Modell in Kärnten

Energiewende: Wenn der Nachbar den Strom liefert

Kärnten
16.04.2021 06:00

Die Energiewende verlangt nach neuen Modellen. Wie zum Beispiel „Energiegemeinschaften“, wo der Strom nicht weit fließen muss. In Kärnten werden jetzt erste Modelle erprobt.

Nachhaltig bis zum Jahr 2030, klimaneutral bis 2040. Das sind die recht ehrgeizigen Vorgaben der Politik an die heimische Energiewirtschaft. Da gleichzeitig auch der Stromverbrauch steigt, weil etwa immer mehr Elektroautos verkauft werden und auch die Netzstabilität wegen drohender „Blackouts“ nicht vergessen werden darf, sind viele neue Ideen gefragt.

(Bild: Kelag/Kärntennetz)

Eine davon orientiert sich im Prinzip daran, wie in ländlichen Gegenden auch heute noch Wasserwirtschaft betrieben wird - als kleine „Genossenschaft“, wo der eine liefert und der andere dafür zahlt.

Auf dem Stromsektor soll das dann etwa „Energiegemeinschaft“ heißen und so funktionieren: Innerhalb eines Ortsnetzes haben ein paar Häuser Fotovoltaikanlagen auf den Dächern. Sie produzieren - vor allem bei Sonnenschein - mehr Strom, als die Besitzer verbrauchen. Also liefern diese die „grüne Energie“ ihren Nachbarn, die gerade Strombedarf haben.

(Bild: Evelyn Hronek/Kamerawerk)

„Rechtlicher Träger“ als Voraussetzung
Voraussetzung wird dafür ein „rechtlicher Träger“, also etwa ein Verein sein. Die Vorteile für Käufer und Produzenten: Sie sollen sich Steuern sparen und die Tarife selbst ausmachen können, damit es für alle von Vorteil ist, also durchgerechnet Geld sparen hilft.

Letztlich sind auch die Netzbetreiber, teils freilich über Gesetzesauftrag verpflichtet, interessiert und werden einen Teil beitragen. „Durch niedrigere Netztarife etwa“, sagt der Vorstand der Kärnten Netz, Reinhard Draxler. Seine Spezialisten arbeiten im Hintergrund kräftig mit.

(Bild: Leitner Tom/Kronenzeitung)

Zum einen entwickeln sie Mess- und Abrechnungssysteme, damit es in den neu zu gründenden Stromgenossenschaften auch transparent und gerecht zugehen kann. Ebenfalls getestet werden Prüfprogramme, mit welchen sich zukünftige „Energiegemeinschaften“ in Modellrechnungen ihre Stromzukunft anschauen können; samt Erweiterungsmöglichkeiten und voraussichtlichen Ersparnissen.

Was der Netzbetreiber so „nebenbei“ ebenfalls noch als Hausaufgabe erledigen muss, ist die Absicherung der Netze im Hintergrund. Denn autark werden solche Energiegemeinschaften nie werden; sie brauchen immer ein stabiles, übergeordnetes Stromnetz im Hintergrund, das Spitzen aufnehmen, aber vor allem plötzlichen zusätzlichen Bedarf bereitstellen kann; etwa im Winter, wenn Dunkelheit und Nebel die Fotovoltaik behindern, Flauten private Windräder stillstehen lassen oder Niedrigwasser Kleinkraftwerke zum Erliegen bringt.

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Wir schaffen die technische und rechnerische Basis. Dann geht es aber auch um die menschliche Komponente des Modells.

Reinhard Draxler, Vorstand der Kärnten Netz

Ausgleich, wenn die Sonne nicht scheint
Die Gemeinschaften können sich nämlich aus jeder erneuerbaren Energie speisen; also aus Sonne, Wind und Wasserkraft.
„ Wir müssen da mit unserer Technik in Millisekunden reagieren und ausgleichen können“, sagt Reinhard Draxler.

Der nächste Schritt muss übrigens nicht in den Dörfern oder Ländern gesetzt werden, sondern im Parlament in Wien. Denn dort steht demnächst eine Novelle zum Ökostromgesetz zur Beschlussfassung an. Und diese soll dann die Basis dafür legen, dass es bald mit dem „Strom vom Nachbarn“ losgehen kann.

In den „Energiegemeinschaften“ wird es Produzenten und Mitglieder als Konsumenten geben, die sich unter dem Strich Geld sparen können. Daneben sind auch „normale Kunden“ im gleichen Netz; niemand ist also gezwungen, an der Gemeinschaft teilzuhaben. Wichtig ist in jedem Fall eine stabile Netz-Infrastruktur und ein Anschluss „nach außen“, falls intern zu wenig Strom erzeugt wird oder zu viel vorhanden sein sollte.

Wie die Zukunft aussehen kann (Bild: Krone Kreativ)
Wie die Zukunft aussehen kann

Mustergemeinde im Sonnensüden
Maria Rain liegt südlich der Landeshauptstadt Klagenfurt über dem Rosental. Scheinbar idyllisch, doch mit einem Wasserproblem. Dieses muss mit Pumpwerken zu den Hausleitungen geschafft werden, was Strom kostet. Andererseits ist die Gemeinde ein Vorreiter in Sachen Umweltfreundlichkeit. Längst gibt es ein Dorfkraftwerk, längst ist das Dach der örtlichen Feuerwehr auch voller Fotovoltaik-Paneele, die Strom produzieren. Jetzt läuft das auch als - natürlich noch rein modellhaftes - Pilotprojekt für Energiegemeinschaften.

Franz Ragger, eben erst wiedergewählter Bürgermeister, mit dem Campus-Projekt (Bild: Evelyn Hronek/Kamerawerk)
Franz Ragger, eben erst wiedergewählter Bürgermeister, mit dem Campus-Projekt

50 bis 60 Fotovoltaikanlagen sind bereits erfasst, in der errechneten künftigen Gemeinschaft sind bereits Gemeindeamt, Feuerwehrhaus, Wohnhäuser, die örtliche Raika und die Straßenbeleuchtung eingebunden - und natürlich die eingangs erwähnten Pumpen. Und Bürgermeister Franz Ragger plant noch viel mehr: „Beim neuen Schulcampus, da ist auch Fotovoltaik großflächig vorgesehen.“ Er sieht seine Gemeinde als „Leuchtturm-Projekt“, als „coole Gemeinde“ - Ölkessel-frei und nachhaltig lebenswert.

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