Der Auftragsmord an einem Gegner des tschetschenischen Diktators Ramsan Kadyrow im Juli 2020 sorgte für großes Aufsehen. Vor Gericht stand am Donnerstag der Bodyguard - des Opfers. Er wollte auf den flüchtenden Täter schießen, was ihm 14 Jahre Haft wegen Mordversuchs einbrachte. In Fachkreisen und auch in Foren sorgt das Urteil für Unverständnis.
Bereits 2009 wurde in Wien ein Kadyrow-Gegner ermordet. Die Täter wurden abgeurteilt, Hintermänner nie gefasst. Opfer Umar I. war ein guter Freund jenes Mannes, der am 4. Juli 2020 auf einem abgelegenen Firmengelände in Gerasdorf bei Wien erschossen wurde.
Ich habe Martin gewarnt, nicht dorthin zugehen.
Ahmed A.
Martin B. (43) lebte seit Jahren in Österreich und betrieb einen Blog, auf dem er Präsident Kadyrow vor allem wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierte. Da sich im Frühsommer die Sicherheitslage für ihn zuspitzte, verständigte er einerseits die Polizei, andererseits wurde er von einem Freund begleitet.
Auch zu dem Treffen am 4. Juli 2020 kam Ahmed A. (37) mit. „Ich habe Martin gewarnt, nicht dorthin zu gehen“, sagt der Mann jetzt vor Gericht in Korneuburg. Doch Martin B. wollte das Treffen, bei dem es um den Tausch eines alten BMW gegen eine Glock-Pistole ging, nützen. Er wusste, dass sein Geschäftspartner ein Anhänger Kadyrows ist, und wollte ihn in eine Falle locken. Doch der Plan endete für ihn tödlich.
Nur durch die Aussagen meines Mandanten konnte der Täter gefasst werden.
Anwalt Michael Schnarch
Die Pistole hatte Ladehemmung
Auch „Bodyguard“ Ahmed A. konnte nicht verhindern, dass sein Freund erschossen wurde. Er wollte dem Mörder nachschießen, doch seine Pistole hatte wegen einer verklemmten Patrone Ladehemmung.
„Er wollte nur auf die Reifen schießen“
Trotzdem warf ihm die Anklage Mordversuch vor. Was Anwalt Michael Schnarch kritisiert: „Nur durch die Aussagen meines Mandanten konnte der Mörder gefasst werden. Und mein Mandant wollte nur auf die Reifen schießen.“ Doch das glaubten die Geschworenen nicht. Sie verurteilten Ahmed A. wegen Mordversuchs, unerlaubten Waffenbesitzes und verbotenen Besitzes von Nazi-Fotos zu einer Haftstrafe von 14 Jahren. Der Angeklagte meldete sofort Berufung an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
In Fachkreisen und auch in Foren sorgte das Urteil für Unverständnis. Für die Annahme, Ahmed A. hätte den flüchtenden Mörder töten wollen, wenn seine Pistole nicht Ladehemmung gehabt hätte, sind auch in der Anklage wenig Hinweise zu finden. Ahmed A. hatte von Anfang an erklärt, er habe nur auf die Reifen des Autos schießen wollten, um die Flucht zu stoppen. Unbeteiligte Zeugen, die den Beschuldigten belastet hätten, gab es bei dem Treffen keinen.
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