Jahrhundertelang wurde Elfenbein für die Herstellung von Kunstgegenständen verwendet - mit dramatischen Folgen für die Dickhäuter. Seit 1989 ist der Handel mit Elfenbein daher international verboten. Restauratore stellt das allerdings vor Herausforderungen, denn Ersatzmaterialien wie Knochen, Muscheln oder Kunststoff lieferten bislang kaum zufriedenstellende Ergebnisse bei der Restauration alter Kunstobjekte mit Elfenbeinteilen. Die TU Wien und das aus ihr hervorgegangene Spin-off Cubicure haben daher nun in Kooperation mit der Kunst- und Denkmalpflege der Erzdiözese Wien und Addison Restaurierung einen Hightech-Ersatz aus dem 3D-Drucker entwickelt: „Digory“.
„Das Forschungsprojekt begann mit einem wertvollen Schrein aus dem 17. Jahrhundert in der Kirche von Mauerbach“, sagt Professor Jürgen Stampfl vom Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnologie der TU Wien. „Er ist mit kleinen Elfenbeinornamenten verziert, von denen im Lauf der Zeit einige verloren gegangen sind. Die Frage war, ob man sie mit 3D-Druck-Technologie ersetzen kann.“
Erfahrungen mit ähnlichen Materialien gab es bereits: Die Forschungsgruppe beschäftigt sich etwa auch mit keramischen Materialien für die Zahntechnik. Trotzdem war es eine herausfordernde Aufgabe, einen passenden Ersatz für Elfenbein zu entwickeln: „Wir mussten eine ganze Reihe von Anforderungen gleichzeitig erfüllen“, erläutert Thaddäa Rath, die im Rahmen ihrer Dissertation an dem Projekt arbeitete. „Das Material soll nicht nur wie Elfenbein aussehen, auch Festigkeit und Steifigkeit müssen stimmen, das Material soll bearbeitbar sein.“
Stereolithographie im 3D-Drucker
Durch zahlreiche Experimente gelang es Rath und anderen Mitgliedern des Teams von TU Wien und Cubicure, die passende Mischung zu finden: Winzige Kalziumphosphat-Partikel mit einem Durchmesser von etwa sieben Mikrometern wurden gemeinsam mit extrem feinem Siliziumoxidpulver in ein spezielles Harz eingebettet. Die Mischung wird dann bei großer Hitze in den 3D-Druckern von Cubicure im sogenannten Hot-Lithography-Verfahren verarbeitet: Schicht für Schicht wird das Material jeweils an den gewünschten Stellen mit einem UV-Laser ausgehärtet, bis das vollständige Objekt fertig ist.
„Beachten muss man auch, dass Elfenbein lichtdurchlässig ist“, erklärt Rath. „Nur wenn man den richtigen Anteil an Kalziumphosphat verwendet, hat das Material dieselben lichtdurchlässigen Eigenschaften wie Elfenbein.“ Danach kann die Farbe des Objekts noch je nach Wunsch nachgebessert werden - gute Erfolge erzielte das Team mit schwarzem Tee. Auch die charakteristischen dunklen Linien, von denen Elfenbein normalerweise durchzogen ist, lassen sich nachträglich millimetergenau aufbringen.
Nie wieder Stoßzähne!
Im Bereich der Restauration ist das ein großer Schritt nach vorne: Mit dem neuen Material „Digory“ steht nicht nur ein besserer, schönerer und leichter verarbeitbarer Ersatz für Elfenbein zur Verfügung als bisher, die 3D-Technologie ermöglicht auch, feinste Details automatisch zu reproduzieren. Anstatt sie mühsam aus Elfenbein-Ersatzmaterial herauszuschnitzen, kann man Objekte nun in wenigen Stunden ausdrucken.
„Mit unseren eigens entwickelten 3D-Druckanlagen verarbeiten wir unterschiedliche Material-Formulierungen für ganz verschiedene Einsatzbereiche, aber dieses Projekt war auch für uns etwas Neues“, sagt Konstanze Seidler von Cubicure. „Es ist jedenfalls ein weiterer Beweis dafür, wie vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten der Stereolithographie sind.“
Das Team hofft, dass sich das neue Material „Digory“ in Zukunft allgemein durchsetzen wird - als ästhetisch und mechanisch hochwertiger Elfenbeinersatz, für den garantiert kein Elefant einen Stoßzahn verliert.
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