Es ist sein ungewöhnlichstes Buch: Österreichs erfolgreichster Autor, Thomas Brezina (45 Millionen verkaufte Exemplare), spricht mit Conny Bischofberger über „seine“ Heilige Schrift, Ostern im Lockdown und die Kraft des Glaubens.
Im Wiener Stephansdom hat sich an diesem Morgen ein kleines Grüppchen rund um Dompfarrer Toni Faber und den Bestsellerautor Thomas Brezina versammelt. Vor dem 80 Quadratmeter großen violetten Pullover des österreichischen Künstlers Erwin Wurm präsentieren die beiden „ihr“ neuestes Werk - Corona-bedingt ist der Steffl fast menschenleer. Faber hat Brezina, gemeinsam mit Expertinnen und Experten des Erzbischöflichen Schulamtes, bei dessen Arbeit an der „Bibel in Reimen“ beraten. Es sei faszinierend, wie Brezina diesem uralten Text, den er schon Tausende Male gelesen und vorgetragen habe, mit seiner Sprache und seinen Reimen einen ganz besonderen Glanz verleihe, „der jeden tief im Herzen berührt“, so Faber. Das „Krone“-Interview findet anschließend auf einer Kirchenbank statt - im Flüsterton mit zwei Metern Abstand. Die 1,2 Kilogramm schwere „Bibel in Reimen“ liegt zwischen uns.
„Krone“: Was war das für ein Moment, in dem Sie dieses schwere, farbenprächtige Buch zum ersten Mal aufgeschlagen haben?
Thomas Brezina: Es war ergreifend. Ich habe daran geschnuppert, es hat einen sehr feinen Geruch. Papier kann manchmal auch so hölzern riechen, was gut zu Ratgebern passt. Aber dieses Buch hat eine ganz besondere Qualität. Dickes, schönes Papier, wunderbare Illustrationen. Allen Menschen, die daran gearbeitet haben - vom Verlag bis zu meinen theologischen Beraterinnen und Beratern - war diese Qualität besonders wichtig.
Wie kommt man auf die Idee, die Bibel in Reimen zu schreiben?
Ich habe schon die Weltgeschichte in Reimen geschrieben, vom Urknall bis heute. Das ist nur noch nicht veröffentlicht. Dann habe ich überlegt, was ich noch gerne auf diese Art neu erzählen möchte. Reime zwingen mich dazu den Kern zu erkennen und auszudrücken und sprechen jedes Alter an. Das hat eine ganz andere Erzählkraft als jeder Prosatext.
Was haben Sie da mit der Bibel gemacht?
Ich habe mich von ihren Geschichten berühren lassen. Ich kenne diese Geschichten seit meiner Kindheit. Aber wenn du reimst, musst du ganz genau wissen, worüber du schreibst. Beim Reimen muss das Bild klar sein, da kannst du keine Füllsätze verwenden. Und so haben sich viele Fragen ergeben, die mir Experten - von Toni Faber bis hin zu Religionspädagoginnen - auf eine faszinierende Art beantwortet haben.
Welche zum Beispiel?
Die große Frage ist natürlich: Wie kann ich mir Gott vorstellen? Die Antwort ist: Gott ist alles. Die Sonne, der Wind, die Wolken. Gott ist in allem Schönen. Wenn du es siehst, kannst du dich jederzeit mit ihm in Verbindung setzen. Oder die Schöpfungsgeschichte zum Beispiel. Jedes Kind weiß heute, dass es den Urknall gegeben hat. Und wie ist es möglich, dass wir alle von Adam und Eva abstammen? Wir schauen doch alle anders aus. Die Schöpfungsgeschichte soll uns zeigen, wie grandios die Erde ist, wie sehr wir staunen sollten über das, was rund um uns herum entstanden ist, wie sehr wir es schützen sollten. Ist das nicht eine wunderbare Erklärung? Bei Adam und Eva geht es um das Paradies und um die Verführung. Es ist unsere Natur, uns verführen zu lassen, der Schlange zu verfallen. Aber wir haben auch die Möglichkeit, Nein zu sagen.
Wie lange haben Sie an der „Bibel in Reimen“ gearbeitet?
Das Buch hätte eigentlich hundert Seiten dick werden sollen, es sind jetzt 360 geworden. Mittendrin hatte ich das Gefühl, dass ich das nie schaffen werde, ich war überwältigt von den Inhalten, überwältigt davon, wie ich das alles ausdrücken soll. Es wurde immer mehr und mehr, weil ich alles ausschöpfen wollte. Das ging ein Jahr und hat alle Rahmen gesprengt. Menschlich, zeitlich, geistig. Gott sei Dank ist Bernhard Salomon ein Verleger, der gesagt hat: „Wurscht! Schreib einfach weiter. Wir machen das schon.“ Meinem Illustrator gings ähnlich. Am Ende dieser Reise haben wir selber am meisten mitgenommen.
