Während die fünfte Generation in der Mobilkommunikation noch im Aufbau ist, wird in der Forschung und Entwicklung bereits nach Lösungen für noch höhere Datenraten und somit das 6G-Netz gesucht. Steirische Forscher sind in einem europäischen Forschungskonsortium prominent vertreten, das im Bereich der Antennentechnik an der technischen Machbarkeit der sechsten Mobilfunkgeneration arbeitet, um der Nachfrage nach immer höherem Datendurchsatz gerecht zu werden.
„Die Welt wird immer vernetzter. Mehr und mehr Daten müssen von immer mehr drahtlosen Geräten ausgesendet, empfangen und verarbeitet werden - der Datendurchsatz wächst. Im Horizon2020-Projekt Reindeer widmen wir uns diesen Entwicklungen und erarbeiten ein Konzept, mit dem die Datenübertragung in Echtzeit praktisch ins Unendliche skalierbar ist“, erklärte Klaus Witrisal, Experte für drahtlose Kommunikationstechnik am Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der TU Graz. Die Gratkorner NXP Semiconductors GmbH Austria und die Villacher Technikon Forschungs- und Planungsgesellschaft mbH (als Koordinator) sind die österreichischen Partner in dem Konsortium mit weiteren Experten aus Belgien, Schweden und Spanien.
Bei bisherigen Funkstandards wie UMTS, LTE (Long Term Evolution) oder auch aktuell 5G erfolgt die Signalübertragung über Antenneninfrastruktur, die fest an einer Position verortet ist. Je dichter das Netz an ortsfester Infrastruktur ist, umso höher ist der Durchsatz - jene Datenmenge, die in einem bestimmten Zeitfenster übertragen und verarbeitet werden kann. Diese Basisstationen stellen zugleich den bisherigen Flaschenhals dar. Je mehr drahtlose Geräte mit einer Basisstation verbunden sind, desto instabiler und langsamer ist die Datenübertragung.
Antennen als Wandfliese oder Tapete
„Wir wollen eine sogenannte RadioWeaves-Technologie entwickeln - eine Art Antennengewebe, das an jedem Ort in beliebiger Größe installiert werden kann. Etwa in Form von Wandfliesen oder als Tapete. So können ganze Wandflächen als Antennenstrahler fungieren“, erklärte Witrisal den Ansatz. So soll mit der RadioWeaves-Technologie der Flaschenhals verschwinden, „weil wir anstelle eines einzigen Knotenpunktes beliebig viele Knotenpunkte einhängen können“, erläuterte er.
Für das private Heim ist die Technologie allerdings nicht gedacht - auch wenn sie den Alltag verändern wird. Laut Witrisal berge sie vor allem für industrielle und öffentliche Anlagen Möglichkeiten, die weit über 5G-Netzwerke hinausgehen: „Wenn in einem Sportstadion 80.000 Menschen, alle ausgerüstet mit einer Virtual-Reality-Brille, das entscheidende Tor zeitgleich aus der Perspektive des Torschützen anschauen möchten, ist das mit dem RadioWeaves-Antennenfeld zukünftig möglich.“ Funkwellen würden zugleich die drahtlose Energieversorgung der VR-Brillen sicherstellen.
Zentimetergenaue Ortung
In Industriehallen könnte die Technologie für eine bisher unerreichte Abdeckung sorgen. So werde es machbar, Tausende von Objekten in Echtzeit zu lokalisieren. Für die funkbasierte Ortungstechnologie sieht der TU-Experte überhaupt große Chancen: Gemeinsam mit den Forschenden seiner Arbeitsgruppe geht er davon aus, dass mit der RadioWeaves-Technologie Güter sogar auf zehn Zentimeter genau ortbar werden. „Damit lassen sich dreidimensionale Modelle von Güterströmen realisieren: für die Produktion und Logistik bis hin zur erweiterten Realität auf der Verkaufsfläche.“
Das Projekt ist zu Jahresbeginn angelaufen, bis 2024 möchte das Konsortium einen ersten Hardware-Demonstrator entwickeln, um die Technologie experimentell validieren zu können. „6G wird erst Ende dieses Jahrzehnts spruchreif werden - doch dann wollen wir sicherstellen, dass der schnelle drahtlose Zugang dort ist, wo wir ihn brauchen, wenn wir ihn brauchen“, zeigte sich Witrisal motiviert.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.