Nach der Zerstörung von Regenbogenfahnen solidarisieren sich immer mehr Vorarlberger mit der LGBTIQ-Community. Auch ein Wirt aus dem Bregenzerwald hat vor seinem Gasthaus ein Zeichen für Toleranz gesetzt. Die Reaktionen waren zum Teil abscheulich.
Seit Anfang April hängt die Regenbogenfahne vor dem Gasthaus Sonne in Müselbach. Im Dorf selbst war die Solidaritätsbekundung von Wirt Gerold Neßler mit der Homosexuellen-, Trans-, Inter- und Queer-Bewegung bislang kein Thema. Als jedoch Vorarlberg Online darüber berichtete, entlud sich in den Kommentaren unterhalb des Artikels eine regelrechte Flut an Hass-Postings. „Die Reaktionen waren schon sehr heftig“, zeigt sich Gerold Neßler bestürzt. „Wir haben im Vorfeld intensiv darüber diskutiert, ob wir die Fahne vor unser Gasthaus hängen, denn dadurch äußern wir ja eine sehr persönliche Meinung.“
Anlass für die Solidaritätsbekundung der Familie Neßler waren die Sabotageakte in Hard und Feldkirch, wo Regenbogenfahnen entwendet bzw. angezündet wurden. Gehisst worden waren die Fahnen von den örtlichen Pfarrern - und zwar aus Protest gegen die Entscheidung des Vatikans, Homosexuelle nicht zu segnen. Auch Gerold Neßler wollte ein Zeichen für Toleranz setzen: „Wir wollten damit zum Ausdruck bringen, dass bei uns alle Menschen herzlich willkommen sind.“
Viele Anfeindungen und noch mehr Lob
Mit Kritik hatte Gerold Neßler gerechnet, aber nicht mit derart heftigen Anfeindungen, wie sie in den Kommentaren zu lesen waren - Vorarlberg Online sah sich schließlich sogar dazu gezwungen, die Kommentarfunktion zu sperren. Doch auch die Neßlers wussten sich zu helfen: Tochter Barbara, Grünen-Nationalratsabgeordnete mit Social-Media-Affinität, holte zum Gegenschlag aus und veröffentlichte die Hass-Postings auf ihrem Twitter- und Facebook-Account. Der erhoffte Effekt ließ nicht lange auf sich warten: „Von überallher kamen nun positive Reaktionen und Lob für unsere Aktion. Das hat mich dann wieder sehr gefreut.“
Von überallher kamen nun positive Reaktionen und Lob für unsere Aktion. Das hat mich dann wieder sehr gefreut
Gerold Neßler
Die Fahne bleibt!
Dass einige Gäste ausbleiben könnten, wie in den Onlinekommentaren wiederholt zu lesen war, sieht Neßler locker: „Die Entscheidung, ob jemand kommt oder nicht, überlasse ich jedem selbst. Wir alle haben einen freien Willen. Ich verurteile auch niemanden - dann wäre ich nämlich kein Stück besser als die Kritiker. Aber eines ist ebenfalls klar: Die Fahne hänge ich ganz sicher nicht ab.“ In der Bregenzerwälder Gemeinde wurde er übrigens noch von niemandem darauf angesprochen - auch nicht von Stammgästen.
„Diskussion auf dieser Ebene nicht möglich“
„Ich empfinde es als sehr, sehr traurig, dass man heute noch solche Kommentare lesen muss“, zeigt sich Michael Andreas Egger, Obmann des Vereins Go West für LGBTIQ, enttäuscht. „Das ist nichts anderes als Hass und Hetze. Eine Diskussion ist auf dieser Ebene nicht möglich.“ Die Reaktionen hätten einmal mehr aufgezeigt, dass noch sehr viel Aufklärungsarbeit nötig sei. „Wir müssen trotz dieser furchtbaren Kommentare gestärkt daraus hervorgehen und weitermachen, denn wir sind immer noch Menschen zweiter Klasse“, gibt sich Egger kämpferisch. „Wir haben immer noch nicht die gleichen Rechte. Und so lange die Missstände bestehen, müssen wir darauf aufmerksam machen.“
Wir müssen trotz dieser furchtbaren Kommentare gestärkt daraus hervorgehen und weitermachen, denn wir sind immer noch Menschen zweiter Klasse. Wir haben immer noch nicht die gleichen Rechte. Und so lange die Missstände bestehen, müssen wir darauf aufmerksam machen.
Michael Andreas Egger
Für jede Unterstützung dankbar
Egger ist für jede Unterstützung dankbar und vor allem auch für jene der Familie Neßler. „Ich werde demnächst in der Sonne essen gehen und ihnen im Namen unseres Vereins ein großes Dankeschön aussprechen.“ Er ist sich sicher, dass ihm zahlreiche Unterstützer folgen werden. „Wenn jetzt ein paar sagen, dass sie nicht mehr in das Gasthaus gehen, dann sagen vielleicht zehnmal so viele, dass sie genau wegen dieser Aktion in die Sonne wollen.“
„War zu Tränen gerührt“
Unterm Strich sieht Egger die Dynamik der vergangnen Wochen positiv: „Die Solidarität war und ist überwältigend.“ Die Nachfrage nach Regenbogenfahnen sei regelrecht explodiert. „Mit der nächsten Bestellung werden wir in Summe rund 600 Gratis-Fahnen verteilt haben.“ Besonderen Eindruck haben auf ihn die vielen Rückmeldungen von Priestern gemacht - „teilweise war ich zu Tränen gerührt, das hat mich in einer Arbeit ungemein bestärkt.“ Mit einem Gottesmann würde er sich aber noch gerne treffen: „Es wäre ein sehr schönes Signal, wenn Bischof Benno Elbs mit uns das Gespräch suchen würde und so der Diskurs im Land weitergeführt wird.“
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