Kugelhagel mitten in Athen an einem sonnigen Frühlingsnachmittag: Polizeireporter Giorgos Karaivaz wird vor seinem Haus im Stadtteil Alimos mit zehn Schüssen hingerichtet. Die Hoffnung, die Schützen zu fassen, hält sich bei den griechischen Ermittlern in Grenzen. Diese gehen von Auftragskillern aus, die das Land höchstwahrscheinlich bereits wieder verlassen hätten.
Das Opfer war bekannt für seine Aufdeckerstorys in Sachen Korruption und Mafia. Ein erschütternd blutiges Beispiel für den wenige Tage später präsentierten Europol-Bericht hinsichtlich organisierter Bandenkriminalität. Demnach sei die Bedrohung für Europa durch Verbrechersyndikate so groß wie noch nie. Deren Gefahrenpotenzial sei deutlich höher als das von Terrornetzwerken.
Ich bin besorgt über die Auswirkungen der organisierten Kriminalität auf die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Widerstandsfähigkeit der staatlichen Institutionen.
Catherin De Bolle, Direktorin Europol
5000 organisierte Banden in Europa
„Ich bin besorgt über die Auswirkungen der organisierten Kriminalität auf die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Widerstandsfähigkeit der staatlichen Institutionen“, so Europol-Direktorin De Bolle. Mindestens 5000 organisierte Banden sollen in Europa ihr Unwesen treiben. Illegales Geschäftsfeld Nummer 1 (vor Eigentumsdelikten, Betrug und Menschenhandel): Rauschgiftkriminalität.
Etwa 40 Prozent der Banden würden im internationalen Drogenhandel mitmischen und den europäischen Markt „vergiften“. Geschätzter Mindestjahresumsatz: 45 Milliarden Euro! Allein in den Häfen von Rotterdam und Antwerpen sollen pro Jahr mehr als 600 Tonnen Kokain aus Südamerika landen. Der „Gift“-Markt war noch nie so blutig umkämpft wie heute.
„Brutalität nimmt alarmierend zu“
„Die Brutalität nimmt vor allem in der Drogenszene alarmierend zu“, so EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Gewalt, die sich nicht mehr „nur“ gegen Rivalen, sondern auch immer öfter gegen Journalisten oder Ermittler richtet – oder Unbeteiligte in den Tod reißt. Wie letzten August in Stockholm: Auf offener Straße geriet ein Mädchen in die Schusslinie verfeindeter Drogenbanden. Für die zwölfjährige Schülerin kam jede Hilfe zu spät.
Doch auch in Österreich kennt man derartige Blut-Fehden spätestens seit Dezember 2018 nur zu gut: Wie ausführlich berichtet, wurde auf offener Straße mitten in der Wiener Innenstadt ein mutmaßliches Mitglied einer Balkan-Drogenbande mit Schüssen hingerichtet. Von einem extra angereisten Auftragskiller ...
„Österreich ist keine Insel der Seligen“
Der heimische Top-Ermittler Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt sprach mit der „Krone“ über das kriminelle Treiben organisierter Verbrecherbanden in Österreich.
„Krone“: Herr Csefan, wie sieht die Lage bezüglich organisierter Banden in Österreich aus?
Dieter Csefan: Bislang ist es gelungen, kriminelle Parallelgesellschaften und Bandenkriege wie in Frankreich oder Holland rechtzeitig zu unterbinden bzw. unter Kontrolle zu halten. Aber wir sind definitiv keine Insel der Seligen. Wie das Attentat 2018 in Wien gezeigt hat. Drogenkriminalität ist auch in Österreich Hauptbetätigungsfeld der Verbrecherbanden.
Werden die Täter tatsächlich immer gewaltbereiter?
Ja. Dieser Trend ist leider seit geraumer Zeit erkennbar. Aber nicht nur innerhalb der Drogenbanden - so gibt es auch kaum noch Schlepper, die unbewaffnet unterwegs sind. Die Hemmschwellen der Täter sind gesunken. Zudem ist es durch die Digitalisierung und Globalisierung auch kein Problem mehr für Banden, Auftragskiller zu engagieren und einfliegen zu lassen.
„Nachgefragt“ bei Chef-Ermittler Dieter Csefan, Mittwoch, 12.40 Uhr auf krone.tv
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.