Eine Heilpädagogin, die mitten in der Corona-Pandemie ohne dazu befugt zu sein eigenen Angaben zufolge an 700 Personen schriftliche Befreiungen von der Maskenpflicht zu je 20 Euro verkauft hat, ist am Wiener Landesgericht zur Verantwortung gezogen worden. Die 55-Jährige wurde wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und Kurpfuscherei verurteilt. Im Hinblick auf ihre bisherige Unbescholtenheit kam sie mit sechs Monaten bedingter Haft davon.
Die 55-Jährige ist ihren Angaben nach in Wien als „freie Therapeutin mit ganzheitlichem Anspruch und Bildungswissenschaftlerin“ tätig. Sie hat ein Doktorat im Bereich der Sonder- und Heilpädagogik und - wie sie eingangs der Verhandlung betonte - Berufserfahrungen in den Fachbereichen Anthroposophie, Neurologie und Tiefenpsychologie. Im Gerichtssaal verweigerte sie zunächst auch die vorgeschriebene FFP2-Maske („Ich kann nicht sprechen mit Maske“), bequemte sich dann aber doch dazu, nachdem sie es kurz mit einem Gesichtsvisier aus Plexiglas probiert hatte.
Brandrede gegen die Maskenpflicht
Die Frau gehört der sogenannten Querdenker-Szene an. Sie nimmt an Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus teil, ist schon mit dem ehemaligen Kärntner Landtagsabgeordneten Martin Rutter auf einer Bühne gestanden und hat dort eine Brandrede gegen die Maskenpflicht gehalten. Anwesende Medienvertreter wurden angepöbelt („Lügenpresse!“), auch die Angeklagte trug vor dem Saal keine Maske, was sie mit den Worten „Gott hat uns diesen heiligen Atem eingeblasen“ begründete.
„Mensch mehr als eine Lungenfunktion“
Unter der verordneten Maskenpflicht leidende Menschen hätten ihr „in stundenlangen Telefonaten ihre Schwierigkeiten geschildert“. Denen habe sie geholfen und klargemacht, „dass sie sie (den Mund-Nasen-Schutz bzw. die FFP2-Maske, Anm.) abnehmen dürfen“. Die Betroffenen hätten sich „in wirklicher Bedrängnis befunden“. Sie habe ihnen „eine Eintrittskarte zum eigenen Leben“ verschafft. Denn „der Mensch“ sei „mehr als eine Lungenfunktion“.
„Das habe ich nie überlegt“
Für jedes Attest stellte die Heilpädagogin 20 Euro in Rechnung, was sie als „Bearbeitungsgebühr“ verstanden wissen wollte. „Was war Ihre Leistung?“, wollte Richter Philipp Krasa darauf wissen. Die Angeklagte verwies auf „persönliche Gespräche“, die meistens über Telefon oder per E-Mail abgewickelt wurden, und ihren „ganz normalen Stundensatz“. Auf die Frage des Richters nach der rechtlichen Wirkung ihrer Bescheinigungen bemerkte die 55-Jährige: „Das habe ich nie überlegt.“
Ich bin mir sicher, dass Sie betrogen haben. Sie haben so getan, als ob die Bescheinigungen gültig sind.
Richter Philipp Krasa
Der Richter räumte am Ende der Verhandlung ein, die Angeklagte habe „das Beste für die Menschen gewollt“. Dessen ungeachtet wurde sie schuldig gesprochen: „Ich bin mir sicher, dass Sie betrogen haben. Sie haben so getan, als ob die Bescheinigungen gültig sind.“ Der Verteidiger bat um Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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