bei mir im Wahlkreis kenne ich praktisch niemanden, der für Armin Laschet ist.“
Verliert Union Kanzler mit und ohne Laschet?
Die sächsische Abgeordnete Veronika Bellmann: „Wenn Armin Laschet der Union und dem Land einen Dienst erweisen will und selbst ein Höchstmaß an Souveränität an den Tag legen würde, dann würde er seinen Hut nicht in den Ring werfen.“
Der CDU könnte die Qual, mit Laschet die Wahl zu verlieren, überhaupt erspart bleiben durch die Wechselstimmung, die sich im Land breit macht nach den Korruptionsskandalen um Unions-Abgeordnete. Sie hatten für die „Vermittlung“ von dringend benötigten Anti-Corona-Masken sechsstellige Provisionen kassiert. Aus der Not ein Geschäft zu machen, zählt in der Politik zu den absoluten No-Gos.
Wechselstimmung in Deutschland steigt
So könnte die Bundestagswahl im September in Berlin einen Machtwechsel bringen und die Grünen vor die Qual der Wahl stellen: Vizekanzler unter CDU/CSU oder gleich der/die erste(r) grüne(r) Bundeskanzler(in) mit SPD und FDP.
Vorher müssen die Grünen die Frage ihrer Doppelspitze – Annalena Baerbock, Robert Habeck – klären, denn zwei zugleich können (noch) nicht ein Amt besetzen. Baerbock wäre attraktiv als zweite Frau nach der ersten Bundeskanzlerin, aber Habeck ist weit über die Parteigrenzen hinaus populär.
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