Trotz Budgeterhöhung

Digitale Schulbücher: Wenn das Geld nicht reicht

Österreich
19.04.2021 06:00

Die Schulbuchaktion ist ein seit Jahrzehnten bewährtes Programm - bei dem in der Realität für die Bestellungen das Geld schon lange nicht reicht. So auch für das kommende Schuljahr, wo zwar nach langer Durststrecke die Mittel für die Aktion erstmals wieder erhöht wurden, das Plus von rund 12,6 Millionen Euro entpuppt sich aber bei genauer Betrachtung - wie befürchtet - als Tropfen auf dem heißen Stein. Vor allem die digitalen Schulbücher, also genau jener Bereich, dem vom Bundeskanzler abwärts eine Schlüsselrolle in Sachen Lernen zugeschrieben wird, bereiten heuer Kopfzerbrechen.

Noch bis 22. April läuft die Frist für die Schulbuchbestellungen für das kommende Schuljahr 2021/22. Viele Bildungseinrichtungen ließen sich heuer - oder lassen sich immer noch - mehr Zeit als in der Vergangenheit, um ihre Bestellungen abzugeben. Vor allem, weil diesmal nicht nur bei den „Papierbüchern“ sondern auch digital jongliert werden muss. Es gehe sich hinten und vorne nicht aus, und oft stellt sich den zuständigen Schulbuchreferenten die Frage, was weggelassen werden muss, so das ernüchternde Fazit.

(Bild: stock.adobe.com)

Dabei war im Februar - krone.at berichtete - stolz verkündet worden, dass erstmals seit rund zehn Jahren für das kommende Schuljahr die Mittel der Schulbuchaktion wieder erhöht werden. Die türkis-grüne Regierung einigte sich hier auf ein Plus von 12,6 Millionen Euro, Geld, das vor allem dem Ausbau des digitalen Angebots dienen soll, wie von Regierungsseite betont wird. Sieben Millionen Euro stehen demnach für digitale Schulbücher für die Sekundarstufe I (v.a. Mittelschulen, AHS-Unterstufe) und II zur Verfügung.

Sieben Millionen Euro - das mag auf den ersten Blick nach einer stattlichen Summe klingen, reiche aber gemessen am tatsächlichen Bedarf in Wahrheit nicht annähernd aus, wie Brancheninsider gegenüber krone.at bestätigen. Ging es sich in der Vergangenheit schon bei den gedruckten Büchern seit Jahren nur mehr schlecht als recht aus, gilt dies nun umso mehr für die digitalen Schulbücher. Konkret geht es um die sogenannten E-Book+ (also approbierte E-Books mit multimedialen, interaktiven Online-Anwendungen und nicht bloße pdf-Versionen der Schulbücher).

Nachfrage für digitale Schulbücher rasant gestiegen
Die Nachfrage für Schulbücher mit E-Book+ war - wie berichtet - schon vor der Corona-Krise regelrecht explodiert: Von rund 100.000 Bestellungen im Schuljahr 2018/19 auf rund 900.000 im Jahr 2019/20. Für das laufende Corona-Schuljahr waren es bereits mehr als 1,3 Millionen Bestellungen. Auf der von den Bildungsverlegern entwickelten Web-Plattform „Digi4School“ war im vergangenen März die 100-Millionen-Aufrufe-Grenze von Inhalten aus insgesamt 2220 E-Books und E-Books+ pro Monat in Griffweite.

(Bild: stock.adobe.com)

Geregelt werden die Bestellungen der Schulbücher durch die jährliche Limitverordnung, in der die Höchstbeträge für die Durchschnittskosten pro Schüler vom Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend festgelegt werden. Die Verordnung umfasst nun erstmals auch ein Digital-Limit für E-Book+ in Kombination mit einem Schulbuch. In der Sekundärstufe I (SEK1: Mittelschulen, AHS-Unterstufen) können E-Book+ im Wert von 12 Euro, in der SEK2 um insgesamt 8 Euro pro Schüler bestellt werden. Zur Relation: Das „Papierbudget“ beträgt in der SEK1 95 Euro, in der SEK2 190 Euro.

