Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!
The Armed - Ultrapop
Wer sich die absolute Pop-Zusammenstellung von den Beatles, Michael Jackson und Lady Gaga erwartet, wird enttäuscht werden. „Ultrapop“ von The Armed steht viel mehr für die ultimative musikalische Spielwiese der beteiligten Protagonisten, die zwischen Metal, Noise und Elektronik keine Grenzen kennt und tatsächlich in ein Pop-Korsett verpackt wird. Das klingt nicht nur in der Theorie ziemlich wirr und muss erst einmal so richtig verarbeitet werden. Zwischen Drum-Patterns, verzerrten Gitarren und einer Kindliedmelodie mäandern die einzelnen Songs, die für sich schon mehr Ideen verpacken als andere Bands auf einem ganzen Album. Screaming Trees-Legende Mark Lanegan ist zudem Vocals-Gast. Was für eine kranke Abfahrt - aber eine geile! 7,5/10 Kronen
Benedikt - Balcony Dream
Als Hans Olav Settem anno dazumal seine Klangvisionen umsetzen wollten, hätte er wohl selbst als letzter gedacht, dass aus einem Soloprojekt einmal eine neunköpfige Band erwachsen sollte. Benedikt veröffentlichen mit „Balcony Dream“ nun ihr zweites Album und klingen auch tatsächlich wie eine Hippie-Kommune voller Naturliebe und Freiheit - nur gänzlich ohne klassischem Kelly-Familiy-Mief, sondern mit der Indie-Kantigkeit, die man auch bei Midlake oder Sufjan Stevens zu schätzen weiß. Aber auch die nonchalante Lässigkeit der Fleet Foxes und die zeitlose Kunstbeflissenheit von den Kings Of Convenience lassen sich hier heraushören. „Balcony Dream“ ist exakt das, was es vorgibt zu sein: ein traumwandlerisches Stück Sphärik mit sommerlicher Prägnanz. 7,5/10 Kronen
Bewitcher - Cursed Be Thy Kingdom
Die legendären Black-Metal-Großväter Venom in die Gegenwart zu transferieren, das schaffen die Amerikaner Bewitcher schon seit einiger Zeit sehr bravourös. Gemütlich, aber qualitativ stets sehr stark geht das rüpelnde Trio aus Portland vor, das jeglichen Trends und Hipstereien seiner Heimatstadt trotzt. „Cursed Be Thy Kingdom“ ist einmal mehr edelster Black’n’Roll, der neben Venom auch noch die maskierten Landsmänner von Midnight oder Raise Hell und Toxic Holocaust nacheifert - nur mit weniger Tempo und wesentlich mehr Groove. Das kratzige Organ von Frontmann Unholy Weaver Of Shadows & Incantations (geil!), seine fetten Riffs und Songtitel wie „Satanic Magic Attack“, „Metal Burner“ oder „Sign Of The Wolf“ lassen keine Fragen offen. Das Teil fetzt. 7/10 Kronen
Born Ruffians - Pulp EP
„Juice“, „Squeeze“ und jetzt „Pulp“ - die konzeptionelle EP-Trilogie der Born Ruffians ist schon eine ganz spezielle. Doch man muss auch zugeben, kaum eine Band macht beim anbrechenden Sommer (ja, der kommt auch bald) so viel Spaß und sorgt für dermaßen sorglose Kurzweil wie die Kanadier, die ihren Indie Rock schon immer lieber rockig als verkopft interpretierten. Singalong-Passagen, Up-Tempo wohin die Ohren reichen und eine untrügliche Partyatmosphäre, die nicht nur Lust auf die warme Jahreszeit, sondern vor allem auf Open-Airs und untrügliches Konzertvergnügen machen. Kommt alles wieder, ganz bestimmt. Mit „Pulp“ kann man sich die gute Laune jetzt einmal gemütlich ins Haus holen. Vorbereitung ist schließlich alles. Ohne Bewertung
Cannibal Corpse - Violence Unimagined
