Mehrheit dagegen

Erster Betriebsrat bei Amazon in USA gescheitert

Ausland
09.04.2021 18:52

Der Versuch der Bildung der ersten Gewerkschaftsvertretung beim Onlineversandhändler Amazon in den USA ist gescheitert. Bei der live übertragenen Stimmauszählung erreichte das Nein-Lager am Freitag die Mehrheit. Die Abstimmung in einem Amazon-Logistikzentrum in Bessemer im Bundesstaat Alabama hatte große symbolische Bedeutung: Amazon ist strikt gegen die Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen und warb offensiv für ein Nein. Gegen die Wahlkampfmethoden des Konzerns legt die Einzelhandelsgewerkschaft RWDSU nun Beschwerde ein. 

Die Mobilisierungskampagne für das Votum war auf beiden Seiten scharf geführt worden und hatte internationale Aufmerksamkeit erregt. Von den mehr als 5800 Mitarbeitern des Logistikzentrums gaben letztlich 3215 ihre Stimme ab. Bei der laufenden Stimmauszählung überschritt das Nein-Lager am Freitagvormittag (Ortszeit) die Mehrheitsschwelle von 1608 Stimmen. Zu diesem Zeitpunkt waren lediglich etwas mehr als 600 Ja-Stimmen gezählt.

Das Ja-Lager hatte die Unterstützung des bekannten US-Senators und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders. (Bild: APA/AFP/Patrick T. FALLON)
Das Ja-Lager hatte die Unterstützung des bekannten US-Senators und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders.

Debatte über Arbeitsbedingungen
Die Initiative der Gewerkschaft RWDSU hatte eine landesweite Debatte über die Arbeitsbedingungen bei dem Versandhändler mit seinen 800.000 Angestellten in den USA ausgelöst. Gewerkschaften und auch Politiker wie der bekannte Senator Bernie Sanders beklagen seit langem, dass die Beschäftigten bei Amazon einem hohen Arbeitsdruck und einer permanenten Kontrolle ausgesetzt seien.

Die Belegschaft des Amazon-Lokgistikzentrums in der Stadt Bessemer in Alabama stimmte über die Bildung eines Betriebsrats ab. (Bild: APA/AFP/Patrick T. FALLON)
Die Belegschaft des Amazon-Lokgistikzentrums in der Stadt Bessemer in Alabama stimmte über die Bildung eines Betriebsrats ab.

Anti-Betriebsrats-Flyer auf Toiletten
Amazon selbst ging entschieden gegen die Pläne vor. In dem Logistikzentrum in Bessemer sprach sich die Geschäftsleitung bei Konferenzen und sogar auf Flyern in den Toiletten gegen Gewerkschaften aus. Sie richtete auch eine Internetseite ein, auf der sie Argumente anführt, warum eine Gewerkschaft unnötig sei. Der Internet-Gigant argumentiert, dass er überdurchschnittliche Löhne und Zuschüsse zahle.

Gewerkschaft legt Beschwerde ein
Die RWDSU legt gegen die Methoden während des Wahlkampfs offiziell Beschwerde bei der US-Arbeitsschutzbehörde ein, wie sie auf Twitter bekannt gab. Sie wirft Amazon vor, die Abstimmung mit „Lügen, Täuschung und illegalen Aktivitäten“ sabotiert zu haben. So habe man Arbeiter mit Textnachrichten mit Falschinformationen „bombardiert“ und sogar bei ihnen zu Hause angerufen. Vor allem kritisiert die Gewerkschaft, dass auf dem Betriebsgelände eine Wahlurne aufgestellt worden sei, obwohl die Arbeitsschutzbehörde dies untersagt habe. So habe der Konzern die Belegschaft beeinflussen können.

Amazon profitiert von der Pandemie
Der Konzern hatte zuletzt massiv von in zahlreichen Ländern geschlossenen Geschäften im Zuge der Corona-Lockdowns weltweit profitiert, da sich der Handel umso mehr ins Internet verlagerte. Der Umsatz von Amazon legte im vergangenen Jahr um 38 Prozent auf rund 386 Mrd. Dollar (325 Mrd. Euro) zu, der Gewinn verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahr auf mehr als 21 Mrd. Dollar (rund 17 Mrd. Euro).

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