27 Minuten und 19 Sekunden dauerte die emotionale Rede, mit der Rudi Anschober vor zwei Tagen seinen Rücktritt bekannt gab - wie übrigens vor ihm in der EU auch schon die Gesundheitsminister von Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Rumänien, Polen und Spanien. Sie alle scheiterten aus jeweils unterschiedlichen Motiven am schwierigsten und undankbarsten politischen Amt, das es seit Ausbruch der Pandemie gibt.
Rudi Anschobers Motiv war sein Politikverständnis: alle Beteiligten in Entscheidungen einbinden, das Gemeinsame vor das Trennende stellen, Fehler zugeben und aus ihnen lernen. Das sei letztlich mit der „Parteitaktik“ und dem „Schuss Populismus“, wie der scheidende Gesundheitsminister die Interessenskonflikte innerhalb der türkis-grünen Koalition vornehm benannte, nicht vereinbar gewesen.
In der Stunde der Niederlage zeigt sich das wahre Gesicht eines Menschen. Rudi Anschober kämpfte mit den Tränen, er sah erschöpft aus und nannte die Dinge beim Namen. Das Gefühl des Alleingelassenseins, die körperlichen Warnsignale, Morddrohungen aus dem Lager der Corona-Leugner gegen ihn und seine Lebensgefährtin.
Und dann war da noch das Nichtgesagte. Zum Bundeskanzler, der erst am Dienstagmorgen vom Rücktritt seines wichtigsten Ministers erfuhr, schwieg Anschober. Das war vielleicht seine ganz persönliche Art der Abrechnung. Über Sebastian Kurz kein Wort mehr zu verlieren. Auch kein böses.
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