Präzise wie ein Uhrwerk und mit beneidenswerter Kontinuität begeistern uns Cannibal Corpse seit mittlerweile mehr als 30 Jahren. Die Death-Metal-Legende, deren frühe Alben in Deutschland teilweise noch heute indiziert sind, haben ihre absoluten Glanzzeiten natürlich auch lange hinter sich, aber auch „Violence Unimagined“, das mittlerweile 15. Studioalbum der Blut-und-Beuschel-Fanatiker, wird jeden Fan der Band und des Genres an sich vollends zufriedenstellen. Mit „Surround, Kill, Devour“ und „Follow The Blood“ sind im Mittelteil zwei besonders durchdringende Hassbrocken zu hören, die sich in ihrer Prägnanz an die großen Tage rund ums Millennium orientieren. „Violence Unimagined“ ist natürlich kein neues „Tomb Of The Mutilated“ oder „Vile“, aber noch immer eine Blaupause, ein steinernes Brett im konservativen, kompromisslosen Death Metal. 7/10 Kronen
Childe - Childe EP
Die Single „Two Thirds“ hat vor einigen Monaten schon angekündigt, dass hier eine neue Perle auf dem Popmusik-Himmel erblüht. Childe nennt sich der junge Mann, der auf seiner Debüt-EP die typischen Coming-Of-Age-Themen abgrast, dabei aber ungemein sensitiv und sensibel ans Werk geht. Die sechs Songs sind durchzogen von einer warmen Atmosphäre, ohne ins Kitschig-Melancholische abzudriften. Dass Childes Haupteinflüsse zwischen unterschiedlichen Künstlern wie Bright Eyes, Frank Ocean und Chance The Rapper liegen hört man dem kurzweiligen Material an. Kindheitstraumata werden in Songs wie „Child“, „Just Me“ oder „Blink“ sehr filigran und zart abgearbeitet. Ein feines Stück moderne Popkultur, das Lust auf mehr macht. Ohne Bewertung
Eric Church - Heart & Soul
Das nennt man ordentliches Arbeitsethos! „Heart“, „&“ und „Soul“ muss man eigentlich als drei voneinander getrennte Begriffe lesen, weil der US-Countrystar Eric Church sich nicht lumpen lässt und diesen Monat gleich drei Studioalben von der Leine lässt. Value for money - völlig neu interpretiert. 28 Tage lang befand sich Church in den Bergen von North Carolina und hat die hier vorliegenden 24 Tracks geschrieben. Eigentlich unglaublich. Noch unglaublicher, da die Qualität und Spielfreude über alle Maßen hinaus überzeugt und zu keiner Sekunde langweilt oder redundant klingt. Wie auch immer Church das hingekriegt hat, im reichhaltigen Nashville-Kosmos sticht er mit diesem Pomp-Projekt besonders positiv heraus. 8/10 Kronen
Crown - The End Of All Things
Zum zehnjährigen Bandjubiläum haben sich die klangbunten Franzosen von Crown endgültig von ihrer eigenen Vergangenheit abgenabelt. Wer das experimentelle Gespann länger verfolgt weiß, dass der im Sumpf watende Sludge Metal einst das Gebot der Stunde war, doch „The End Of All Things“ hat damit noch nicht mal im Ansatz was zu tun. Auch die Post-Zitate wurden zugunsten von träumerischen Indie-Sounds und New-Wave-Klängen auf ein Minimum zurückgestutzt. Das muss beileibe nicht schlecht sein, aber in den Teichen, in denen die Westeuropäer fischen, gibt es halt schon eine Vielzahl etablierter Fische, die ihren Platz nicht wirklich räumen wollen und werden. Da bleibt leider die Frage - in welchem Markt braucht’s die Stilveränderung wirklich? 6/10 Kronen
Deine Lakaien - Dual
In der Pandemie kommen auch jene Bands wieder an die Oberfläche, mit denen man gar nicht mehr gerechnet hätte. Die deutsche Kultschmiede Deine Lakaien hat seit dem 2014er-Rundling „Crystal Palace“ nur mehr Best-Of-Alben und diverse Mitschnitte veröffentlicht, aber sich nie so ganz auf neues Studiomaterial konzentriert. Mit „Dual“ schafft man nun ganz gewaltig Abhilfe. Ein Doppelalbum mit wuchtigen 90 Minuten Länge. Eigenkompositionen paaren sich mit Cover-Versionen wie Soundgardens „Black Hole Sun“ oder „Because The Night“. Getragen von der dunklen Atmosphäre und dem ausufernden, düsteren Gesang sind die Songs für das Liebhaberpublikum freilich ein Ereignis. Für die Masse gerichtet sind die Songs natürlich nicht, aber auch die Band selbst war schon mal spannender. Schön und faszinierend ist der Klangkosmos aber trotzdem. 6,5/10 Kronen
