Mit „Jenseits von Eden“ wurde Nino de Angelo 1983 zum Schlagerstar - doch der berufliche als auch private Absturz war hart und scheinbar endlos. Mit 57 gelingt dem Stehaufmännchen nun ein doppeltes Comeback als Musiker und Buchautor mit der Lebensbeichte „Gesegnet & verflucht“. Im Talk mit der „Krone“ erzählt der Deutsche offen und ehrlich über die lichten Hochs und vielen Tiefs eines einzigartigen Lebens.
Drogenexzesse, Frauengeschichten, Unfälle, fatale Karriereentscheidungen, Krankheiten und Operationen, Hits und Abstürze - kaum ein Promi-Leben liest sich so bunt wie jenes von Nino de Angelo. Der Karlsruher hatte 1983 im zarten Alter von 19 Jahren mit dem Drafi-Deutscher-Song „Jenseits von Eden“ einen Schlagerhit, der über den deutschsprachigen Raum hinaus glänzte und ihn zum Superstar machte - doch da wusste er noch nicht, dass er fast 40 Jahre von Fehlentscheidungen, Fehltritten und Schicksalen gebeutelt werden würde. Mit 57 befindet sich der Deutsche italienischer Abstammung nun aber an der späten Spitze seiner Karriere. Sein Album „Gesegnet & verflucht“ landete in Österreich und Deutschland auf Platz zwei der Charts, die gleichnamige Autobiografie überzeugt mit kurzweiliger und schonungsloser Ehrlichkeit, wie man sie sich von vielen anderen Künstlern wünschen würde. „Eigentlich wissen die Leute schon genug von mir“, erzählt er der „Krone“ im Interview, „aber wenn ich schon so etwas in die Hand nehme, dann muss wirklich alles rein. Wie ich ticke, warum ich bin, wie ich bin und weshalb die Dinge in meinem Leben so passiert sind.“
Bunter Hund
Auf etwas mehr als 200 Seiten handelt de Angelo sein buntes Leben ab und erzählt offen und schonungslos von 30 Jahren Kokser-Karriere, von menschlicher Loyalität, die ihm berufliche Chancen nahm, von seiner überstanden Krebserkrankung, von den unzähligen Scheidungen und Frauengeschichten und von den vielen Versuchen, sich selbst zu finden. Kaum ein Musiker war in seiner Karriere so bunt und vielseitig unterwegs wie Nino de Angelo. Schlagerstar mit „Jenseits von Eden“, der missglückte Versuch beim Song Contest mit dem „Flieger“-Lied, der Ausflug in die Techno- und Eurodance-Welt der 90er-Jahre oder die Wiederbelebung von „Jenseits von Eden“ mit dem deutschen Rapper Eko Fresh, mit dem er heute noch regen freundschaftlichen Kontakt pflegt. „Ich liebe es einfach Musik zu machen. Ich komponiere nie mit dem Kopf, sondern sehr intuitiv. Als ich vor mehr als 30 Jahren mit der Musik anfing, konnte ich weder Noten lesen, noch Klavier spielen, aber ein paar Akkorde reichten zum Experimentieren aus. Und Eko hat zum Beispiel so tolle Zeilen geschrieben, dass er ,Jenseits von Eden‘ direkt wiederbelebte.“
Umso besser freilich, wenn sich Neugierde und Innovationsgeist mit dem Monetären vermischen lassen. „In den 90ern hatte ich ein Joint Venture mit Mr. President. Ich habe dort 20 Minuten zum Einsingen gebraucht und bin mit einem Scheck von 50.000 Deutschen Mark nach Hause gegangen“, lacht er laut auf, „so leicht habe ich noch nie Geld verdient.“ Dass de Angelo Geld laut Eigenbekunden nichts bedeutet, könnte damit zusammenliegen, dass er nie wirklich damit umgehen konnte. Auch mit diesem Teil seines Lebens geht er in seinem Buch sehr offen um und schreibt schonungslos über die zwei Privatinsolvenzen, die ihn über viele Jahre lang verfolgten. „Früher war mir einfach alles egal, ich habe die Kohle mit beiden Händen rausgeballert. Natürlich hätte ich mir Immobilien kaufen können, aber ich habe es lieber versoffen, gut gegessen oder mir einen Porsche gekauft. Hätte man mir einmal 100 Millionen Euro geschenkt, wäre ich wahrscheinlich schon tot.“
Geliebter Feind
Einen besonderen Platz im Leben des Nino de Angelo nimmt Hit-Produzent Dieter Bohlen ein. Bis es 1989 zur Song-Contest-Kooperation mit „Flieger“ kam, sagte de Angelo dem schillernden Songschreiber mehrmals eine Zusammenarbeit ab. Während des ESC kam es zum temporären Bruch, weil Bohlen auch beim Österreicher Thomas Forstner die Finger im Spiel hatte und sich nicht mehr um seinen deutschen Künstler kümmerte. „Damals war ich so sauer, dass ich ihn aus meiner Limousine warf“, erinnert sich de Angelo lachend zurück, „mit ihm übrigens auch Rudi Dolezal und Hannes Rossacher, die alle nicht fassen konnten, was da passierte. Dieter sah mich dann mit dem Arsch nicht mehr an.“ Nachtreten ist im Buch „Gesegnet & verflucht“ aber tabu, der friedliebende Künstler geht lieber hart mit sich selbst ins Gericht. Mit Bohlen pflegt de Angelo heute zwar keine dicke Freundschaft, aber eine respektvolle Kollegialität. „Dieter ist wohl mehrere Hundert Millionen schwer. Ich habe ihn mal gefragt, ob er der reichste Mann am Friedhof sein will, der gibt ja nicht mal seiner Frau die Kreditkarte zum Einkaufen.“