Auch wenn man sich bei der erst kürzlich ins Leben gerufenen Allianz der Bildungsmedien auf krone.at-Nachfrage froh darüber zeigte, „dass es überhaupt ein Budget für digitale Schulbücher gibt“, bestätigte auch Allianz-Präsident Markus Spielmann, dass dies noch lange nicht ausreiche für die Schulen. Wie auch für die „klassischen“ Schulbücher gibt es für die digitalen Produkte gedeckelte Preise. In der SEK1 sind es aktuell 6 Euro, in der SEK2 8 Euro pro E-Book+. Heißt also mit Blick auf das Digital-Limit: In der Regel gehen sich nicht mehr als zwei (SEK1) bzw. gar nur ein E-Book+ (SEK2) aus.

Branche vermisst im Regierungsplan Geld für Bildungsinhalte
Die berechtigte Sorge: Lehrer und Gegenstände werden gegeneinander ausgespielt, wenn es darum geht, welche E-Book+ bestellt werden - und es dürfte generell an digitalen Lerninhalten mangeln, wenn im Herbst im Zuge des im Vorjahr von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bildungsminister Heinz Faßmann (beide ÖVP) präsentierten „8-Punkte-Plans für die Digitalisierung“ die ersten 160.000 digitalen Endgeräte (Notebooks oder Tablets) an Schüler ausgegeben werden.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, Bildungsminster Heinz Faßmann und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck haben den Acht-Punkte-Plan zur Digitalisierung der Schulen präsentiert. (Bild: APA/BKA/Dragan Tatic)
Bundeskanzler Sebastian Kurz, Bildungsminster Heinz Faßmann und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck haben den Acht-Punkte-Plan zur Digitalisierung der Schulen präsentiert.

Für Infrastruktur seien im Acht-Punkte-Plan für Digitalisierung zwar 250 Millionen Euro vorgesehen, Geld für Bildungsinhalte fehle aber, bringt die Allianz der Bildungsmedien diese Sorge auf den Punkt. Dabei sollte es in Sachen Digitalisierung vor allem darum gehen, „interaktive und ansprechende Lernmaterialen den SchülerInnen zugänglich zu machen“, wie die frühere Bildungsministerin - und bis vor Kurzem Bildungssprecherin - der SPÖ, Sonja Hammerschmid, es mit Blick auf die Budgeterhöhung formulierte.

Von einer, wie die für die Finanzierung zuständige Familien- und Jugendministerin Susanne Raab (ÖVP) betont hatte, „deutlichen Ausweitung“, ist man also offensichtlich noch weit entfernt. Der vom Bildungsministerium vorgelegte Acht-Punkte-Plan ist zwar auch laut der Allianz der Bildungsmedien für die Digitalisierung des Bildungssystems ein „Meilenstein“, jedoch „fehlen die Bildungsinhalte“. Das Verteilen von Endgeräten wie Laptops werde nicht reichen, es brauche vor allem gute „Software“ in Form von Bildungsinhalten, so Allianz-Vorstandsmitglied Maximilian Schulyok, Geschäftsführer des Österreichischen Bundesverlag (ÖBV).

(Bild: stock.adobe.com, krone.at-Grafik)

Österreich vor großer Bildungs-Weichenstellung
Die Zeit drängt, denn Österreichs Bildungssystem steht mit der Lehrplanreform für die Zeit ab 2023/24 unmittelbar vor der nächsten großen Bildungs-Weichenstellung für die Zukunft. Ein möglicher Lösungsansatz für die Schulbuch-Misere wird übrigens nur unter vorgehaltener Hand ins Spiel gebracht: Was wäre, wenn die Schulbücher künftig überhaupt oder zumindest teilweise nicht mehr gedruckt, sondern stattdessen digital (pdf-Version, Ausdrucken von einzelnen Seiten nach Bedarf) in Kombination mit E-Book+ an die Schüler ausgegeben würden? Diese Option würde jedenfalls eine beträchtliche Kostenersparnis bei Druck und Logistik - und einen vorprogrammierten Aufschrei des Buchhandels - bedeuten. Doch wenn uns die letzten Jahre etwas gelehrt haben, ist es, dass die Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten ist.

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