Chantal Dorn - Feuerfest
Vor drei Jahren hat die Vorarlbergerin Chantal Dorn die Jury von „The Voice Of Germany“ durchgehend überzeugt, die auch als Journalistin und Schauspielerin tätige Multiquerfeldeinkünstlerin veröffentlicht nun mit „Feuerfest“ ihr erstes Album, das sich zwischen Singer/Songwritertum, Schlagerfesten und entschlackten Sommerabenden gleichermaßen einsetzen lässt. Manchmal werden Songs wie „Segel“ oder „Das Ende vom Lied“ etwas kitschig, doch Kitsch lässt sich nicht ganz wegretuschieren, wenn man offen und ehrlich aus seinem Leben und dem eigenen Erfahrungsschatz zitiert. „Feuerfest“ ist ein Empowerment-Album im besten Sinne, das nicht nur der Künstlerin selbst, sondern auch Interessierten und Gleichgesinnten dienen und helfen sollte. Etwas weniger Schwere hätte dem Gesamtprodukt dennoch gutgetan. 6/10 Kronen
Endseeker - Mount Carcass
Death Metal aus Deutschland? Da verdreht man schon aus Gewohnheit die Augen, aber man sollte halt doch lieber hinhören, als den Vorurteilen freien Lauf zu lassen. Ähnlich wie die kultigen und seit Jahr und Tag tätigen Fleshcrawl scheinen auch die Hamburger Endseeker ihr klangliches Seelenheil in der Kälte Schwedens gefunden zu haben. Die Sunlight-Gitarren und das Geriffe würden den viel zu früh verstorbenen LG Petrov mit Stolz erfüllen, doch neben Entombed gibt es auch eine gehörige Bloodbath aufs Met, wie die Kollegen aus dem hohen Norden in Deutschland so gerne sagen. Variationen und großen Innovationsreichtum darf man sich natürlich nicht erwarten, aber „Mount Carcass“, das nur pandemiebedingt so früh auf uns einprügelt, hämmert wirklich fett. Wird sich auch live gut machen. 7,5/10 Kronen
Escape The Fate - Chemical Warfare
Auch schon fast 20 Jahre, dass es die Teen-Heroen Escape The Fate aus Las Vegas mittlerweile gibt. Schon die aktuelle Offspring-Platte beweist ja ganz gut, dass gewisse Stile den Sticker der ewigen Jugend anheften haben und so ist es auch beim Screamo-/Metalcore-/Post-Hardcore-Kollektiv, das auf „Chemical Warfare“ trotz allem viel stärker Richtung Pop schielen und damit den Ansatz zum nächsten Karriereschritt ausführen. Bei „Invicible“ stoßen etwa plötzlich die Geigen von Lindsey Sterling ins Gebälk, Blink-182-Haudrauf Travis Barker, der so gut wie jedes Genre-Album begleitet, darf natürlich auch nicht fehlen. Guter Stoff für die Fan-Klientel, der sich deutlich stärker am Mainstream orientiert. Wäre eine gute Festivalband. Wäre… 7/10 Kronen
Marty Friedman - Tokyo Jukebox 3
Wie kaum ein zweiter verbindet der seit den 80er-Jahren populäre Spitzengitarrist Marty Friedman die Kompetenz westlicher Gitarrenfrickler mit der orientalischen Melodieseligkeit des fernen Ostens. Kein Wunder, ist Friedman hierzulande zwar eine Kultfigur, in Japan aber ein Megastar im Ausmaß eines Justin Biebers. Von seinen Megadeth-Tagen ist der Lockenkopf freilich weit entfernt und „Tokyo Jukebox 3“ ist bekömmliches und durchaus melodisches Gegniedel, das irgendwo zwischen Prog-Rock, J-Pop und ganz sanften Thrash-Referenzen zu überzeugen weiß. Friedman covert sich in seinem Stil durch allerlei fernöstliche Preziosen und verliert dabei freilich nie die Spur. Ein Werk, das für ein ganz bestimmtes Zielpublikum gedacht ist. Dort hat es aber garantiert voll rein. 6/10 Kronen
Haiyti - Mieses Leben