Der ehrliche Seelenstriptease fiel de Angelo nicht so leicht, wie es beim Lesen des Buches den Anschein macht. „Nach dem ersten Kapitel war ich erst einmal panisch und wollte das Projekt schon abblasen. Der Verlag hat mich dann freundlich und bestimmt daran erinnert, dass das zu viel kosten würde. Also nahm ich mir eine Woche Pause um mich zu sammeln und habe dann wieder losgelegt.“ Für den Künstler war das Schreiben Therapie. Aufzuarbeiten hatte er nach gut vier Dekaden voller Skandälchen und Skandale mehr als genug. „Das Buch ist brutal ehrlich, aber auch witzig und sarkastisch. So wie ich selbst auch bin. Ich gehe hart mit mir ins Gericht, schließlich habe ich mein Leben lang gegen mich selbst gekämpft. Ich hatte oft Phasen, wo ich mit meinem Leben nicht mehr zurechtkam und nicht fassen konnte, warum ein Misserfolg dem anderen folgte. Ich wusste immer, dass ich einer der besten Sänger weit über die deutschen Grenzen hinaus war, aber ich bekam viele Jahre keinen Fuß auf die Erde.“ Eine Fortsetzung der Lebensbeichte schließt er kategorisch aus. „Das wird definitiv mein einziges Buch sein. Die Sache ist vom Tisch und erledigt.“
Phönix aus der Asche
Mit dem Album „Gesegnet & verflucht“ hat sich de Angelo im Spätherbst seiner Karriere noch einmal in lichte Höhen aufgerafft. Und zwar mit einem Sound á la Unheilig, der förmlich nach opulenten Pyro-Liveshows schreit. Der Künstler selbst tritt mit Tätowierungen, Vollbart und in Lederjacke auf - auch eine Typänderung um 180 Grad. „Manchmal musst du alles in deinem Leben abreißen, damit du die Dinge wieder völlig neu aufbauen kannst. Ich musste auferstehen wie Phönix aus der Asche, denn anders hätte es nicht funktioniert.“ Dass de Angelo plötzlich in düsteren Deutschrock-Sphären wildert, liegt an Produzent Chris Harms. Der ist Frontmann der Dark-Rocker Lord Of The Lost, Produzent von „Gesegnet & verflucht“ und lernte den Schlagerstar mehr oder weniger via Instagram kennen. „Er produzierte in dem Studio, in dem ich ,Jenseits von Eden‘ einspielte. Ein gemeinsamer Freund verknüpfte uns, wir verstanden uns bestens und heraus kam dieses Album“, erzählt ein euphorischer Nino de Angelo die Geschichte in der Kurzversion.
„Ich hatte schon immer den einen oder anderen Radiohit, aber man hat mir die Messlatte von ,Jenseits von Eden‘ immer zu spüren gegeben. Vor drei Jahren habe ich kurz gedacht, ich höre mit dem Songschreiben auf. Mein letztes, meiner Meinung nach gelungenes, Album hatte keinen Erfolg und ich war richtig verzweifelt. Wenn man selbst nicht mehr für etwas brennt, dann wird es auch nichts mehr.“ Die schicksalshafte Begegnung mit Harms hat de Angelos Karriere nicht nur gerettet, sondern richtiggehend reaktiviert. „Wir haben alle sehr schnell gefühlt, dass das ein richtig gutes Album werden würde. Dank der Pandemie hatte ich auch sehr viel Zeit, mich intensiv mit allen Nummern zu beschäftigen und so war ,Gesegnet & verflucht‘ von A bis Z in etwa fünf Monaten fertiggestellt. Ich wusste von Anfang an, das Album würde jetzt der totale Erfolg werden oder komplett nach hinten losgehen. Zum Glück hat es so gut geklappt.“
Blut geleckt
Die präsenten Pensionsgedanken hat Nino de Angelo angesichts des Erfolgs vorerst nach hinten verschoben. Ein bis zwei große Tourneen und ein weiteres Album kann er sich vorstellen, so es die Weltlage rund um Corona zulässt. Das private Glück hat er in mit seiner Freundin und Ehefrau in spe Simone auf einem Pferdehof im Allgäu gefunden. Dass das ewige Stehaufmännchen unheilbar an der Lungenkrankheit COPD leidet, nimmt er gelassen hin. „Ich habe eine Technik gefunden, wie ich singen kann, das ist das Wichtigste. Alles andere lässt sich nicht ändern. Aber jetzt habe ich musikalisch natürlich noch einmal Blut geleckt. Ich spüre die Glückshormone und alles macht wieder richtig viel Spaß. Ich plane mal für die nächsten fünf Jahre, aber dann ist Feierabend. Irgendwann muss auch einmal Schluss sein und ich gehe wieder gemütlich angeln.“
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