Kaum einer kennt sie - und doch sollte man sie am Schirm haben: Die Entwicklerszene von Videospielen in Tirol. Weltweit ist die Gaming-Branche die erfolgreichste in der Unterhaltungsindustrie - mit Abstand. Zwei Studios sind auch in Innsbruck beheimatet.
„Der Mensch ist ganz Mensch, wenn er spielt“, hat der Dichter Friedrich Schiller einmal gesagt. Und es sieht so aus, als wäre der Mensch ziemlich oft „ganz Mensch“: Knapp 60 Prozent der Österreicher nutzen Videospiele - also 5,3 Millionen! Innerhalb der Unterhaltungsindustrie - also Musik, Kino, Streaming-Dienste und so weiter - haben Videospiele längst alles andere weit hinter sich gelassen. Wie die WKO schreibt, sichern die heimischen Entwickler 958 Arbeitsplätze, machen jährlich einen Umsatz von 24 Millionen Euro und eine Wertschöpfung von 51 Millionen. Weltweit liegen die Umsätze alleine für PC-Spiele bei 31 Milliarden.
20 Jahre Forschung
Ursprünglich wurden Videospiele im militärischen Kontext entwickelt, wie Tobias Unterhuber von der Universität Innsbruck erklärt. Mittlerweile erfreuen sie Menschen quer durch die Gesellschaft. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich nun auch die Forschung mit Videospielen, während sich zeitgleich die Ästhetik der Spiele ständig selbst übertrifft. Jede geistige Größe hat sich irgendwann zum Spielen geäußert, von Sigmund Freud bis zu Immanuel Kant. Es scheint, als spielt die Menschheit einfach gerne. Und davon lässt sich leben – zumindest, wenn man Erfolg hat.
Auch in Tirol, wie die zwei Innsbrucker Studios zeigen - obwohl man, was Förderungen angeht, sehnsüchtig nach Deutschland blickt. Was die Ausbildung betrifft, ist Tirol nicht gut aufgestellt - wer hier Spieleentwickler werden will, muss es sich selbst beibringen - oder weiterziehen.
Angefangen aus Leidenschaft
Julian Mautner ist CEO von „sillalive studios“. Das Studio am Sparkassenplatz in Innsbruck beschäftigt knapp 40 Mitarbeiter. Sein bisher erfolgreichstes Spiel ist ein „Bus-Simulator“. Er sagt: „Es ist nicht leicht, es gibt extrem viel Konkurrenz, auch viele unprofessionelle Teams. Am Anfang ist es sehr schwierig - wir haben aus Leidenschaft und Naivität angefangen. Aber ich würd’ es wieder machen, nur besser. Die ersten fünf Jahre waren ein Auf und Ab. Inzwischen haben wir mehrere Partner, mit denen wir immer wieder zusammenarbeiten. Wir haben eine Reputation, wir haben erfolgreiche Spiele am Markt. Das Vertrauen der Partner, dass ihre Investments gut angelegt sind, wächst. Mittlerweile ist es auch rentabel.“
Spaß und Kontakte, aber Minimal-Gehalt
Michael Schiestl ist CEO vom Studio ClockStone, das sich im Saggen in Innsbruck befindet und zehn Mitarbeiter beschäftigt. Bekanntestes Spiel: der „Bridge Constructor“. Auch er berichtet von schwierigen Anfängen: „Es hat sich zuerst überhaupt nicht rentiert. Wir hatten Spaß und Kontakte, aber für ein Minimal-Gehalt gearbeitet - jahrelang. Besser ist es erst geworden, als wir das Spiel „Bridge Constructor“ auf den Markt gebracht haben. Unser Hauptvertriebspartner, Headup-Games, hat sich diesen Titel gewünscht. Wir haben aber die Rechte behalten, um das Spiel auch noch auf anderen Plattformen anbieten zu können.“
Probleme in der Branche
„Das Interesse ist da, das sieht man auch an den Masterarbeiten, die Videospiele immer mehr zum Thema machen“, erzählt Unterhuber. Auch der Spieleraum am Wiltener Platzl läuft normalerweise gut. Trotzdem scheint die Spiele-Skepsis groß zu sein: Vor einigen Jahren wurden sie immer wieder in Zusammenhang mit jugendlichen Amokläufern gebracht - fördern diese Spiele Gewalt? „Davon geht man nicht aus. Gewalt ist Teil der Unterhaltungsindustrie - auch in Filmen und Musik. Da muss man sich eher die Frage stellen, warum gibt es grundsätzlich diese Obsession mit Gewalt?“
Ein wirkliches Problem der Spieleindustrie sind die Arbeitsbedingungen in großen Studios. Kurz vor Projektabgabe kommt es oft zur „crunch time“ - dann heißt es für Mitarbeiter, nächtelang durchzuarbeiten. Der Druck kommt von den Investoren, die nicht schaffbare Abgabetermine setzen. Ergebnis: Erschöpfte Entwickler und Spiele voller Fehler, die erst nach und nach repariert werden. Doch das Publikum lässt sich nicht vergrämen. Denn, wie Kant sagte: „Spiel ist eine Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist.“
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