Der populären Deutschrapperin Haiyti muss man auf jeden Fall zugestehen, dass sie fleißiger ist als alle anderen. „Mieses Leben“ ist das dritte Album in einem Dreivierteljahr und kann sich im Vergleich zum eher mediokren „Influencer“ auch wieder in die obere Qualitätsspur einordnen. 18 Songs die kurz, knapp, bündig und angriffig losrattern erwarten den Fan, der sich einmal mehr in die alles andere als glanzvolle Welt der Rapperin ziehen lassen kann. Mit sehr viel Flow und intelligenten Texten rekapituliert sie die Anfänge ihrer Rap-Karriere, geht noch weiter zurück und verzichtet dieses Mal auf die nachvollziehbaren, massentauglichen Pop-Momente, die zuletzt öfters Einzug hielten. Stark, kompakt und klug - ein Treffer! 7,5/10 Kronen
Icon Of Sin - Icon Of Sin
Coverbands gibt es wie Sand im Meer - nothing wrong with that. Aber sich Icon Of Sin zu benennen und dann so dermaßen nach Iron Maiden zu klingen ist fast schon wieder dreist. Gegen eine kräftige Dosis Heavy Metal ist freilich nichts zu sagen, aber wenn Frontmann Raphael Mendes sein Organ auspackt, dann ist nicht nur der Geist von Bruce Dickinson vorhanden. Egal ob der Titelsong, „Road Rage“ oder - besonders zeitgemäß - „Pandemic Euphoria“, hier schlägt alles ganz klar in eine Richtung und das muss man erst einmal verarbeiten. Die Kompositionen reichen natürlich nicht an die britischen Größen heran, aber bei Icon Of Sin ist wirklich viel Talent und Bemühen im Spiel. Wenn man sich nicht an der fehlenden Eigenständigkeit stößt, dann kriegt man hier ein sehr würdiges Brett ins Haus geliefert. 7/10 Kronen
Norah Jones - Til We Meet Again
Mit Livealben hatte es Goldstimme Norah Jones bisher nicht so, aber in konzertlosen Zeiten lechzen die Menschen danach und so hat sich auch die New Yorker Soul-Königin zur Veröffentlichung eines solchen animieren lassen. Die Songs stellen einen bunten Querschnitt über ihre gesamte, seit fast 20 Jahren laufende Karriere dar und wurden bei Konzerten in den USA, Frankreich, Italien, Brasilien und Argentinien zwischen 2017 und 2019 aufgenommen. Gerade ihre kompositorische Vielseitigkeit und die Variabilität ihrer warmen, eindrucksvollen Stimme werden hier noch einmal in ein besonders feines Licht gezaubert. „Til We Meet Again“ ist Klangfreude und Zeitvertröstung zugleich. Ein buntes Panoptikum einer wirklich großen Künstlerin, von der man nie genug haben kann. Ein Klanglicht in der Dunkelheit der Gegenwart. Ohne Bewertung
Liv Kristine - Have Courage Dear Heart EP
Ob mit Theatre Of Tragedy, Leaves‘ Eyes oder solo - die Norwegerin Liv Kristine gehört zweifellos zu den markantesten und stärksten Stimmen im europäischen Metal. Bis auf ein paar Gastauftritte hat man von der Mittvierzigerin nun aber länger nichts mehr gehört, weshalb die Veröffentlichung der EP „Have Courage Dear Heart“ für die zahlreichen Fans wie ein Feiertag wirken muss. Vier brandneue Kompositionen tragen das Comeback, darunter die wirklich herausragenden Songs „Serenity“ und „Skylight“, die besonders überzeugen. Letzteres gibt es noch als akustisch-kathedrale Version, bevor die EP noch mit fünf Liveversionen ihrer Lieblingssongs von einem Auftritt in Nagold 2019 komplettiert wird. Sehr feine, runde Sache, die sofort Lust auf mehr macht. Ohne Bewertung
Spencer Krug - Fading Graffitti
Im kanadischen Indie-Rock kommt man nicht an Spencer Krug vorbei, so viel steht fest. Egal ob mit Moonface, mit Siinai oder den 2016 reaktivierten Wolf Parade - wo Krug draufstand, war stets Qualität drinnen. „Fading Graffitti“ ist nun sein erstes Album unter dem eigenen Namen und beinhaltet strenggenommen bereits 2019 aufgenommene Piano-Songs, die er nun mit Freunden aber zu richtigen Kompositionen ausreifen hat lassen. Erstmals spürt man auch einen eindringlichen Country-Vibe und der Eklektizismus in den Songs ist doch weniger ausgeprägt als man angesichts der Entstehungsweise denken könnte. Die Tracks werden vornehmlich von seiner prägnanten Stimme zusammengehalten, das Piano rückt nur mehr selten in den Vordergrund. Ein Song wie „Having Discovered Ayahuasca“ beweist - der Mann alter gut und würdevoll. 7,5/10 Kronen