Wie kam es zu diesen farbenprächtigen Illustrationen?
Sie stammen vom Argentinier Pablo Tambuscio, ich arbeite seit acht Jahren mit ihm zusammen. Er ist so reinversunken in diese Arbeit, hat Tag und Nacht nur noch gezeichnet. Seine Illustrationen sind wunderschön geworden. Als ich Pablo in Südamerika besucht habe, gingen wir auf den Platz bei der Kathedrale, in der der Papst früher die Messen gefeiert hat. Das war ein ganz besonderer Moment.
Auf dem Cover des Buchs steht der kindliche Satz: „Sieh die Welt als großen Garten, wo Gottes Wunder auf dich warten“. Ist es eine Bibel für Kinder?
Es ist eine Bibel für Menschen, jeden Alters. Wenn Toni Faber sagt, dass ihn diese Reime zu Tränen gerührt haben, dann ist das die höchste Auszeichnung. Ich wollte Hoffnung, Glaube und Zuversicht ausdrücken, die in der Bibel zu finden sind und auf die Standardsätze verzichten.
Ich wollte Hoffnung, Glaube und Zuversicht ausdrücken, die in der Bibel zu finden sind, und auf die Standardsätze verzichten.
Thomas Brezina
Welchen Reim machen Sie sich auf die Sünde?
Das würde ich jetzt gerne vorlesen. - Schlägt die Bibel auf, sucht die Stelle und trägt den Vers vor. - „Sünde ist voller Absicht Schlechtes machen. Zu verletzen, zu betrügen zu zerstören andrer Sachen.“ Das drückt einen Menschen nieder.
Am Ostersonntag feiern Christen die Auferstehung. Wie ist sie in Ihrer Bibelversion erklärt?
Die Auferstehung soll den Menschen die Furcht vor dem Tod nehmen. Es wird oft versucht, die Gleichnisse in der Bibel naturwissenschaftlich zu erklären, statt die Symbolkraft dahinter zu verstehen. So nimmt man der Bibel die Kraft. Stattdessen sollte man über sie staunen und sich berühren lassen.
Wer versucht, die Gleichnisse in der Bibel naturwissenschaftlich zu erklären, nimmt ihr die Kraft. Stattdessen sollte man über sie staunen.
Thomas Brezina
Wir stecken mitten in einem Lockdown, die Stimmung ist am Boden. Was in der Bibel kann den Menschen Hoffnung geben?
Die Bibel beschreibt sehr klar, dass die Wege, die wir durchs Leben gehen, oft unerklärlich sind, aber sie führen uns immer wohin. Der Glaube daran, dass Dinge einen tieferen Sinn haben, halte ich für sehr stärkend, gerade in einer Zeit, in der alles so ungewiss und unberechenbar ist wie wir es derzeit erleben.
Und wohin führt uns dieser Weg durch die Pandemie?
Ich bin weder ein Hellseher noch ein Zukunftsforscher. Ich glaube, das soll jeder für sich beantworten. Ich glaube nicht, dass wir eine Krise brauchen, um eine Chance zu haben. Aber wenn die Krise schon einmal da ist, dann sollten wir die Chance ergreifen. Was wir alle spüren, ist eine gewisse Entschleunigung des Lebens. Ich frage mich jetzt manchmal: Muss ich wirklich so viel unterwegs sein, wie ich war? Gezwungen zu sein, jetzt in Wien zu bleiben, derzeit nicht in meine zweite Heimat London zu können, ist für mich mittlerweile kein Zwang, keine Strafe mehr, sondern eine Chance. Wobei ich in dieser glücklichen Lage bin, dass sich mein Leben nicht markant verändert hat. Ich bin immer zu Hause gesessen und habe geschrieben. Den Kontakt zu meinem Publikum kann ich derzeit nur elektronisch aufrechterhalten. Wohin alles führt, wir werden sehen. Dass alles wieder so sein wird, wie es war, glaube ich keine Sekunde. Dass alles schlechter wird, das glaube ich auch nicht. Dass vieles anders wird, davon bin ich überzeugt. Einiges sicher aber auch besser.
Sie haben während unseres Gesprächs sehr oft das Wort „glauben“ verwendet. Woran glauben Sie?
Im religiös-christlichen Sinne glaube ich, dass es eine Macht über uns gibt, die es gut mit uns meint, an die wir uns wenden können. Wir können diese Macht Gott nennen. Ich glaube, dass ich durch das Gebet sehr viel an guter Energie erzeugen kann. Ich glaube an das Wiedererwachen. Ostern heißt ja auch, dass nach dem Winter der Frühling kommt. Man kann sich in der kalten Jahreszeit gar nicht vorstellen, dass schon bald wieder alles blühen wird. Wenn das möglich ist, dann ist alles im Leben möglich.
Gibt es dazu ein Beispiel aus Ihrem Buch?
