Die dritte Corona-Welle rollt über Europa hinweg. Während im Rekordtempo gleich mehrere Impfstoffe zugelassen wurden, fehlt es Ärzten noch immer an wirksamen Medikamenten zur Behandlung ihrer Patienten - trotz weltweit mit Milliardensummen unterstützter Forschung an Arzneimitteln gegen eine Corona-Erkrankung.
Derzeit würden rund 400 verschiedene Substanzen auf Wirksamkeit gegen Sars-CoV-2 untersucht, sagt Stefan Kluge, Koordinator der Behandlungsleitlinien der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Bisher aber habe es bei fast allen Studien negative Ergebnisse gegeben.
Hoffnung auf künstlich hergestellte Antikörper
Zuletzt sei bei der Entwicklung von Arzneien „ein bisschen Ernüchterung“ eingetreten, sagt auch der Infektiologe Clemens Wendtner von der München Klinik. Hoffnungen ruhen etwa noch auf synthetisch hergestellten Antikörpern, die das Virus im Körper außer Gefecht setzen sollen. Doch die Erwartungen sind inzwischen gedämpft. Auch eine Reihe sogenannter antiviraler Substanzen wird untersucht. Bisher fehlt aber ein Mittel, das das Virus spezifisch bekämpft.
Bei Klinik-Patienten wird bisher vor allem das entzündungshemmende und lange bekannte Kortikoid Dexamethason eingesetzt. Es soll eine überschießende Immunreaktion bremsen, die bei Covid häufig auftritt, und gehört zu den laut nationaler Leitlinie empfohlenen Medikamenten.
Erprobte Medikamente müssen aushelfen
Auch andere anti-entzündliche Wirkstoffe werden untersucht. In absehbarer Zeit zugelassen werden könnte der bisher gegen rheumatische Arthritis eingesetzte Wirkstoff Tocilizumab. Zudem greifen Ärzte zu erprobten Arzneien, die je nach Verlauf bei bestimmten Komplikationen schützen. Oft bekommen Klinik-Patienten Blutverdünner - denn Covid-19 erhöht die Gefahr von Thrombosen, Infarkten und Schlaganfällen.
Antibiotika wirkungslos
Wegen der Gefahr einer zusätzlichen bakteriellen Infektion werden häufig auch Antibiotika verabreicht. Doch diese seien gegen das Virus wirkungslos und nur in bestimmten Fällen sinnvoll, mahnt Kluge, der auch Chef der Intensivmedizin am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf ist. Weltweit sei der Antibiotika-Verbrauch mit der Pandemie rasant gestiegen - das werde unter anderem zu weiteren Resistenzen führen. „Antibiotika haben bei Covid-19 primär nichts zu suchen. Da muss man sehr kritisch hingucken.“
Dass überhaupt ein rundum wirksames Heilmittel gegen Covid-19 gefunden wird, gilt als unwahrscheinlich. „Wir werden nichts finden, was die derzeitige Sterblichkeit von 20 bis 30 Prozent auf der Intensivstation auf 0 Prozent reduziert“, sagt Kluge.
Zerstörung der Lunge verhindern
Geforscht wird auch an Medikamenten, die eine Zerstörung der Lunge verhindern. Dabei geht es etwa um sogenannte mesenchymale Stammzellen. Sie werden aus Nabelschnurgewebe gewonnen, sind Vorläufer für verschiedene Zelltypen im Körper - und könnten nach ersten Studien schwer erkrankten Corona-Patienten helfen. Sie sollen Lungengewebe schützen oder regenerieren.
Hoffnungsschimmer schnell verpufft
Vor Monaten wurde die Zulassung des ursprüngliche gegen das Ebola-Virus entwickelten Remdesivir als Meilenstein gefeiert. Das Mittel kommt nun kaum zum Einsatz, wie Ärzte übereinstimmend berichten. Als nicht wirksam und teils sogar kontraindiziert erwies sich das Malaria-Medikament Chloroquin. Trump hatte dieses zu Beginn der Pandemie als Wunderwaffe und „Geschenk Gottes“ gepriesen. Die FDA erteilte dem Mittel die Notfallzulassung - die schon nach einigen Wochen wieder zurückgezogen wurde.
Inzwischen erwies sich auch das Anti-Wurmmittel Ivermectin als Flop. Vor allem in Lateinamerika kauften die Menschen nach Berichten über angebliche Erfolge bei der Covid-Behandlung die Regale leer - doch eine klinische Studie ergab kürzlich keine Wirksamkeit bei Corona.
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