Mädness - Mäd Löve
Marco Döll oder Mädness - die Grenzen zwischen der Privatperson und dem Künstler dahinter verschwimmen von Jahr zu Jahr mehr. Das hat sich schon mit „OG“ angekündigt und wird auf dem neuesten Werk „Mäd Löve“ weitergezogen. Die Pandemie hat auch Döll dazu gebracht, über sich und die Beziehungswelten zu Familie, Freunden und der Gesellschaft im Allgemeinen zu reflektieren. Der selbsternannte OG zeigt sich dabei noch reifer und erwachsener und vermischt seinen Rap mit Anspruch und Anstand stets mit einer kräftigen Kante Soul. Gefühl statt dicke Hose also und das tut nicht nur „Mäd Löve“, sondern der Szene im Allgemeinen mehr als gut. Songs wie „Handbremse“, „Was habe ich getan?“ und „Mantra“ beweisen schon im Titel, dass hier viel Selbstreflexion stattfindet. Wünschen wir ihm, dass er findet, wonach er sucht. 7,5/10 Kronen
Imelda May - 11 Past The Hour
Die musikalische Kurskorrektur wurde schon 2017 mit dem Album „Life Love Flesh Blood“ eingeleitet und zieht sich seither unaufhaltsam weiter. Imelda May entfernt sich weiterhin bewusst und durchaus erfolgreich von ihrem alten Image als Dubliner Guinness-Rockabilly-Prinzessin und beeindruckt auf „11 Past The Hour“ mit fein ziselierten Klängen zwischen landesüblichem Folk und Singer/Songwritertum. Wie sehr sie sich von ihrer eigenen Vergangenheit emanzipiert zeigt nicht zuletzt das Album-Highlight „Just One Kiss“, auf dem man Noel Gallagher singen und Ronnie Wood Gitarrespielen hört. Rock’n’Roll und kantiger Pop lassen sich natürlich nicht tilgen, aber May emanzipiert sich auch weiterhin bewusst und erfolgreich von ihrer Vergangenheit. Ob das nur gut ist, sei dahingestellt. Als Old-School-Fan braucht man jedenfalls viel Toleranz. 7/10 Kronen
Motorpsycho - Kingdom Of Oblivion
Mehr als 30 Jahren haben die Trondheimer Motorpsycho mittlerweile auf dem Buckel und auch wenn vor allem in der letzten Dekade zumindest jährlich mit einem neuen Studioalbum aufwarten konnte, wurde es beim hören niemals langweilig. „Kingdom Of Oblivion“ ist aber eine Art Neubeginn für die alteingesessenen Prog-Rocker, die davor eine ambitionierte Konzepttrilogie beendeten. Dementsprechend gewöhnungsbedürftig ist das Werk anfangs auch, denn es ist sucht sein Heil eindeutig stärker in den 70er-Jahren (der Titeltrack, „Dreamkiller“, „After The Fair“), fürchtet sich in Songs wie „Lady May 1“ aber auch nicht vor vergleichsweise kitschigen Klangsphären im Stile von Cat Stevens/Yusuf Islam. Opulent und überbordend wie eh und je. Etwas für die entschlackten und ausgeruhten Bourbon-Zipper unter euch. 7/10 Kronen
Mustasch - A Final Warning: Chapter One
Mustasch waren vor einigen Jahren wirklich einmal eine der spannendsten, innovativsten und kurzweiligsten Heavy-Kapellen aus Schweden, aber irgendwo auf dem Weg hat Frontmann Ralf Gyllenhammar in den letzten Jahren sein Mojo eingebüßt. Mittlerweile bemüht man sich um eine Teilnahme am Eurovision Song Contest und tackert - wie hier beim Opener „A Final Warning“ - billigste Konserven-Orchester-Synthesizer-Klänge ins Gebräu. Auch der Song-Contest-Bewerbungssong „Contagious“ wird alte Fans eher verstören als erquicken und wenn man sich die paar Minuten Mustasch 2021 durchgehört hat, dann hat man eigentlich Angst vor dem zweiten Teil, der im Oktober folgen soll. Was ist da passiert? Jedenfalls nichts Gutes. Ohne Bewertung