Ja, meine Lieblingsstelle, wo Jesus über das Wasser geht und Petrus, der mittendrin seinen Glauben verliert, geht unter. Das ist die Kraft bzw. die Macht des Glaubens und zeigt aber auch unsere Verantwortung im Leben, den Glauben zu behalten. Das erinnert mich an ein Foto meiner Großtanten, die kein einfaches Leben hatten, denen furchtbare Dinge widerfahren sind. Auf den Bildern, die ich vor Kurzem wieder angeschaut habe, siehst du sie richtig aus den Augen strahlen. Weil sie gläubig waren und so ihren Frieden mit dem Leben geschlossen haben. Es geht um den Halt in einem bewegten Leben. Wir werden weder wie Marionetten geführt, noch wird uns absichtlich etwas vor die Füße geworfen. Wir entscheiden selbst, wie wir mit dem Schicksal umgehen und Glaube gibt dafür Hilfe und Kraft.
Sind Sie eigentlich praktizierender Katholik?
Ich bin Christ. Von meinen Eltern mit christlichen Werten extrem liebevoll erzogen. Ich gehöre keiner Kirche an. Ich fühle mich dort wohl, wo ich mich akzeptiert und aufgehoben fühle.
Fühlen Sie sich in der katholischen Kirche, die gerade wieder bekräftigt hat, homosexuelle Paare nicht zu segnen, wirklich akzeptiert und aufgehoben?
Ich unterscheide zwischen der Kirche und den Menschen, die diese Kirche vertreten. Toni Faber hat sehr deutlich Stellung genommen und auch Kardinal Christoph Schönborn hat klare Worte gefunden. Ich fand es sehr verletzend, was da vom Vatikan herausgegeben wurde. Weil es um Liebe und Respekt geht. Aber ich will weder werten noch abwerten. Das tut auch ein Toni Faber nicht. Er hat immer schwule Paare gesegnet und er wird es weiter machen. Damit haben Sie meine Antwort.
Haben Sie und Ihr Mann Ivo sich auch segnen lassen?
Wir haben uns nicht segnen lassen. Noch nicht. Aber das kann sehr wohl noch kommen.
Sie tragen heute ein Sakko mit Schottenkaro. Eine Hommage an Ihren Zweitwohnsitz?
Lacht. - Ich war ein Jahr nicht in London, natürlich habe ich Sehnsucht. Aber ich habe auch ein wunderbares Jahr hier in Wien erlebt, wunderbar mit allen Einschränkungen, unter denen jeder von uns auf eine andere Art leidet. Ich verbringe normalerweise acht Monate in Österreich und vier Monate in England. Mit diesem Verhältnis rechne ich aber nicht vor 2022.
Wird England nach dem Brexit noch dasselbe Land sein?
Ich fürchte nicht. Aber vorerst werde ich dennoch dort bleiben. Was in drei oder fünf Jahren sein wird, weiß ich nicht.
Herr Brezina, Sie schreiben Bücher am Fließband, mehr als 500 sind es bisher. Arbeiten Sie schon am nächsten Buch?
Ja. Schreiben ist eines meiner höchsten Gefühle von Lebendigkeit. Mein nächstes Buch wird ein Kinderroman und im Herbst habe ich einen sehr ungewöhnlichen Krimi für Erwachsene in Planung.
Sie sind mit dem Schreiben Multimillionär geworden. Was ist Ihr größter Luxus?
Ich würde mich nie so bezeichnen.
Wollen Sie es dementieren?
Ich halte nichts davon, wenn mir vorgerechnet wird, was ich verdient haben müsste. Und ich will mich dafür auch nicht verteidigen. Mein größter Luxus … Mein Vater hat gesagt: „Platz und Zeit ist der größte Luxus.“ Platz fürs Schreiben zu haben und Zeit für die Menschen, die mir wichtig sind. Das ist für mich der größte Luxus.
An welchem Platz schreiben Sie?
In Herzen von London ist es das Dachgeschoß einer zweistöckigen Wohnung mit Blick auf die Stadt. In Wien arbeite ich in einem winterfesten Wohnwagen, der in unserem Garten steht, mit einem 180-Grad-Blick auf Steinfiguren, Bäume und einen Schwimmteich.
Was wird in 20 Jahren sein?
Da bin ich 78 … Und werde genau dasselbe machen, was ich schon als Siebenjähriger machen wollte. Mir immer neue Geschichten ausdenken.
Geboren am 30. Jänner 1963 in Wien. Seit 1990 veröffentlichte Brezina mehr als 560 Kinder- und Jugendbücher, die in mehr als 35 Sprachen übersetzt wurden. Seit 2017 schreibt er auch Romane und Ratgeber für Erwachsene. Er präsentiert und produziert Fernsehformate und gestaltet Erlebniswelten. Verheiratet mit Ivo, einem holländischen Maler. Die beiden leben mit ihrem Hund „Joppy“ in Wien-Mauer. „Die Bibel in Reimen“ erscheint im Verlag edition a und kostet 24,80 €.
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