Gespräche in Wien:
„USA-Iran-Abkommen hing immer am seidenen Faden“
Diese Woche haben der Iran und die USA in Wien Gespräche gestartet, die zum Ziel haben, das Atomabkommen wiederaufzunehmen. Aber nicht direkt: Es vermitteln Vertreter aus Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Die Verhandlungen im Grand Hotel sind diplomatisch extrem heikel, und doch ist ein positiver Ausgang für die Nahostregion entscheidend. Was wohl herauskommt, das erklären der Politikwissenschaftler Prof. Heinz Gärtner und der Iran-Experte Dr. Walter Posch im Gespräch mit Damita Pressl bei „Moment Mal“.
„Es war in jeder Hinsicht eine schlechte Entscheidung“, kommentiert Gärtner den Ausstieg Trumps aus dem Atomabkommen 2018. Denn die große Errungenschaft des ebenfalls in Wien unterzeichneten Deals 2015 war, dass dieses eben nicht politisch war: „Man ist von einer politisch-ideologisch überfrachteten, spannungsgeladenen Situation in sehr technische Details hineingegangen. Man hat damals einen sehr technischen, für Außenstehende sehr schwer lesbaren, aber eben deswegen auch sehr gut funktionierenden Vertrag formuliert“, erklärt Posch. Der bestand im Kern darin: iranische Atomanlagen würden zusätzlich inspiziert, es gab Grenzen für die Anreicherung von Uran, und im Gegenzug würden die USA Sanktionen abbauen. Gärtner spricht vom „besten Rüstungskontrollabkommen der Geschichte“.
Das Abkommen wurde international als großer Erfolg gefeiert, doch kritische Stimmen gab es immer, und das nicht nur aus der Ecke der US-Republikaner, die grundsätzlich gern alles schlechtredeten, was der demokratische Ex-Präsident Barack Obama zu verantworten hatte. „Man hat größere strategische Fragen nicht angesprochen“, erklärt Posch, und habe somit die Regionalpolitik des Landes außer Acht gelassen. Der Iran hielt sich an das Abkommen, „die IAEA-Berichte waren meistens in Ordnung, aber die Tatsache, dass etwa die Raketenaufrüstung der Iraner nicht diskutiert wurde, hat den Gegenstimmen starken Aufwind gegeben“. Doch Gärtner gibt zu bedenken: „Es gibt kein einziges Rüstungsabkommen der Geschichte, das regionales Verhalten mit einbezieht. Es gibt auch kein einziges Rüstungsabkommen, das nur Raketen oder konventionelle Waffen einer Partei oder eines Staates begrenzt. Die Raketenfrage müsste man im regionalen Kontext ansprechen.“
Der Ausstieg Trumps, den Gärtner als Völkerrechtsbruch verurteilt, kam nicht gänzlich überraschend. Posch: „Das ganze Abkommen ist immer am seidenen Faden gehangen, auch unter Obama. Es war immer ein Problem, Sanktionserleichterungen von Seiten der amerikanischen Regierung zu bekommen. Es war wirklich sehr, sehr knapp. Bei einer veränderten Konstellation musste man immer befürchten, dass das zusammenbrechen kann.“
Die Wiederaufnahme der Gespräche ist heikel, unter anderem, weil die Fronten sehr verhärtet sind. Das Regime im Iran, erklärt Posch, lebe seit Jahrzehnten von einer anti-amerikanischen Ideologie und bestehe darauf, als Regionalmacht anerkannt zu werden. Das Land brauche das Feindbild USA, so hinderlich das auch für Verhandlungen sei: „Wir haben immer versucht, dem Iran zu erklären, wenn sie da ein wenig runterschrauben können, können sie mit einer konstruktiven Haltung viel mehr erreichen“. Umgekehrt hallt in den USA die Geiselnahme von 1979 nach. „In den USA wird die anti-iranische Position sehr gepflegt. Aber zum Vergleich: Im Vietnamkrieg sind 50.000 amerikanische Soldaten gefallen. Vietnam ist sehr diktatorisch, kommunistisch, und die USA haben beste Beziehungen mit Vietnam“, so Gärtner.
Nun wird indirekt verhandelt, denn die USA sind eigentlich nicht mehr Vertragspartner. Es geht unter anderem um den Zeitplan, erklärt Posch: „Das Problem der Laufzeiten wird in der Öffentlichkeit sehr ignoriert.“ 2015 habe es einen klaren Kalender gegeben, wie lang gewisse Beschränkungen etwa auf Anreicherung und Lagerungen gelten sollten. Nun ist unklar, mit welchem Zeitpunkt man das Vertragsverhältnis wiederaufnehmen wolle, sagt Gärtner stellt die Frage: „Zu welchem Vertrag soll man zurückgehen? So einfach ist das nicht.“
Dennoch wünschen sich Posch und Gärtner Ergebnisse: „Das ideale Resultat wäre eine Rückkehr der USA in das Abkommen und dass dann sowohl die Iraner als auch die USA und die jeweiligen Verbündeten in der Region deeskalieren“, sagt Posch. Und Gärtner wagt einen kühnen Traum: Biden könnte den Iran diplomatisch anerkennen, „dann würden viele Kommunikationsprobleme wegfallen“. Das sei allerdings auch angesichts der innenpolitischen Opposition in den USA nicht realistisch.
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