The Nightingales - Pigs On Purpose
Aus dem kühlen und nicht sonderlich attraktiven Birmingham stammen die 1979 formierten The Nightingales, die Anfang der 80er-Jahre erfolgreich in der britischen Post-Punk-Welle mitschwammen und erst letztes Jahr ein neues Album veröffentlichten. Ihr kultiges 1982er-Debüt „Pigs On Purpose“ erfährt nach 2004 bereits die zweite Wiederveröffentlichung und zeigt uns nicht nur, wie frisch und knackig einst in dem Genre abseits der ersten Liga musiziert wurde, sondern wo die Urväter derzeit erfolgreicher Truppen wie Shame oder Idles damals den Boden bereiteten. Mit „King Rocker“ gibt’s neben CD und LP nun sogar eine Dokumentation mitgeliefert. Kann man sich jedenfalls nicht oft genug anhören/ansehen. Ohne Bewertung
Out Of Love - Funny Feelings EP
Die Gegenwart ist ein hartes Los für Künstler, das ist nichts Neues. Die Briten von Out Of Love haben sich 2019 sogar hauptsächlich wegen des Tourens und Livespielens gegründet und dann kam das Fledermausvirus und alles war schlagartig hin. Bitter! Wenigstens hat man die Zeit nicht untätig genützt, auch wenn man ob der erzwungenen Pause ein bisschen mehr als die Handvoll Songs für die EP „Funny Feelings“ erwarten hätte können. Doch die fünf knackigen Punk-Tracks mit Pop-Schlagseite sind besser als nichts und machen vor allem Lust auf das Comeback der schweißtreibenden Konzerte. Innovationspreis gewinnen die Briten mit dem kurz-vergnüglichen Stelldichein aber sicher keinen. So viel muss gesagt sein. Ohne Bewertung
Tom Petty - Finding Wildflowers
Es endet nicht mit den Neuauflagen, Wiederauflagen oder Ausgrabungen aus dem Fundus des unvergessenen Tom Petty und das ist auch gut so, denn am großen US-Songwriter kann man sich schlichtweg nicht satthören. Die „Finding Wildflowers (Alternate Version)“ gehen dem geübten Fan natürlich runter wie Öl, zumal es mit dem feinen „You Saw Me Comin‘“ zum Abschluss einen bislang unveröffentlichten Song zu genießen gibt. Die Fortführung des ohnehin schon tollen „Wildflowers & All The Rest“ macht nur Sinn, weil die 16 1994 mit Rick Rubin aufgenommenen Versionen dieser Songs bislang noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Ein Manifest des herzhaften amerikanischen Musikgolds - nicht nur für Fans und langjährige Begleiter. Ohne Bewertung
Der Plan - Save Your Software (Lost Album)
Verschollene Alben sind dieser Tage gerade en vogue. Kruder & Dorfmeister „fanden“ letzten Herbst ein Meisterwerk, die deutsche Elektronik-Kultschmiede veröffentlicht dieser Tage das Lost Album „Save Your Software“. Die drei Bandmitglieder eiferten ganz Kraftwerk nach und wollten sich mit dem Fanuk-Projekt als Mensch-Maschinen unsterblich machen. Sechs Tracks wurden von den Fanuks bzw. ihren menschlichen Alter Egos damals zusammengebastelt, die 2020 entdeckt wurden. Drei weitere Songs wurden dazugestoppelt und voila - hier haben wir das fertige Werk plus eine mehr als zwölfminütige, ausführliche Geschichte dazu. Nicht nur für Fans und Komplettisten interessant. Ohne Bewertung
Portugal. The Man - Oregon City Sessions
Bitte ruhig bleiben, hier handelt es sich nicht um ein neues Studioalbum der großen Portugal. The Man. Vielmehr hat die Truppe die Pandemie genützt, um im eigenen Archiv herum zu graben. Dabei stieß man offensichtlich auf die im Dezember 2008 aufgenommenen „Oregon City Sessions“, wo man nach einer Tour vor der Heimkehr nach Alaska noch einmal ohne Overdubs und in einem Aufwasch hier vorliegende Tracks aufnahm. Wohlweislich waren die Nordamerikaner damals auch noch weit von breitenwirksamen Erfolgen entfernt und so hat diese improvisierte und wirklich geniale Studiosession einen besonders feinen Duft. Vielleicht steht das Studioalbum eh schon ante portas. Nach vier Jahren wäre es an der Zeit. Ohne Bewertung
