Fünfter Wahlgang?
Korruptionsprozess und Neuwahlgerüchte in Israel
Inmitten der politischen Weichenstellungen für die nächsten Jahre in Israel muss der Wahlsieger Benjamin Netanyahu in einem Korruptionsprozess aussagen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm dezidiert Korruption und Machtmissbrauch vor. Netanyahu selbst spricht von einem „Putschversuch“. Noch während der Gerichtsverhandlung führte Präsident Reuven Rivlin erste Gespräche mit Parteipolitikern über Möglichkeiten zur Regierungsbildung - sollten diese scheitern, droht die fünfte vorzeitige Neuwahl in Folge.
Die leitende Staatsanwältin Liat Ben-Ari sprach in ihrem Eröffnungsplädoyer am Montag von einem „ernsten Fall von Korruption durch die Regierung“. Ben-Ari warf dem seit zwölf Jahren amtierenden Ministerpräsidenten vor, die ihm anvertraute Regierungsmacht unter anderem dazu genutzt zu haben, „unzulässige Vorteile von Eigentümern großer Medien in Israel zu verlangen“. Er habe damit seine eigenen Interessen verfolgt, „auch in seinem Bestreben, wiedergewählt zu werden“.
Netanyahu startet Gegenangriff
Netanyahu erschien zu dem Termin persönlich vor dem Bezirksgericht in Jerusalem. Seine Teilnahme an den Eröffnungsplädoyers war von den Richtern angeordnet worden. Vor dem Beginn der Zeugenanhörung durfte Netanyahu die Verhandlung aber wieder verlassen. Anschließend übte er in einer Erklärung scharfe Kritik an Ben-Ari. Nicht er selbst, sondern die Staatsanwaltschaft habe die ihr anvertraute Macht „unrechtmäßig“ nutzt, erklärte Netanyahu.
Druck auf Medien ausgeübt?
Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage gegen Netanyahu auf mehr als 300 Zeugenaussagen. Als erster Zeuge sagte der ehemalige Chef der Nachrichtenwebsite Walla, Ilan Jeschua, aus. Er gab an, regelmäßig Anweisungen von Netanyahu-Verbündeten erhalten zu haben, Artikel zu veröffentlichen, die entweder ein gutes Licht auf den Regierungschef oder ein schlechtes auf dessen Gegner warfen.
Netanyahu ist als erster amtierender Ministerpräsident des Landes wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue angeklagt. Er wird unter anderem beschuldigt, der Telekommunikationsfirma Besek Gefälligkeiten im Gegenzug für eine positive Berichterstattung auf der zu dem Konzern gehörenden Website „Walla“ gewährt zu haben. Weitere Vorwürfe beziehen sich auf Luxusgeschenke, die Netanyahu und seine Angehörigen von reichen Persönlichkeiten im Gegenzug für finanzielle und persönliche Vorteile angenommen haben sollen. Er selbst weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sich als Opfer einer politischen „Hexenjagd“.
Schwierige Regierungsbildung
Ebenfalls am Montag traf sich Präsident Rivlin mit Parteivertretern, um nach der Parlamentswahl am 23. März die Möglichkeiten für eine Regierungsbildung auszuloten. Netanyahus Likud-Partei war bei dem Wahlgang - dem vierten in nur zwei Jahren - stärkste Kraft mit 30 von 120 Parlamentssitzen geworden. Weder das Netanyahu-Lager noch seine Gegner konnten jedoch bisher eine Einigung auf eine Regierungskoalition erreichen.
Fünfte Neuwahl in Folge droht
Traditionell überträgt Israels Präsident jenem Spitzenkandidaten die Regierungsbildung, der den meisten Zuspruch von Abgeordneten erhält. Die meisten Empfehlungen von Parlamentariern erhielt am Montag Netanyahu mit 52 Stimmen. 45 Empfehlungen entfielen auf den Liberalen Jair Lapid von der Partei Jesch Atid. Seine Entscheidung will Rivlin nach Angaben seines Büros an diesem Dienstag bekannt geben.
Der von Rivlin bestimmte Kandidat hat dann 28 Tage Zeit, ein Regierungsbündnis zu formen. Gelingt ihm dies nicht, droht Israel die fünfte Neuwahl in Folge. Rivlin kann diese Frist einmal um 14 Tage verlängern.
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