Son Lux - Tomorrows III
Nun ist der Kreis geschlossen. Was im August des Vorjahres begann und sich im Herbst fortsetzte, findet nun sein Ende. „Tomorrows III“ ist dabei, und das muss man leider so deutlich sagen, das schwächste und beliebigste der ambitionierten Elektronik-Klangsphären, die Son Lux vor und während der Pandemie zusammenbastelten. Prog-Rock-Gitarren treffen Kate-Bush-Gestus. Cinematische Soundwelten duellieren sich mit futuristischen Ambient-Klängen. Dazu hört man starke (weibliche) Stimmen von Kadhja Bonet oder Kiah Victoria, aber mit Pomp und Gloria übertreiben Ryan Lott und Co. dieses Mal gewaltig. Etwas mehr Kantigkeit und Liebe zu Überraschungsmomenten hätte gutgetan. Vielleicht brauchen Son Lux jetzt aber auch einmal eine Pause. 5,5/10 Kronen
Spectral Wound - A Diabolic Thirst
Die Extreme-Metal-Szene im kanadischen Quebec ist eine sehr gute und fruchtbare, wie Szeneinsider seit geraumer Zeit wissen. Zu den edelsten Exporten aus dieser Gegend gehören fraglos Spectral Wound, die 2019 noch in der Wiener Arena begeisterten und mit ihrem Drittwerk „A Diabolic Thirst“ endgültig den Angriff auf die Genre-Spitze wagen. Flirrende Gitarrenriffs erinnern mal an die norwegische, dann wieder an die finnische Schule. Den zur Schau gestellten Nihilismus kennt man aus der deutschen Underground-Szene und die partielle Verschrobenheit in den Kompositionen aus Frankreich. Spectral Wound bedienen sich von den Besten und kreieren trotzdem ihr eigenes Süppchen, das im Mid-Tempo-Stampfer „Mausoleal Drift“ oder dem eruptiven „Frigid And Spellbound“ Referenzwerke vorlegt. Nichts weniger als ein Meisterwerk des modernen, eiskalten Black Metal, von dem sich so manch müde Alteingesessene viel abhören können. 9/10 Kronen
SYML - Dim EP
Trauer gehört zu den stärksten und schwersten Emotionen des Menschen. Brian Fennell, der sensible Mensch hinter dem Pseudonym SYML, hat sich ebenjene Trauer zu eigen gemacht, in die Offensive umgekehrt und sie auf der EP „Dim“ für die ganze Welt verarbeitet. In „True“ behandelt er etwa schonungslos und melancholisch das Überlebensschuld-Syndrom, „Stay Close“ geht, wie die meisten Songs, bereits hart auf den abbauenden Gesundheitszustand seines geliebten Vaters ein, der an einer schweren Krebserkrankung litt. „Dim“ steht sinnbildlich für das Licht, das auch dann weiterbrennen muss, wenn einem die vernichtende Dunkelheit entgegenschlägt. Eine EP voller Wehmut und Hoffnung. Trauern kann eben auch bereichernd sein. Ohne Bewertung
T Bear - Fresh Bear Tracks
35 Jahre sind eine ganz schön lange Zeit. Da gab es das Internet noch nicht wirklich, auch der Mauerfall war nur ein Gerücht und Donald Trump hielt sich noch halbwegs von der Politik fern. Vor 35 Jahren veröffentlichte der großartige Richard T Bear sein letztes Studioalbum. Danach war der Kumpel und Musikerkollege von KISS, den Blues Brothers oder Crosby, Stills & Nash mit Suchtproblemen und sozialem Engagement beschäftigt. Umso schöner, dass er mit „Fresh Bear Tracks“ nun die ganze Rockszene überrascht. Für sein Comeback hat er sich mit Superstars wie Robby Krieger, Edgar Winter oder Stephen Stills umgeben und das voller Soul und Country sprießende Werk begeistert mit zeitloser Qualität. Ein nostalgischer Lichtblick von hoher Qualität. 7,5/10 Kronen
Two Feet - Max Maco Is Dead Right?
William „Bill“ Dess aka Two Feet kennt die Schwierigkeiten des mentalen Alltags. Depressionen, Panikattacken und Angstzustände begleiten den jungen Songwriter aus New York schon seit geraumer Zeit. Das führte sogar zu Einweisungen in psychiatrische Kliniken, wo dem kreativen Talent die Idee zu einem imaginierten Alter Ego namens Max Maco kam. Im Konzeptwerk „Max Maco Is Dead Right“ packt Two Feet aber nicht nur seine eigene Geschichte, sondern vermischt auch Beobachtungen anderer Klinikinsassen in das lyrische Gebräu. Die Reise durch das verwirrte Innere eines genialen Geistes ist nicht immer einfach, aber eindrucksvoll und lohnend. Ein weiteres, lockereres Album soll 2021 noch folgen. Zuerst muss man aber dieses verarbeiten. 7,5/10 Kronen
Sharon Van Etten - Epic Ten
Mit dem Album „Epic“ hat sich Sharon Van Etten vor exakt zehn Jahren ihre Erfolgskarriere zurechtgezimmert. Sie rückte vom orchestralen Debütwerk zum stärker hervorstechenden Indie-Rock-Gestus und breitete damit den Boden, der ihr eine bis heute steigende Anhängerschar bereiten würde. Zum Jubiläum hat sie Freunde und Wegbegleiter eingeladen, um deren Versionen ihrer „Epic“-Songs umzusetzen. Dem Ruf folgte mit u.a. den Idles, Fiona Apple, Shamir oder Courtney Barnett das Who is Who der Indie-Rock-Welt. Dazu performt Van Etten ihre feinen Songs selbst noch einmal. Keine Frage, dass das alles wunderbar sitzt und spannend ausgefallen ist. Ohne Bewertung
The Vintage Caravan - Monuments
Obwohl noch jung an Jahren sind die isländischen Frohnaturen von The Vintage Caravan schon gefühlt ewig im Business unterwegs. Das letzte Album „Gateways“ markierte eine musikalische Zäsur, zeigten sich Frontmann Oskar Logi Agustsson und Co. sich erstmals retro-eigenständig und frisch. „Monuments“ ist über eine Länge von gut einer Stunde die logische Fortsetzung davon, denn hier verbinden sich Prog-Rock-Zitate mit einer druckvollen Produktion und einem stets hervorpreschenden Jimi-Hendrix-Gestus, auf den viele ambitionierte Jung-Nostalgiebands allzu sträflich verzichten. Sukzessive bewegt sich das Trio von der eigenen Vergangenheit weg und macht damit eigentlich alles goldrichtig. Der stete Mut zum Neuen soll belohnt werden. In „Monuments“ lässt es sich vortrefflich versinken. 7,5/10 Kronen
Wednesday 13 - Necrophaze-Antidote EP
Die ganz dicken Zeiten von Wednesday 13 sind zwar schon vorbei, das 2019 veröffentlichte bis dato letzte Studioalbum „Necrophaze“ war aber doch ein überraschend kreativer Ausbruch, der die geschminkten US-Rocker so frisch und fidel wie lange nicht mehr zeigte. Den Fahrtwind für Touraktivitäten konnten sie leider nicht nutzen, mit der „Antidote“-Version des Albums legt man aber eine 4-Song-EP als kleines Häppchen nach, die genauso Freude macht. Coverversionen von INXS („Devil Inside“) und Gary Numan („Films“) machen genausoviel Spaß wie die Punkrock-Ausflüge der Band in die eigene Frühzeit. Ein kurzweiliges und lässiges Vergnügen, dass man gerne live hören würde. Vielleicht wird’s ja bald was damit… Ohne Bewertung
While She Sleeps - Sleeps Society
Aus dem Wulst der immer noch weit grassierenden Metalcore-Bands stechen die Briten von While She Sleeps schon länger heraus. Wo sich andere mit kitschigen Clean-Vocals verzetteln oder in ihrer eigenen Redundanzsumme auf der Stelle schwimmen, erobern sich die Sheffielder mit Variantenreichtum und Vielschichtigkeit beständig neues Publikum. So auch auf „Sleeps Society“, wo man die genreüblichen Breakdowns mit Elektro-Ausflügen oder politischem Sprechgesang („Division Street“) vermischt und dabei alles, nur nicht fad ist. Dass man Biffy Clyros Simon Neil und Deryck Whibley von Sum 41 als prominente Gäste an Bord hat ist schön, aber fast nicht notwendig, weil die eigene Musikalität spannend genug ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit. 7,5/10 Kronen
Zinn - Zinn
Die Vielfalt und hohe Qualität in der österreichischen Musikszene ist schon fast pervers. Aus allen Ecken und Enden, Genres und Szene, Nischen und Schubladen sprießen neue Perlen hervor - manche auch verwelkt, aber bewusst! Das selbstbetitelte Debütalbum der Wienerinnen von Zinn ist dialektbetuchter Dark Folk, der sich in seiner melancholischen und düsteren Machart nicht zwischen dem finsteren Beisl-Eck rechts hinten und einer David-Lynch-Elegie entscheiden kann. Gesellschafts- und Politkritik durchziehen famose Songs wie „Windmühlen“, „Lethargie“ oder „Wiederholung“, die trotz ihrer inhaltlichen Destruktivität und dem klar hervorstechenden Post-Punk-Gestus niemals die Hoffnung auf eine bessere Welt untergraben. Macht sich auf der Bühne mit Culk sicher gut. 7,5/10 Kronen
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